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Festgeklebt in Geisslers "Kitt statt Dynamit"?

Großdemo gegen S21 am 09.10.2010
"Kitt statt Dynamit". Das sollte Geissler bieten. Wie es in vielen bürgerlichen Blättern fast erleichtert hieß. Gemeint natürlich: die Widerstrebenden wieder ans Gemeinwohldenken fesseln. "Einbinden" wie man so sagt. "Dynamit" spricht lauteste Sprache der Angst. Vor der  Entwicklung einer Sprengkraft, die ein entschiedenes Nein  der herrschenden Gewalt entgegensetzen könnte.

Klar, dass damit beide Seiten ein gewisses Risiko eingingen.

Die Mappusgruppe, fest entschlossen, keine Daten herauszurücken. Trotzdem genötigt, zuzugeben, dass das "niedere Volk" überhaupt einen Anspruch auf Rechenschaft erheben kann. Die Gegenseite: Chance der landesweiten Verbreitung der eigenen Argumente über Kanäle aller Art.

Auf dieser Ebene hat Palmer von den GRÜNEN  eindeutig einen Punktsieg davongetragen. Während ein hochgelehrter Bruder Lall der Bahn Europa vor die Augen riss und sehr allgemein alle Verweigerer als Europa- und Fortschrittsfeinde hinstellte, konnte Palmer scharf und bescheiden die Leerstellen aufzählen, die im durchgestylten Großprojekt "noch" fehlten und darin für immer fehlen würden.

Dagegen gestellt die Mickrigkeit der immer wieder durch die Nudelmaschine getriebenen Vorteile.

Gefahren ergaben sich aus den ausgehandelten Vorteilen des Verfahrens selbst. Geissler hatte an sich geschickt seine Erfahrungen aus tausend gewerkschaftlichen Verhandlungen flott gemacht - und deshalb einen Zustand gefordert, der kein fait accompli schuf. Das ist - unentschlossen genug - halbwegs durchgesetzt worden. Mappus und seine Clique zogen sofort nach, und versuchten mit dem selben gewerkschaftlichen Wortschatz eine Friedenspflicht zu suggerieren. Das ging in Theorie und Praxis schief. Der Mappusjüngerschaft  war zwischendurch entfallen, dass bei allen gewerkschaftlichen Verhandlungen während der Endphase die Demos und Kundgebungen vor dem Verhandlungssaal unübersehbar anschwellen. Wieso jetzt auf einmal nicht, nur weil es gegen die Obrigkeit ging?

Ungelöst bleibt damit allerdings das eigentliche Problem. Es kann zwar einen Kompromiss geben zwischen acht Prozent und vier Prozent bei IG Metall. Wo soll der aber zu finden sein zwischen Bahnhof ja und Bahnhof nein?

Die Staatsgemeinde hat in Wirklichkeit einen Verzicht auf den Umbau oder auch nur eine Volksabstimmung nie in Erwägung gezogen. Wie seinerzeit in Hessen schüttelte man betrübt die Köpfe und knurrzischte: verfassungsmäßig nicht vorgesehen.

Also unmöglich! Wie wenn die Verfassung zugleich mit den zehn Geboten einst von Gott aus dem brennenden Dornbusch weitergereicht worden wäre. Verfassungen sind of ziemlich bedenkenlos zusammengeschustertes Menschenwerk. Die im Tremolo des Nachkriegs in Kommunistenangst und Obrigkeitslust zusammengekratzten besonders. Was Menschen geschaffen haben, können Menschen auch ändern. Die im Landtag zum Beispiel. Dass die Landesregierung eine solche Ämderung für undenkbar erklärt, beweist, dass sie entschlossen ist, ihr Ding mit der Bahn zusammen durchzuziehen (und der lokalen Stuttgarter Geländespekulation, versteht sich).

Wie werden sich die Umbau-Gegner Geisslers Kitt entwinden können? Jetzt einfach die Verhandlungen zu verlassen, würde den Grünen vermutlich im Kreis der Versöhnungssüchtigen unter den gewöhnlichen Leuten niederreißend schaden.

Andererseits: Sich bis zum Ende der vorgetäuschten Einigungshoffnung von Geissler  mitschleifen zu lassen, wäre schlimmer.

Am Ende werden Teufel und Mappus - aufgeplustert im Gefieder eigener Großzügigkeit - verlauten lassen: Sie hätten ja gewiss Geduld und Langmut gezeigt bis über alles erwartbare Maß hinaus: Jetzt müsse dem verbliebenen Gegner-Rest um die "Parkschützer" herum eben mit den Mitteln des staatlichen Gewaltmonopols noch einmal - und dieses Mal dauerhaft und gründlich - gezeigt werden, wo der Landesplaner dem Bahnhof seinen Platz angewiesen hat.

Müsste also vor dem letzten November, den Geissler vorgesehen hat, ein Abgang gefunden werden, der den Abrissgegnern den Trumpf in der Hand lässt.

Leicht zu erkennen, schwer zu finden.Gesucht werden müsste im Bereich eines umfassenderen Widerspruchs. Schließlich lechzt die Obrigkeit und ihre Herde nicht nur nach dem Immobiliengeschäft im Stuttgarter Zentrum, sondern genau so nach den Sondergewinnen, die die bis möglichst zum Termin des jüngsten Gerichts  weiterbetriebenen drei KKWs bringen sollen. Sie sind genau so wie das Bahnhofsprojekt gegen die Interessen der näheren und weiteren Nachbarschaft als Zwingburgen errichtet.

Das Nein muss herausgearbeitet werden als etwas, das den Massen der Gegner genau so unverhandelbar entgegentritt wie  das Verfassungstabu den Staatsfetischisten.

Wäre das zu schaffen, beantworteten die Wahlen im März 2011 ein einziges Mal eine wirkliche Frage: Für die Fortsetzung der Ausbeutung der eigenen Bürger durch die staatsgeschützten Monopole - oder - mit ungewissem Ausgang - für freie Verfügung der Landesbewohnerinnen und -bewohner über das von ihnen Hervorgebrachte.

KUNDGEBUNG: Esslinger Initiative gegen Stuttgart 21

Für alle, die nicht mit dem Sonderzug nach Berlin fahren: Stefan Mappus kommt auf Einladung der Esslinger Zeitung und der Kreissparkasse Esslingen am 26.Oktober 2010 ins Neckarforum nach Esslingen. Die Esslinger Initiative gegen Stuttgart 21 trifft sich zu einer Kundgebung um 18 Uhr am Rathausplatz in Esslingen um dann in einem angemeldeten Demonstrationszug zur Hauffstraße vor den Eingang des Neckarforums zu ziehen.



Siehe auch:
• Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und die AnStifter organisieren den Protest-Kultur-Zug von Stuttgart nach Berlin
Parkschützer
Pressekonferenz zum Sonderzug nach Berlin, 21. Oktober
redblog

Flop am Samstag: Die Pro S21 Kundgebung

Gestern dachte ich mir: "Schau doch mal bei der PRO S21 Kundgebung auf dem Schlossplatz vorbei".  Nicht, dass ich mir eines Tages nicht vorwerfen lassen muss, ich hätte der Gegenseite keine Chance gelassen. Die haben sie jedoch nicht genutzt.

Die Polizei rechnete die Anwesenden auf 7000 hoch, die Veranstalter rundeten auf: 10000 sollen es gewesen sein, und das, obwohl sie in ihrer tollen Facebook Gruppe ganz doll mobilisiert haben und es kostenlose Fahrten nach Stuttgart gab, wie bei der CDU Göppingen. Gehässiger Seitenhieb der Moderation auf die Gegner: "Wenn wir so rechnen würden wie die Gegner, nämlich die Füße zu zählen, wären wir heute doppelt so viele". Beifall vom Fußvolk für den Flachwitz.



Ein (Noch) Bahn Chef, der dazu aufrief, die "ohnehin hochgekochte, politisch und emotional aufgeladene Situation" nicht noch weiter zu befeuern und natürlich das Schlichtungsverfahren lobte. Um im selben Atemzug - "ich sage es Ihnen ganz ehrlich..." die sattsam bekannten Plattitüden von sich zu geben: "Die Deutsche Bahn kann darf und will keinen Baustopp", winkte erneut mit tausenden neuer Arbeitsplätze, Bäume und Wohnungen und erhielt artig Beifall von der zwischendrin "Weiterbauen! Weiterbauen" skandierenden und mit Deutschland Fähnchen winkenden Menge. Kennen wir alles, wurde schon oft genug widerlegt.



Ein paar abgehalfterte Politiker, die außer den PRO S21 Demonstranten keiner mehr sehen will. Ex - Ministerpräsident Erwin Teufel sieht die "Grundpfeiler der Demokratie" in Gefahr, wenn sich die Gegner von S21 durchsetzen. Dafür gab's frenetisches "Erwin! Erwin!" Gejohle des vom kostenlosen Sekt offenbar schon berauschten Publikums. Kein Wunder, wollten die unsere sauren Gurken nicht haben. Naja, RESIST schmeckt sowieso besser, außerdem passen Alkohol und Demo ohnehin nicht zusammen.



Ein gescheiterter Projektsprecher, dessen Nachfolger vorsorglich nicht an der Kundgebung teilnahmen. Immerhin hat er ausgemacht, warum "Boulevardblätter" wie der "Stern" kritische Berichte bringen: Weil dort nicht die Südwestpresse über ihre Beteiligungen die Finger drin hat, wie bei der Regionalpresse. Aber immerhin, einige seiner wichtigen Argumente fielen auf fruchtbaren Boden:



Die Moderation inne hatte ein sich ganz und gar unchristlich verhaltender Pfarrer, der nebenbei sämtliche Redner heiligsprach, die Gegner des Projektes jedoch auch gestern diffamiert: Alle auf jeden Fall "linksgerichtet". Hach, wenn's nur so wäre!

Dazwischen: Absolut unterirdische, billige "Sex sells Pro S21" Reklame. Und ein Nazivergleich, den nicht nur ich zum Kotzen finde:



Klar, das waren bestimmt linksradikale Provokateure. Nach der Sichtung dieses Motives langte es mir. Zum Glück gab es noch die Möglichkeit, an einer Spontandemo mit mehreren tausend S21 GegnerInnen teilzunehmen, die ausgehend von der Kundgebung am Nordausgang stattfand.



Berittene und andere Polizeikräfte hatten dabei die beiden Demonstrationen fein säuberlich getrennt. Dazwischen die Stimme ihres Herrn aus dem Off: "–˜Ich stehe uneingeschränkt zur Polizei und es wäre gut, wenn dies alle tun würden. Dabei verbieten sich öffentliche Ferndiagnosen, denn sie nützen niemanden und desavouieren die aktiven Polizisten, denen viel Aggression entgegenschlägt–™, [...]. Und: –˜Es ist eine Hysterie und eine planmäßig gesteuerte Erregung gegenüber der Polizei zu spüren, aber auch gegenüber allen, die für dieses Projekt sind.–™"(Via politblogger)



Ab morgen beginnt dann die 12. Aktionswoche gegen Stuttgart 21.



Fotos von den Protesten gegen S21:
Buntgrau
Realfragment
Action-Stuttgart

Das LINKE am Sturm gegen Stuttgart 21

Protestdemo gegen den drohenden Abriss des Nordflügels am 19.08.2010
Catrin Dinger, strenge Richterin aus "Jungle Word" hat herausgefunden, dass die Gesamtbewegung in und um Stuttgart nur zur deutsch-nationalen Knollenbildung reichte. Und wie flugs die das bewies! Ihre Methode: Zerlegung. Sie sieht die Leute, die Bäume retten wollen. Gleich legt sie uns die alten Germanen - sinngemäß -nahe, die um die Eichen tanzten. Gegen die was Sankt Bonifatius noch ein Aufklärer mit seinem Hackebeilchen. Oder die Verehrung für das Bauwerk eines Architekten, der aus dem nationalen Monumentalismus auch nie herausfand. Am verdächtigsten die teilnehmenden Personen: die wollten ihr Grün und ihre Ruhe! Manche wurden erwischt, die in der Eile "Lebensraum" sagten. Was an dem Ganzen soll da "links" sein?

Was fehlt bei der Kritik der Griesgramin? Anwort: Der Zusammenhang.

Von niemand bestritten wird, dass viele von denen, die sich heute einmütig gegen "Stuttgart 21" wenden, unter anderen Umständen gegeneinander stellen würden. Wenn es etwa um höhere Erbschaftssteuer ginge.

Die Kritikerin hält an einer allzu engen Fassung des "Linken" fest. Links - das sollte nach ihr wohl die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter innnerhalb der Fabriken sein. Zunächst um den Lohn, später vielleicht um das ganze System der Lohnarbeit.

Gestehe ich es offen, dass im Kommunistischen Bund Westdeutschland selig, dem ich mit Kretschmann zusammen einst angehören durfte, ähnliche Vorstellungen umgingen. Eigentlicher Klassenkampf gehörte nach dieser Vorstellung in den Betrieb. Die Tatsache, dass die erbitterten Auseinandersetzungen um Wyhl, um Wackersdorf, um Startbahn West,in Brockdorf samt und sonders außerhalb der Fabrik stattfanden, sollte uns nicht irremachen. Hilfsweise wurde der Begriff der "Volkskämpfe" herangezogen, die sozusagen als Wolke um die "eigentlichen" Klassenkämpfe zu wogen hatten. Nicht, als hätten die Leute vom KBW und "Roter Fahne" sich nicht als entschlossenste auch an die Spitze dieser Kämpfe gesetzt. Nur reichte das als Salbe gegen das schlechte Gewissen nie ganz: was war mit dem Aufstand in den Fabriken?

Bis dem einen oder anderen unter uns auffiel, dass der Ansatz falsch war. Produktion selbst war zu eng gesehen. Wir richteten den Blick auf den Mann, die Frau am Fließband, an der Werkbank, als verbrächten sie dort das ganze Leben. Als wäre Produktion überhaupt noch einschließbar in irgendwelche Hallen. Was war mit den Produktionsgelegenheiten - und Möglichkeiten zwischen einem Arbeitsort und dem weiterverarbeitenden nächsten? Was mit dem An-und Abtransport der Leute, die sich erst einmal in den Hallen einzufinden hatten. Was mit der Gegend um die Wohnungen der Arbeitenden herum?

Was mit den Schlaf- und Bewegungsmöglichkeiten um Flörsheim oder Offenbach, welche die Startbahn West schmatzend wegfraß? Das gleiche gilt nach den Erfahrungen von Tschernobyl aber mit dem Leben selbst der Arbeitenden - wie aller übrigen- und den Gesundheitsbeeinträchtigungen.

Versuchsweise lässt sich also formulieren, dass es heutzutage im Klassenkampf nicht um die Herrschaft in der Fabrik allein gehen kann, sondern dass er darüber hinaus Verfügung über den gesamten Bewegungsraum anzielen muss - damit Bestreitung des Zugriffs der großen Monopole und ihrer Planungs-und Enteignungskompanie.

Hinzu kommt eines: Gramsci hatte sehr gut auseinandergesetzt in den zwanziger und dreißiger Jahren, als er im Knast Mussolinis saß, dass es im Zusammenhang mit dem Klassenkampf um Hegemonie geht.. Hegemonie - gemeint als die Meinungsführerschaft, die gegenwärtig Merkel und Seehofer als "Lufthoheit über den Stammtischen" beanspruchen. Hegemonie - gemeint als Kraft, gewisse Gesichtspunkte, Meinungen und Handlungsanweisungen als unumgänglich alllen anderen aufzuzwingen, die im Gespräch ernst genommen werden wollen. Aus der Hegemonie heraus würden sich demokratische Mehrheitsentscheidungen ergeben.

Warum hat das Rezept Gramscis bisher so selten hingehauen?

Weil es bisher sehr oft einer Mehrzahl gelungen ist, sich einfach uninteressiert zu geben. Nicht betroffen. Was die da oben beschlossen haben, wird schon seine Ordnung haben. Sind doch mit den Mappussen und Rechs immer gut gefahren. Damit konnten sich die Vielen aus dem Streit heraushalten.

Das ist im Fall des Protests gegen "Stuttgart 21" kaum noch möglich. Wie selbst die Apostel der Bahn zugeben, wird der Bau zehn Jahre lang dazu bringen, in Schlammstiefeln die Innenstadt zu durchqueren. Dieser Situation gegenüber ist faule Neutralität kaum noch möglich. Man muss Stellung nehmen und gerät damit in den Sog der hegemonialen Ausrichtung.

Geissler hat in einer der hundert Diskussionssendungen mit Recht darauf hingewiesen, dass in seinen Runden endlich einmal die Verträge offengelegt werden müssen, die Bahn, Stuttgart und Regierung untereinander abgeschlossen haben, als seien das Abmachungen zwischen ein paar privaten Besitzern. Nur reicht diese Offenlegung bloß für den ersten Schritt. Für eine Annäherung an die entscheidende Frage: Wer wen? Wenn nämlich erst einmal die zu erwartenden Kosten feststehen - wohlgemerkt die im gegenwärtigen Augenblick - kann - und muss - sinnvoll gefragt werden:

Wem soll das hier zu Bezahlende zukommen? Dem Monopol und dem ihm zuarbeitenden Staatsapparat - oder denjenigen, die endlich volle Verfügung über den eigenen Bewegungsraum verlangen. Und zu erkämpfen haben.

Ein weiteres Ergebnis der bisherigen Bewegung: wer sich einmal auf die Hinterbeine gestellt hat, auf die eigenen, wohlgemerkt, um seine Stadtmitte, seinen Baumbestand, seine Kontakte zu verteidigen, der kommt schrittweise ab vom kindischen Vertrauen, die Oberen- insbesondere die Parteien- würden im Endeffekt die Sache schon regeln. Entweder CDU und FDP. die uns so lange trefflich geführet - oder die neuen, die im Augenblcik manche Interessen der Kämpfenden vertreten. Es wird hoffentlich nur wenige geben, die über dem gegenwärtigen löblichen Einsatz der GRÜNEN die Schamlosigkeiten vergessen, die unter Fischer - und nicht nur unter ihm - begangen wurden. Vom Wackelpudding selbst, der SPD voller Wehmut und Gebetshaltung, gar nicht zu reden. Es kann sich empfehlen, bei allem Misstrauen gegen den Rest der Parteien Mappus abzuwählen. Das wird ohne ein Ja zu LINKEN, GRÜNEN und voller Nachsicht für die Verjauchten der SPD nicht gehen. Wichtig aber, nach der Wahl die Maßnahmen schärfster Aufsicht nicht zu vergessen. Nie mehr darf eine Regierung, einmal gewählt, sich vergnügt im Faulbett wälzen, in der genüsslichen Illusion: Ab jetzt sei alles erlaubt. Mindestens eine Wahlperiode lang. Auch ein Kretschmer oder ein anderer grüner Sendbote muss Tritte in den Hintern fürchten - die ganze Regierungszeit lang.

Ergebnis also: Der Proteststurm gegen Stuttgart 21 ist nicht einfach links, wie ein Ding, das man gefällig angemalt hätte. Aber dieser Sturm eröffnet die Möglichkeit für viele, links zu werden - dann nämlich, wenn sie über die dabei gemachten Erfahrungen lernen, sich - unabhängig von allen angeblich vorgegebenen Instanzen - auf die eigenen Beine zu stellen und die eigenen Interessen zu vertreten - gegen den Raubzugriff der Monopole und des ihnen dienstbaren Staates.

1. Aktionskonferenz zur Perspektive des Widerstands gegen Stuttgart 21

Einladungsflyer - Anklicken für Download der Druckvorlage
Wir haben viel erreicht: Wir haben sehr viele Menschen mobilisiert, unser Widerstand findet bundesweite Aufmerksamkeit in den Medien und wir konnten den Baufortschritt behindern.
Doch wir konnten nicht verhindern, dass der Nordflügel abgerissen wurde, dass die ersten Bäume gefällt wurden und dass die Bauarbeiten fast ungebremst weiterlaufen. Viele fragen sich auch angesichts der rücksichtslosen Bauumsetzung, wie wir effektiver mit unserem zivilen Ungehorsam werden können.

Wie geht es nun weiter mit unserem Protest?

Wie können wir die vielen von uns mobilisierten Menschen noch besser einbinden?....

Zum Ablauf

kurze Input-Referate:
- Geschichte und Organisation der Bewegung (Mike Pflugrath)
- Berichte von den Gesprächen und deren Einschätzungen (Fritz Mielert und Hannes Rockenbauch)

anschließend Klärung und Diskussion unter den Teilnehmern

Zu diesem Treffen sind alle eingeladen, die unseren Widerstand gegen das Milliardengrab weiterbringen wollen.

Ort und Zeit: 20.10.2010, 18:00 Uhr, DGB Haus Stuttgart, Willi Bleicher Str. 20

Quelle: BAA

Stuttgart 21, Castor, Angriff auf demokratische Rechte, Perspektiven: Schulterschluss suchen!

Heute kommt Besuch aus dem Wendland zu den Stuttgart 21 Protesten. Kerstin Rudek ist Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, seit vielen Jahren aktive Atomkraftgegnerin und heute als Rednerin bei der Montagsdemonstration im Stuttgarter Schloßgarten angekündigt.

Zur Einstimmung eine dokumentarische Animation über CASTOR-Transporte, Zwischenlager, Gorleben, die Demos und vieles mehr.



Mehr Informationen gibt es auch bei: castor-suedbockade.de

Stuttgart 21: Solidaritätserklärung Sozialforum München

Bei Franz ist die Solidaritätserklärung des Münchner Sozialforums mit den S21 Protesten veröffentlicht:

An die Aktivistinnen und Aktivisten gegen Stuttgart 21

Liebe Freundinnen und Freunde,
das Sozialforum München solidarisiert sich mit Eurem Kampf gegen das Mammut-Projekt „Stuttgart 21“, das von der Landesregierung und der Deutschen Bahn AG mit aller Macht gegen den Bürgerwillen durchgezogen werden soll.

Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dieses Projekt entscheide über die „Zukunftsfähigkeit Deutschlands“. Mitte der 1980er Jahre haben wir solche Töne auch von der bayerischen Staatsregierung gehört, die mit allen Mitteln, darunter auch brutalen Polizeieinsätzen, in Wackersdorf eine atomare Wiederaufbereitungsanlage errichten wollte. Doch der widerspenstige Wille und die Beharrlichkeit der Bürger und Bürgerinnen der Region haben schließlich obsiegt –“ und Deutschland (oder Bayern) ist nicht untergegangen.

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob Demokratie bedeutet, alle paar Jahre einen Stimmzettel in eine Urne zu werfen –“ oder aber sich aktiv an der Gestaltung der Kommune, der Region und des Landes zu beteiligen. Euer Kampf ist ein Kampf für eine wirkliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den wichtigen alle betreffenden Entscheidungen!

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob der Club der Unternehmer und Finanzgewaltigen, der sich regelmäßig im „Weinberghäusle“ trifft, durch die neue Bebauung der in der Innenstadt frei werdenden Flächen einen riesigen Reibach machen kann, wobei bei Durchsetzung des Konzeptes die einfachen BewohnerInnen immer mehr in Randlagen verdrängt werden –“ oder ob die Stadt für möglicht viele Menschen lebenswert bleiben oder gemacht werden kann.

Bei Stuttgart 21 geht es um die Frage, ob öffentliche Bauwerke nach politischen „Notwendigkeiten“ schön gerechnet werden können und sich am Ende herausstellt, dass statt vier zwölf Milliarden Euro zu bezahlen sind –“ natürlich durch die Steuerzahlerin und den Steuerzahler. Hier kommt es anscheinend auf die Milliarden nicht an, während im Sozialbereich jeder Cent dreimal umgedreht wird.

Bei Stuttgart 21 geht es schließlich um die Frage, ob die natürlichen Lebensbedingungen, wie Parks und Wasseradern, einfach dem Modernisierungswahn zum Opfer fallen sollen, oder ob nicht alle größeren Vorhaben sorgfältig auf ihre langfristigen Auswirkungen auf Klima und Ökologie von Stadt und Region zu untersuchen sind.

Aus allen diesen Gründen bewundern wir Eure Mobilisierungserfolge und wünschen Euch einen erfolgreichen Kampf zur Verhinderung eines Wahnsinnsprojektes.

Stuttgart 21 nie!

"Stuttgart 21" - längst keine Frage der Argumente mehr...

Jetzt konsequent bleiben!
Am 9. Oktober kam es in Stuttgart erneut zu einer Großdemonstration gegen "Stuttgart 21" mit bis zu 150.000 Menschen. Damit verdreifachten sich innerhalb weniger Wochen die Teilnehmerzahlen. Insbesondere sich politisierende Jugendliche, linke AktivistInnen, kämpferische GewerkschafterInnen und BürgerInnen die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen, zeigen ein enormes Durchhaltevermögen und haben einen von vielen kaum vermuteten und auch unterschätzten Widerstandswillen entwickelt.

Polizeigewalt am 30. September verbreitert den Widerstand und setzt Kampf um demokratische Rechte auf die Tagesordnung.

Unter dem Motto „Bildung statt Prestigebahnhof“ sind an diesem Tag 2.000 SchülerInnen auf die Straße gegangen. Alarmiert durch die Meldung, dass starke Polizeikräfte zusammengezogen wurden und offenbar das Fällen der ersten Bäume unmittelbar bevorstand, zog die friedliche Schülerdemonstration in den mittleren Schlossgarten.

Die Hoffnung vieler, die Polizei werde sich auch diesmal weitgehend friedlich verhalten, wurde jedoch enttäuscht: Im Schlossgarten wurde die Schülerdemo durch einen brutalen Polizeieinsatz beendet. Unter den mehreren hundert Verletzten waren viele nicht nur körperlich sondern auch seelisch verletzte und traumatisierte Kinder.

Immer mehr Menschen trafen im Laufe des Tages ein und widersetzten sich durch friedliche Sitzblockaden, Baumbesetzungen, Transparente oder einfach durch ihre Anwesenheit.

Mit einer pflichtbesessenen Brutalität, die an Heiligendamm oder Strasbourg erinnerte, wurden Blockaden durch die aus verschiedenen Bundesländern zusammengezogene Polizei geräumt. Hierbei kamen neben Wasserwerfern mit beigemischten Chemikalien auch Reizgase und Pfefferspray sowie Schlagstöcke zum Einsatz. Begründet wurde der Einsatz durch die Polizei mit der "massiven Behinderung durch die DemonstrantInnen".

In der darauf folgenden Nacht wurden die ersten von insgesamt fast 300 Bäumen gefällt. Und das trotz Erlass eines Stopps jeglicher Baumfällarbeiten bis 6. Oktober durch das Eisenbahnbundesamt.

Die Argumente der Befürworter: Wasserwerfereinsatz bei Räumung einer Sitzblockade am "blutigen Donnerstag"
Spaltung und Kriminalisierungsversuche fehlgeschlagen"Der Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Pfefferspray ist durch nichts zu rechtfertigen, da die Demo-Teilnehmer sich alle friedlich verhalten haben. Die Konsequenz von Hunderten von Verletzten, insbesondere Schüler, ist ein Skandal, den Ministerpräsident Mappus zu verantworten hat und der Baden-Württemberg in ganz Europa einen enormen Imageschaden bescheren wird," sagte der BUND Regionalvorsitzende Axel Wieland, der selbst vor Ort war.

Ein Sprecher der Polizei verteidigte dagegen das Vorgehen der Beamten. Wenn die DemonstrantInnen sich rechtlich nicht einwandfrei verhielten, „dann kann die Polizei auch mal hinlangen“, betonte er.

Ministerpräsident Mappus stellte sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Er nahm den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech öffentlich in Schutz und kriminalisierte die DemonstrantInnen.

Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Im Nachhinein versuchte auch die Polizeiführung den Einsatz zu rechtfertigen und den Protest der Jugendlichen zu diffamieren. Der Versuch, die zu erwartende größte Protestdemonstration gegen Repression und "Stuttgart 21" am nächsten Tag noch im Vorfeld mittels der durch die Polizei verbreiteten Mär, dass "7000 Autonome nach Stuttgart kommen" sollten, zu kriminalisieren und zu spalten, schlug jedoch ebenfalls grandios fehl.

Statt dessen  verstärkte sich das Protestpotenzial nach diesen Ereignissen enorm: Bei der Freitagsdemo am 1. Oktober unter dem unmittelbaren Eindruck des „blutigen Donnerstags“ waren es 100.000 DemonstrantInnen, eine Woche später sogar 150.000.

Der Innenminister hat sich verRECHnet. Da er der Verantwortliche für die Polizeitaktik ist, wurde von den Protestierenden  sein Rücktritt gefordert: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man unsere Kinder haut!"

Der Delinquent tritt inzwischen die Flucht nach vorne an und lässt seinen Verfassungsschutz die Kinder und Jugendlichen zu "Linksextremisten" erklären. Damit wird nur notdürftig kaschiert, dass sich die Regierung in Baden - Württemberg seit Monaten in einer politischen Krise befindet, die sich durch die Ereignisse am Donnerstag erheblich vertieft und längst auch Berlin erreicht hat.

Bundesregierung ins Visier nehmen
Wie in Stuttgart verhält sich auch die Merkel Regierung und will den Protest aussitzen: "Im Bundestag kam es zu einem Schlagabtausch zu den Ereignissen. Union und FDP lehnten einen Grünen-Antrag für eine Aktuelle Stunde ab - diese soll nach den Worten von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nun kommende Woche stattfinden. "Der Antrag ist politisch schädlich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier." (Quelle: NTV)

Auch Bundeskanzlerin Merkel hat ihr Schicksal an das Infrastrukturprojekt gekoppelt. Wer "Stuttgart 21" zu Fall bringen will, muss deshalb die Bundesregierung ins Visier nehmen! Dass die Bewegung dazu auf dem besten Wege ist, zeigten die Solidaritätsaktionen, die inzwischen in vielen Städten stattfinden.

Es ist alles gesagt...
Die größte Gefahr für die Protestbewegung droht nicht von außen...
Bisher sorgte neben dem eigentlichen Anlass vor allem die Landesregierung mit ihrer Arroganz für ständigen Zulauf zur Protestbewegung. Trotz verstärkter Pro "Stuttgart 21" Propaganda und dem Einsatz professioneller PR Agenturen –“ die sogar Gegenproteste organisieren –“ wurde der Widerstand gegen das Projekt nicht geschwächt.

Eine ganz andere Rolle spielen allerdings die Kräfte innerhalb der Protestbewegung, die vor allem auf Legalismus, Appelle an die Regierung, die Landtagswahlen und möglichst wenig Konfrontation wie zum Beispiel auf die Ausweitung der Proteste in die Großbetriebe der Region setzen.

Bei der Abschlusskundgebung am 9. Oktober erhielten die RednerInnen eher verhaltenen Beifall, die die Bewegung zurückzerren wollen, indem sie auf die Schlichtung durch Heiner Geißler setzen. Der durch ihn verkündete und binnen kürzester Zeit von Ministerpräsident Mappus stornierte angebliche Baustopp entpuppte sich bei genauerem Hinsehen denn auch als Mogelpackung: Zum Zeitpunkt seiner Verkündigung waren laut Bauplan sowieso keine weiteren Abrissmaßnahmen geplant. Die zur Vorbereitung der Baugrube notwendige Absenkung des Grundwasserspiegels dagegen wird gegenwärtig offenbar trotzdem durchgeführt und bedroht nicht nur die europaweit zweitgrößten Mineralquellen, sondern alle Bäume im Park, denen damit das Wasser abgegraben wird. Dafür sollten nach Mappus Willen die Proteste ausgesetzt werden.  Konsequenterweise lehnen die "aktiven Parkschützer" die gegenwärtigen Sondierungsgespräche ab. Solange Bahn und Politik keinerlei Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, halten die Parkschützer weitere Gespräche für Zeitverschwendung.
Auch von anderer Seite droht Ungemach: In Berlin hat die Hartz IV und Jugoslawienkriegspartei "Die Grünen" die Proteste gegen "Stuttgart 21" für sich entdeckt und will diese vor ihren Landtagswahlkampfkarren spannen. Trotz ihrer Zustimmung zu "Stuttgart 21" im Bundestag im Jahr 2005. In Baden-Württemberg will der Grüne Winfried Kretschmann, der sich beste Chancen auf den Ministerpräsidentenposten ausrechnet, nicht garantieren, dass ein Ausstieg aus dem Projekt überhaupt noch möglich ist...

Schlussfolgerungen ziehen für andere politische und soziale Kämpfe

Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob die Bewegung weiterhin politisch selbständig bleibt, an Entschlossenheit gewinnt und sich dementsprechend auch durchsetzen kann, oder ob Beschwichtigungsversuche und kleinere Zugeständnisse es vermögen, sie zu schwächen oder gar zu spalten. Es geht dabei längst nicht nur um das Bahnprojekt, sondern auch um einen rasanten Politisierungsprozess zahlreicher Menschen, die selbst handeln, bereit zur Konfrontation mit Regierung und Polizei sind und sich mit dem, was hinter der Fassade von "Demokratie" und "sozialer Marktwirtschaft" steckt, immer kritischer auseinandersetzen.

Die neu entstandene Offenheit muss genutzt werden, um nicht nur gegen "Stuttgart 21" zu mobilisieren. Die Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" zeigt, dass es möglich ist, eine Massenmobilisierung für positive Ziele und über parteipolitische, weltanschauliche und soziale Grenzen hinweg aufzubauen. Die Frage ist auch, ob die Bewegung gegen "Stuttgart 21" die Schlussfolgerung zieht, dass nicht nur an "Stuttgart 21" etwas faul ist, sondern auch an dem sozialen Dauerbrenner Hartz IV, der Atompolitik, der Kriegspolitik, der Haushaltspolitik und sich mehr und mehr die Frage stellt, ob es nicht positivere gesellschaftliche Perspektiven gibt.

... die Machtfrage stellen!

Die „Fakten“ sind den Projektbetreibern von Anfang an klar. Es geht nicht mehr darum, sie zur „Einsicht“ zu bewegen, sie mit „besseren Argumenten“ zu „überzeugen. Die besseren Argumente der Projektgegner haben die Gegenseite noch nie interessiert, ihr geht es darum, Kasse zu machen.

Vielmehr geht es darum, den Protest zu verschärfen, ihn auch auf andere politische Felder auszuweiten –“ wozu der Herbst einige hervorragende Möglichkeiten bietet –“ und vor allem:

Den vorgegebenen Rahmen zu durchbrechen und die Initiative nicht aus der Hand zu geben.



Quelle: Vorabveröffentllichung meines Beitrages für die "Graswurzelrevolution" Nr. 353
Siehe auch: Stuttgart 21: Aufstand der Anständigen in der Ausgabe Nr. 352
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