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Revolution an der Tanzbar: Rolling Stones - Sympathy for the Devil / You Can't Always Get What You Want / Paint it Black

Heute noch ein bisschen Revolution an der Tanzbar, ohne Anspielung auf laufende Diskussionen ;-)

Als Anspieltipp. Video gibt es bei Youtube.

Piratenpartei jetzt im Bundestag: Mit Kriegspolitiker, Sozialabbauer, Bahnprivatisierer, ...

Nun ist es raus: Jörg Tauss ist am Wochenende aus der SPD ausgetreten und hat seinen Eintritt in die Piratenpartei angekündigt. Also wird er, so fern seinem Antrag stattgegeben wird, die Piraten in den letzten Tagen vor der Konstituierung des 17. Deutschen Bundestages eben dort vertreten.
Bereits heftig wird wird in Foren und Blogs diskutiert, ob Tauss Pirat werden solle oder nicht. Hintergrund ist ein anhängiges Verfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften. Deutlich weniger spielte in der Diskussion eine Rolle, für welche sonstige politische Positionen, also jenseits von Bürgerrechten im Internet, Tauss steht.


Daß man mittlerweile auch einen Blick auf die sonstigen politischen Standpunkte von Tauss wagt, liegt am Beitrag Who the Fuck is ... Jörg Tauss, den das redblog in den Abendstunden des Freitags veröffentlichte. Dort kann man lesen, wie der rechtssozialdemokratische Abgeordnete bei verschiedenen Abstimmungen votierte. Vielen in und bei der Piratenpartei scheint seine Zustimmung zu Kriegspolitik, Sozialabbau, Diätenerhöhung, ... egal. Er habe doch unter Fraktionszwang gestanden ...


Bezüglich der Verlängerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr heißt es dann lapidar, Tauss habe ja nur der Verlängerung zugestimmt. Ob er auch schon der eigentlichen Beteiligung zugestimmt habe, wisse man nicht. Es ist wahr, diese Information gibt die Auflistung im redblog nicht her. Eine Recherche bezüglich der Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Bundeswehreinsatz konnte nicht klären, wie sich der Sozialdemokrat damals verhielt. Jedoch ist er in einer Presseerklärung vom 14.5.1999 sehr deutlich:
Die Entwicklung zeige, daß die Strategie der NATO [völkerrechtswidriger Angriffskrieg, Anmerk: redblog] richtig gewesen sei, dem serbischen Kriegstreiber nicht länger tatenlos zuzusehen.
Es sei eine große Tragik, daß erst nach wochenlangem Krieg ein Einlenken des Diktators in Belgrad erfolgte. Ohne das militärische Eingreifen der NATO wären die Kosovo- Albaner für immer vertrieben worden. Jetzt ist eine Rückkehr möglich, betonte Tauss.
Mit seiner Presseerklärung machte Tauss deutlich, daß er eben jene kriegstreiberische Politik von Schröder, Fischer und Co und ihre Kriegslügen voll und ganz unterstützt hat.

Im Wahlkampf 2005 plakatierte die SPD gegen die geplante Anhebung der Mehrwertsteuer vom 2 Prozentpunkte. Nach der Wahl beschlossen Tauss und Konsorten eine Erhöhung um drei Prozentpunkte.


Nach seinem Parteiaustritt hatte Jörg Tauss in einem Interview erklärt, "seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber der SPD zu erfüllen und bei Beschlüssen mit der SPD-Fraktion zu stimmen, wenn sie sich nicht gegen Bürgerrechte und Internet-Freiheit richteten." Was dies heißt ist klar:

Er wird, dann als Abgeordneter der Piratenpartei, weiterhin jede sozialpolitische Schweinerei der Großen Koalition mittragen! Bei jeden halbwegs fortschrittlich denkenden Blogger, Netzaktivisten und ... sollten hier die Alarmglocken schrillen: "Nein, den können wir nicht gebrauchen." Aber die ausgelassene Feierstimmung bei den Piraten ist nur der Ausdruck, dass es jenseits von Netzaktivismus keinerlei gemeinsamer politischer Standpunkte gibt. Wer Kriegspolitiker, Sozialabbauer, Bahnprivatisierer, ... in seinen Reihen akzeptiert, kann auf Solidarität nicht hoffen.

Was und wo Demokratie ist, bestimmen “wir„ … am Beispiel des Irans

Für die meisten Privat- und Partei-Medien stand schon lange vor der Präsidenten-Wahl fest: Im Iran herrscht eine Diktatur mit einem wahnsinnigen –ºFührer–¹ an der Spitze.

Genauso viel Wahnsinn braucht man, um sich dann eine Wahlbeteiligung von ca. 80 Prozent der Stimmberechtigten zu erklären. Einen Wahlkampf, der erbittert geführt wurde und ganz offensichtlich mehr war, als ein Showkampf zwischen ein- und demselben. Wie anders erklärt sich die Zerrissenheit verschiedener Machtfraktionen innerhalb des iranischen Systems, nach diesem Wahlergebnis


Wie gesagt, über 80 Prozent gingen zur Wahl. Lange Schlangen vor den Wahllokalen, geduldiges Warten, um die Stimme abzugeben - für eine Diktatur doch recht ungewöhnlich, während sich in den –ºMutterländern–¹ der Demokratie gerade einmal 40 Prozent zu den EU-Wahlen schleppten.

Die Wahl wurde schnell und offiziell zugunsten des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad entschieden. Über 60 Prozent sollen ihnen gewählt haben. So schnell die abgegebenen Stimmen auszählt waren, so schnell stand für westliche Medien fest: Das kann nur Wahlbetrug sein, den nachzuweisen bekanntlich auch in –ºMutterländern–¹ der Demokratie schwer bis unmöglich, auf jeden Fall langwierig ist. Als einziger –ºbelastbarer–¹ Beweis müssen zurzeit westliche Prognosen herhalten, nach denen es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben sollte und ein Sieg des –ºReformers–¹ nicht ausgeschlossen werden könne. Was den Reformer Mirhossein Mussawi vom amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in puncto demokratischer Rechte und wirtschaftlicher Gerechtigkeit unterscheidet, interessiert(e) die westlichen Medien nicht. Wie in allem parlamentarischen Ordnungen stehen die darin zugelassenen Parteien für verschiedene Varianten im System –“ auf dem Boden der jeweiligen Verfassung.

Wenn westliche Medien und Regierungen den Kandidaten Mirhossein Mussawi favorisieren, dann geht es ihnen mitnichten um mehr Demokratie, um Gleichberechtigung, um das uneingeschränkte Recht auf Opposition. Schließlich pflegen sie ausgezeichnete und enge Beziehungen zu klerikalen, oligarchen, diktatorischen, die Folter und –ºextra-legale Erschießungen–¹ praktizierende Regierungen (von der Türkei, über Pakistan, Afghanistan, Irak, Saudi-Arabien bis hin zu Usbekistan, Russland und Kolumbien), wenn sie den wirtschaftlichen und imperialen Interessen des Westens gefällig sind!

Westliche Regierungen favorisieren den –ºReformer–¹ einzig und alleine aufgrund seiner Ankündigung, über das Atomprogramm zu verhandeln. Mit einem Sieg Mussawi hofft man, dass dieser mit westlichen Atommächten über etwas verhandelt, worüber kein westlicher Staat in den letzten 60 Jahren verhandelt hat und verhandeln würde: Über die –ºfriedliche Nutzung der Atomenergie–¹.

Die Schimäre von der friedlichen Nutzung der Atomenergie
Die westlichen Atommächte wissen um die Brisanz und um den Drahtseilakt ihres erpresserischen Vorhabens. Sie wollen den Iran davon abbringen, etwas in Anspruch zu nehmen, was westliche Regierungen seit Jahrzehnten –“ gegen massiven Protest aus der eigenen Bevölkerung –“ selbstverständlich tun. Die Nutzung der Atomenergie. Alle westlichen und ihr gefälligen Regierungen sind diesen Weg gegangen. Unter dem Vorwand, lediglich friedlich die Atomenergie nutzen zu wollen, haben sie sich Know-how und atomwaffenfähiges Material besorgt. Unter dem Deckmantel der –ºzivilen–¹ Nutzung und mit dem stillen Einverständnis der Atommächte sind sie heute im Besitz von Atomwaffen: Pakistan, Indien, Israel, vielleicht auch Nordkorea. Sie alle haben den fließenden Übergang zwischen –ºfriedlicher–¹ und –ºmilitärischer–¹ Nutzung der Atomenergie genutzt, um in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen.

Seit ein paar Jahren hat sich auch die iranische Regierung für diesen Weg entschieden. Seitdem ist das iranische Atomprogramm –ºumstritten–¹. Die iranische Regierung besteht auf eigene Anlagen zur Urananreicherung, um diesen Brennstoff für die zivile Nutzung der Kernenergie zu nutzen. Die US- und EU-Regierungen behaupten hingegen, dass hinter der zivilen Nutzung nur militärische Ambitionen verborgen werden sollen. Die US-Regierung unter dem Präsidenten Bush verhängte –ºWirtschaftssanktionen–¹ und schloss einen Krieg nicht aus –“ die EU-Regierungen übernahmen den Part, bis dorthin –ºalle diplomatischen Möglichkeiten–¹ auszuschöpfen.

Die Dreistigkeit des Vorgehens besteht darin, eben nicht die –ºfriedliche Nutzung der Kernenergie–¹ generell einzustellen und die Beseitigung aller Atomwaffen1 zu betreiben, sondern exklusiv die iranische Regierung dazu zu zwingen, von dieser Option Abstand zu nehmen. Eine sonders makabere und scheinheilige Rolle dabei spielt die deutsche Bundesregierung, die angesichts der iranischen Ambitionen »mit großer Sorge« erfüllt ist. Sie weiß, wovon sie spricht.

Seit den 70er Jahren betrieben deutsche Bundesregierungen ein Atomprogramm, das gezielt und absichtsvoll auf den Besitz von atomaren Massenvernichtungswaffen zusteuerte. Was man heute über die Möglichkeiten des Irans weiß, war in Deutschland spätestens seit den 80er Jahren Realität: Für Atomkraftwerke braucht man 3-5 Prozent angereichertes Uran bzw. Plutonium. Wenn man diesen Brennstoff –“ in einem aufwendigen zweiten Prozess - bis zu 90 Prozent anreichert, hat man das Material für eine Atombombe.

Vor diesem zweiten, technisch durchaus machbaren Schritt der iranischen Regierung warnt die so genannte –ºWeltgemeinschaft–¹. Dieselbe, die bis heute schweigt, dass genau dieser zweite Schritt hin zur militärischen Nutzung der Atomenergie in Deutschland längst gemacht wurde.

Wenn man die iranische Regierung verdächtigt, die zivile Nutzung für ihre wahren, also verbrecherischen Absichten nur vorzuschieben, dann weiß gerade die deutsche Bundesregierung, wovon sie spricht - aus eigener Erfahrung: In den 70er Jahren wurde als –ºspanische Wand–¹ eine neue AKW-Linie entworfen, der Hochtemperaturreaktor. Dieser benötigt nicht drei bis fünf, sondern bis zu 93 Prozent angereichertes Uran bzw. Plutonium. Nichts anders also als das Material, das man zur Herstellung von Atomwaffen benötigt! Bis heute schweigt die deutsche Bundesregierung darüber. Nicht einmal die größte Leukämiedichte der Welt nach einem vertuschten –ºUnfall–¹ 1986 in der Umgebung des staatlichen Atomforschungszentrums –ºGKKS–¹ bei Geesthacht2 kann dieses Schweigen durchbrechen –“ schon gar nicht von den vielen deutschen Medien, die im Iran so viel Mut beweisen...

Bild-Beherrschung –“ kein westliches Privileg
Geradezu bewegend süß erlebt man dieser Tage, wie sich westliche Medienvertreter über schwere Einschränkungen ihrer Berichterstattung wehren. Man müsse doch ungehindert und frei über alles berichten können. So radikal, so kompromisslos und staatskritisch kennt man den deutschen Journalismus gar nicht, vor allem nicht im eignen Lande.

Umso mutiger gehen sie zu Werke, die Möglichkeiten (missliebiger) Machthaber beschreiben, die öffentliche Kommunikation einzuschränken bzw. zu sabotieren: Sie kappen bzw. stören Handyverbindungen, sie schließen Internetseiten, sie verhindern eine regimekritische Berichterstattung und nutzen das Monopol des –ºStaatsfernsehens–¹, um ausschließlich erwünschte Bilderwelten zu zeigen: In Endlosschleifen werde der Sieg Ahmadinedschads gefeiert, während die Proteste gegen Wahlbetrug unterdrückt werden.

Keine Frage, das Regime Ahmadinedschads ist ein Reaktionäres, Repressives. Denn was heute ein –ºGottesstaat–¹ ist, war kein göttlicher Wille, sondern das Ergebnis eines mit großer Brutalität durchgeführten Säuberungsprozesses, nachdem die Diktatur des Schahs von Persien 1979 gestürzt werden konnte: »Die Mitglieder der Tudeh-Partei3 und jegliche linke Opposition sahen sich einer brutalen Verfolgung ausgesetzt, ähnlich wie zu Zeiten der Schahherrschaft.«4

Kritik an der Regierung Ahmadinedschads zu äußern und zu teilen, ist zweifellos richtig. Umso mehr stößt einem die hemmungslose Opportunität deren auf, die im eigenen Land skrupellos und lukrativ daran beteiligt sind, privates oder öffentliches –ºStaatsfernsehen–¹ zu betreiben.

Dieselben Medienvertreter, die im Iran Grundsätze der Demokratie wiederentdecken, sind hier im eigenen Land Perfektionisten genau dieser loyalen (Staats-)Inszenierungen: Man erinnere sich nur an die Berichterstattung über den NATO-Gipfel in Kehl/Straßburg vor ein paar Monaten. Kein Wort über die massiven Einschränkungen des Demonstrationsrechtes in Deutschland, kein Wort über die leer gefegte Stadt Straßburg, die in eine (rote) Sicherheitszone verwandelt wurde, wo nur gejubelt werden durfte. Kein Wort darüber, dass eine Großdemonstration von über 50.000 Menschen auf der französischen Seite im Nirgendwo stattfand, die Grenze zwischen Frankreich wahlweise überwacht und geschlossen wurde –“ um eine länderübergreifende Demonstration zu verhindern.

Freie Meinungsäußerung und Demonstrationsrecht –“ im Iran durchsetzen.
Nach dem –ºWahlsieg–¹ Ahmadinedschads kündigte die Opposition Demonstrationen in Teheran an, die verboten wurden. Trotzdem gingen Hunderttausende auf die Straße und setzten ihr Recht durch –“ gegen die Schikanen verschiedener Repressionsorgane. Immer wieder wurden die DemonstrantInnen angegriffen, Menschen auseinander getrieben, verhaftet, einige DemonstrantInnen getötet.

Unisono entdeckte die Große Koalition in Deutschland das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht ... im Iran: »Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte den Iran zu einem Ende der Polizeigewalt auf.«5

Einen politischen Konflikt mit Staatsgewalt zu ersticken, Protest einzuschüchtern und zu zerschlagen, ist überall auf der Welt ein Verbrechen. Tatsächlich? Mit welcher Unverfrorenheit und Scheinheiligkeit fordern Politiker der Großen Koalition das Recht auf freie und ungehinderte Meinungsäußerung ein, dort, während sie hier in aller größter Selbstverständlichkeit dieses aus –ºSicherheitsinteressen–¹ außer Kraft setzen!

Als der G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 stattfand, wurde eine 40-Kilometer-breite –ºrote Zone–¹ eingerichtet, innerhalb derer jeder Protest verboten wurde. Ein zwölf Millionen teurer und ebenso langer Zaun rund um das Tagungsgelände sollte jeden Versuch, dieses Verbot zu ignorieren, im Keim ersticken. Über 17.000 Polizisten, Sondereinsatzkommandos, bis hin zur Bundeswehr6 wurden eingesetzt, um diese demokratiefreie Zone mit Gewalt durchzusetzen. Worauf sich der Protest gefasst machen sollte, bewiesen die Polizeiorgane bereits im Vorfeld, als sie Razzien in verschiedenen Städten durchführten, 18 Personen als vermeintliche Mitglieder einer terroristischen Vereinigung verfolgten, mit der Behauptung, sie würden eine »militante Kampagne gegen den G8-Gipfel«7 planen. Die heute im Iran um Meinungs- und Demonstrationsfreiheit kämpfenden Medienvertreter fanden diese gezielten Einschüchterungsmaßnahmen im Großen und Ganzen in Ordnung und notwendig.

Dennoch beteiligten sich ca. 50.000 Menschen an den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Hunderte von DemonstrantInnen wurden in Käfige8 gesperrt, Tausende bekamen alleine für ihr dissidente Erscheinung –ºPlatzverbote–¹, über 3.000 Menschen wurden während des G-8-Gipfels festgenommen. Von –ºbedauerlichen Einzelfällen–¹ abgesehen, sekundierten die deutschen Meinungsmacher brav und gehorsam diese Polizeistrategie.

Man stelle sich vor, nicht 50.000, sondern eine Million Menschen wären auf die Straße gegangen, um sich gegen das de facto Demonstrationsverbot zur Wehr zu setzen. Zu was wären deutsche Sicherheits- also Repressionsorgane bereit gewesen, um solche –ºillegalen–¹, –ºverbotenen–¹ Demonstrationen auseinanderzutreiben?

Einige Anmerkungen zu Kritiken der deutschen Linken am iranischen –ºGottesstaat–¹
Neben dem Umstand, dass es sehr viele religiös-eingefasste und auf religiöse Dogmen beruhende Regierungssysteme in der Welt gibt, sticht an der gegenwärtigen iranischen Regierung unter Ahmadinedschad seine mehrmals wiederholte Haltung, den –ºHolocaust–¹ zu leugnen und den Staat Israel in Frage zu stellen, hervor. Die Frage, ob es sich dabei um propagandistische oder reale Absichten handelt, wäre für manche Linke spätestens dann beantwortet, wenn eine solches Regime in den Besitz von Atomwaffen käme. Alleine aus diesem Grunde müsse man alles unterstützen, damit dies nicht passiere. Dass man damit imperiale Mächte unterstütze, wisse man, sei aber nicht zu vermeiden.

Unabhängig davon, wie real diese Bedrohungen sind, kann man eines festhalten: Bislang wurden atomare Massenvernichtungswaffen nur von der US-Regierung 1945 in Hiroshima und Nagasaki/Japan9 eingesetzt –“ nicht als letztes Mittel, um der eigenen Vernichtung zu entgehen, sondern aus der Position der absoluten Überlegenheit heraus. Es spricht also nichts dafür, dass der Besitz von Atomwaffen in den Händen –ºweltlicher–¹ Herrschaftssysteme weniger bedrohlich sei, als in den Händen islamischer Regime. Wer als Linke dazu beitragen will, dass die –ºfriedliche Nutzung–¹ der Atomenergie nicht für militärische Zwecke genutzt werden kann, muss für einen generellen Stopp jeglicher Nutzung von Atomenergie eintreten. Alles andere ist ein Beitrag zur Fiktion eines –ºguten–¹ Imperialismus10, der mit falschen Motiven das unbeabsichtigt Richtige tut. Und wer –“ aus guten Gründen –“ dazu beitragen will, dass der Iran nicht in den Besitz von atomaren Massenvernichtungswaffen gelangen darf, der sollte nicht als (bedeutungsloser) Co-Manager einer imperialen Logik bestimmen, in welchen Händen Atomwaffen gefährlicher sind, sondern dafür kämpfen, dass keine Herrschaft, keine Regierung - also auch kein sozialistische –“ in deren Besitz kommt bzw. bleibt. Das sollte für eine Linke nicht zu viel verlangt sein. Es würde nur dem Wortlaut des Vertrags über die Nichtverbreitung von Atomwaffen entsprechen: 1968 kam es »zum Abschluss des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages, dem nur vier Mitglieder der Vereinten Nationen noch nicht beigetreten sind. Gemäß des Nichtverbreitungsvertrages haben sich die 182 Nichtatomwaffenstaaten der Erde verpflichtet, keine Atomwaffen zu erwerben, und im Gegenzug haben die fünf offiziellen Atommächte versprochen, ihre Atomwaffen abzuschaffen.« Die Erklärung der Überprüfungskonferenz 2000, die von allen fünf offiziellen Atommächten unterzeichnet wurde, beinhaltet » ... eine unzweideutige Verpflichtung der Atomwaffenmächte, die vollständige Abschaffung ihrer Atomwaffenarsenale zu betreiben bis zur vollständigen nuklearen Abrüstung, zu der alle Vertragsparteien nach Artikel VI verpflichtet sind.«11

Herrschaft der –ºAufklärung–¹ versus religiöser/islamischer –ºFanatismus–¹ - Zivilisation versus Tyrannei
Dass westliche, kapitalistische Regierungen mit diesem ideologischen Frontverlauf Kriege führen und –ºzivilisatorisch–¹ begründen, ist seit dem Krieg gegen den Irak 1991 Gang und gebe. Der –ºFeind der Menschheit–¹, der Kommunismus musste geliftet, den –ºneuen Herausforderungen–¹ angepasst werden. All das wäre nicht der Rede werte wert, wenn nicht Teile der Linken dieser ideologischen Kriegsfront beigetreten wären. Auch wenn –ºantideutsche–¹ Positionen darin schrill hervorstechen, so ist zu befürchten, dass sich viele Linke dieser Position zumindest gefühlsmäßig anschließen können: Der –ºaufgeklärte–¹, also –ºrationale–¹ Kapitalismus sei sicherlich ungerecht, aber wenigstens berechenbar. Das demokratische/parlamentarische System sei zwar nicht das Nonplusultra, aber immerhin eine institutionelle Begrenzung gegenüber totalitären Machtansprüchen. All das sei summa summarum einem religiösen, also –ºirrationalen–¹ System mit –ºfanatischen–¹ und totalitären Zielen und Zügen vorzuziehen.

Unabhängig, davon ob in einem Herrschaftssystem –ºGott–¹ oder das –ºKapital–¹ oberste, extra-legale Instanz ist, für beide Herrschaftsmodi braucht es reale Machtfaktoren, die weder im Himmel, noch in der –ºunsichtbaren Hand des Marktes–¹ liegen. Unabhängig davon, wie stark religiöse Kräfte in den USA oder im Iran die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen beeinflussen, sollte eine Linke darauf beharren, hinter jedwede Ideologie zu schauen, ob es sich um eine kapital-gedeckte oder um eine religiös-bestimmte handelt. Für eine Linke sollte es nicht darum gehen, welche Herrschaftsideologie –ºbesser–¹ ist, sondern welche je verschiedenen Interessen sich dahinter verbergen bzw. durchzusetzen versuchen. Diese finden sich weder im Koran, noch in den Lehren von der –ºfreien Marktwirtschaft–¹.

Wenn eine Linke den Islam genauso entschleiern helfen würde wie den –ºNeoliberalismus–¹ hier, würde sie zu einem Verständnis beitragen, das den gesellschaftlichen Konflikt in den Vordergrund stellen würde, anstatt sich als besonders radikale Religionskritiker gegenseitig zu überbieten.

Die Londoner –ºFinancial Times–¹, sicherlich nicht im Verdacht stehend, das Mullahregime zu hofieren, schreibt dazu: »Veränderung heißt für die Armen Arbeit und Nahrung und nicht lockerer Dresscode oder gemischte Freizeitgestaltung« und schließt diesen Gedankengang wie folgt ab: »Politik im Iran hat sehr viel mehr mit Klassenkrieg zu tun als mit Religion.«12

Man muss diesen Andeutungen nicht Wort für Wort folgen –“ man sollte sie jedenfalls nicht unterschreiten.13

Dummer Antiimperialismus
»Verlierer will siegen - Straßenschlachten nach Wiederwahl Ahmadinedschads im Iran. Herausforderer Mussawi setzt Überprüfung der Ergebnisse durch. Nach dem Erdrutschsieg des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bei den iranischen Präsidentschaftswahlen am vergangenen Freitag ist es am Wochenende in Teheran zu Zusammenstößen zwischen gewaltbereiten jungen Oppositionellen, angestachelt durch zahlreiche Vermummte, und der Polizei gekommen. Die Randalierer, wütend ob der Niederlage ihres Favoriten, des 68jährigen Politveteranen Mirhossein Mussawi, riefen –ºTod dem Diktator–¹, –ºNieder mit der Diktatur–¹ oder –ºFreiheit–¹. Sie zündeten Mülltonnen, Parkbänke und Autoreifen an, Fensterscheiben von Geschäften und Banken gingen zu Bruch. Der arabische TV-Sender Al Dschasira berichtete, die Demonstranten hätten Polizisten mit Steinen beworfen, die daraufhin mit Stöcken zurückgeschlagen, Tränengas eingesetzt und Warnschüsse abgefeuert hätten. Nach Polizeiangaben wurden rund 60 Demonstranten festgenommen.«

Die Wortwahl, der denunziatorische Polizei-Jargon, die Verharmlosung des repressiven staatlichen Vorgehens würde man gerne den Springer-Zeitungen zuschreiben. Tatsächlich ist es eine Textpassage aus der –ºJunge Welt–¹ vom 16.06.2009.

Es gibt keinen einzigen Grund die amtierende Regierung Ahmadinedschads, ihre Vorstellung von Gesellschaft und Demokratie zu verteidigen –“ auch dann nicht, wenn diese in den Augen der US-Regierung und vieler europäischer Regierungen –“ aus ganz anderen Gründen - einen –ºSchurkenstaat–¹ anführt, womit vor allem eines legitimiert werden soll: Ein –ºRegimewechsel–¹ mit politischen und (wenn das nicht funktioniert) militärischen Mitteln.

Und es gibt keinen Grund, den Protest von Hunderttausenden zu denunzieren, selbst wenn er »hauptsächlich aus der Oberschicht des Landes und von begüterten Iranern«14 getragen werden würde. Gegen die (möglicherweise) schlechten Motive gegen das reaktionäre Regime Ahmadinedschads zu protestieren, braucht man keine Polizei, sondern eine bessere, eine emanzipatorische Idee. Zu aller erst sollte man jedoch genau hinhören, was die Opposition will und wie unterschiedlich (möglicherweise) die Motive sind, gegen das gegenwärtige Regime auf die Straße zu gehen. Auf jeden Fall ist die Empathie für den Protest gegen das reaktionäre Regime der –ºbedingungslosen–¹ Solidarität mit dem –ºFeind meiner Feinde–¹ vorzuziehen.


1 Das ist keine utopische Forderung, sondern Vertragsbestandteil des Atomwaffensperrvertrages.

2 Siehe auch:

3 Kommunistische Partei Irans

5 FR vom 16.6.2009

6 »Nach offizieller Darstellung waren 1.100 im Rahmen von Amtshilfe sowie weitere 1.000 Soldaten im Rahmen originärer Bundeswehraufgaben während des G-8-Gipfels im Einsatz.« Hans-Christian Ströbele vom 13.9.2007

7 Diese Verfahren nach § 129a wurden 2008 sang- und klanglos eingestellt.

8 Gefangenensammelstelle (GeSa), Industriestraße, Rostock

9 Dabei wurden sofort etwa 155.000 Menschen, in Folge der Verstrahlung weitere 110.000 Zivilisten ermordet.

10 Das zentrale Theorem des linken Bellizismus vom –ºSchrecklichen und jetzt Richtigen–¹ (Gremliza, Konkret-Herausgeber, Konkret 3/1991) geistert seit dem US-alliierten Krieg gegen den Irak 1991 durch die deutsche Linke

11 Sir Joseph Rotblat, US-Nuklearphysiker, FR vom 6.8.2002

12 Financial Times vom 14.Juni 2009

13 Laut der Turiner Historikerin Farian Sabahi wurden unter der Regierung Ahmadinedschads »die Renten um 50% und die Lehrergehälter um 30% angehoben. Außerdem sind 22 Millionen Bürger mehr als zuvor in den Genuss von kostenloser Gesundheitsversorgung gekommen.« Interview der italienische Tageszeitung –ºl–™Unità–¹ vom 16.6.2009

14 Junge Welt vom 16.06.2009

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