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Bezahlkarte als Abschreckungsinstrument

Logo des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg: Eine stilisierte offene HandDer Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die geplante Bezahlkarte als Instrument der Abschreckungspolitik und fordert eine diskriminierungsfreie Umsetzung. Im November 2023 beschloss die Ministerpräsident*innen-Konferenz die Einführung der Bezahlkarte für Bezieher*innen von Asylbewerberleistungen. Nun haben sich 14 Bundesländer auf gemeinsame Mindeststandards geeinigt, mit denen eine verschärfte Diskriminierung geflüchteter Menschen droht. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die Bezahlkarte als abschreckungspolitisches Instrument und fordert die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, Spielräume im Sinne der Betroffenen zu nutzen.

Die Mindeststandards, auf die sich 14 der 16 Bundesländer Ende Januar geeinigt haben, ermöglichen umfassende Beschränkungen und weitreichende Eingriffe in die persönliche Lebensgestaltung von Schutzsuchenden. Es gibt keinen Minimalbetrag, der Geflüchteten in Form von Bargeld ausgezahlt werden muss. Überweisungen sollen grundsätzlich nicht möglich sein, was zum Beispiel die Bezahlung von Rechtsbeiständen erschwert.  „Damit könnte Geflüchteten faktisch der Zugang zum Rechtssystem verwehrt werden“, warnt Mariella Lampe vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Auch eine regionale Begrenzung der Bezahlkarte soll möglich sein. Diese macht es Geflüchteten noch schwerer, Beratungsstellen, Freund*innen oder Unterstützer*innen aufzusuchen, die sich nicht direkt vor Ort befinden. „Im Zweifel können sich die Betroffenen unterwegs nicht mal eine Flasche Wasser kaufen“, so Lampe weiter.

Mit der Einführung der Bezahlkarte verbunden ist das politische Kalkül, Menschen davon abzuschrecken, bis nach Deutschland zu fliehen. Doch diese Rechnung kann aus Sicht des Flüchtlingsrats nicht aufgehen: „Es werden nicht weniger Menschen zur Flucht gezwungen, nur weil es in Deutschland Bezahlkarten statt Bargeld gibt“, so Julian Staiger, ebenfalls vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Entgegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012, welches die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen ausdrücklich festhält und erklärt, dass die Menschenwürde nicht „aus migrationspolitischen Gründen relativiert“ werden dürfe, zeugt die Bezahlkarte erneut von populistischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

Wie die Länder die Karte umsetzen werden, ist noch offen. Der Flüchtlingsrat fordert die baden-württembergische Politik dazu auf, Bezahlkarten möglichst diskriminierungsfrei auszugestalten. Das bedeutet vor allem die Begrenzung des Einsatzes der Karte auf eine kurze Dauer, die Begrenzung auf einen möglichst kleinen Personenkreis und das Absehen von regionalen oder sonstigen Beschränkungen. Ein Positivbeispiel ist die Umsetzung der Bezahlkarte in Hannover, wo sie als unbeschränktes digitales Zahlungsmittel für eine Übergangszeit zu Beginn des Aufenthalts ausgegeben wird, solange noch kein eigenes Konto eingerichtet ist. „Gerade in Zeiten, in denen eine große Anzahl von Menschen in ganz Deutschland gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte demonstriert, ist es wichtig, ein klares Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen“, so Staiger weiter. Eine entsprechende Ausgestaltung könnte den Kommunen durch Erlasse von der Landesregierung auferlegt werden.

Quelle: Pressemitteilung

Pam Africa: Aktuelles zum Gesundheitszustand von Mumia Abu Jamal

Das Foto zeigt Mumia Abu-Jamal zusammen mit Noelle Hanrahan
Das Foto zeigt Mumia Abu-Jamal zusammen mit Noelle Hanrahan
Seit September verschlechtert sich der Gesundheitszustand des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal zusehends. Er hat an Gewicht verloren, ist blutarm, hat hohen Blutdruck und einen extremen Ausbruch seiner Schuppenflechte, und seine Haare sind ausgefallen. Im April 2021 unterzog sich Mumia einer Operation am offenen Herzen. Seitdem wird ihm eine kardiologische Rehabilitationsmaßnahme, einschließlich gesunder Ernährung und körperlicher Betätigung, verweigert. Dazu das Transkript eines Radiobeitrags bei Prison Radio, in dem Pam Africa dazu berichtet.

Noelle Hanrahan: Mein Name ist Noelle Hanrahan. Ich bin Anwältin, Ermittlerin und arbeite für Prison Radio, und ich bin hier mit Pam Africa für die International Concerned Family and Friends of Mumia Abu Jamal. Pam, was gibt es Neues?

Pam Africa: Richtig, letzte Woche hatte ich einen Anruf von Wadiya Jamals ältestem Sohn, der gerade von einem Besuch bei Mumia zurückkam, und er war sehr aufgebracht.

Er sagte sogar, er sei weinend den Flur hinuntergegangen. Als er zu seinem Auto kam, sagte er, er sei so durcheinander gewesen, als er sein Auto anließ, dass er anhalten musste, weil er unkontrolliert geweint hatte. Weißt du, weil Mumia einfach so schlimm aussieht. Und, seine Haare waren ausgefallen, aber das Wichtigste war nicht die Tatsache, dass Mumia die Haare ausgingen, und, es war der Ausschlag, er hatte diesen schwarzen Ausschlag, der in seinem Gesicht begann, und er hatte gesehen, dass Mumia sich so sehr gekratzt hatte, dass seine Augenbrauen, die Hälfte davon, weg waren.

Mumia juckt es rund um die Uhr und er hatte einen schrecklichen Ausschlag. Er ist da, und das war sehr beunruhigend für mich. Also kontaktierte ich einige der Leute, die mit mir zusammenarbeiten, und traf Vorkehrungen, um an unserem letzten Montag zum Gefängnis zu fahren. Ich meine, dieser Montag ist gerade vergangen und ich war schockiert, als ich ihn sah.

Ich war schockiert, als ich ihn sah. Ja. Wissen Sie, er war dünn, er hatte viel abgenommen, und als er von dem Ausschlag erzählte, musste ich daran denken, wie wir gegen diese Regierung gekämpft haben, wissen Sie. Und alles, um sie davon abzuhalten, Mumia durch medizinische Vernachlässigung zu ermorden. Als ich da saß und Mumia beobachtete, dachte ich daran, dass man, wenn man Mumia in seinem Podcast mit Marc Lamont Hill hört, keine Ahnung hat, dass man das Gesicht, das Gesicht von Mumia, den Körper von Mumia nicht mit dem in Verbindung bringen kann, was man im Radio hört, weil man denkt, dass es ihm gut geht.

Diese Regierung tötet Mumia langsam, absichtlich, durch medizinische Vernachlässigung. Ich spreche von seiner Diät, über die Noel noch mehr sagen wird. Und von der Tatsache, dass er keinen richtigen Hof bekommt, er hat ein schlechtes Herz, und sie geben ihm nicht die richtige Ernährung, die richtigen Dinge, die er zum Überleben braucht.

Und vor allem möchte ich, dass die Menschen verstehen, dass so etwas niemandem passieren sollte, aber Mumia ist zu 100% unschuldig. Und Sie werden im Laufe der Jahre all die illegalen Dinge sehen, die sie getan haben, um ihn im Gefängnis zu halten und so weiter. Aber zu diesem Zeitpunkt weiß ich, was ich sehe, und Wadias Sohn Issa wusste, was er sah.

Wissen Sie, sie foltern, wenn es einen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche juckt. Und während wir hier sprechen, wird William gerade gefoltert. Es gibt keinen Teil seines Körpers, der nicht juckt und an dem er sich nicht gräbt und kratzt, wissen Sie, ähm. Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Hilfe, um ihm eine Diät zu besorgen, wissen Sie, die, wissen Sie, während wir arbeiten und wir müssen die Arbeit aufnehmen, wir müssen wirklich die Arbeit aufnehmen, weil, wenn Sie die Beweise für die Unschuld haben, müssen wir den Druck auf diese Regierung ausüben, diesen erwiesenermaßen unschuldigen Mann freizulassen.

Richter Griffin. Sie wissen schon, aus Arkansas, sagte, dass diese Leute einen Blutrausch haben, und das ist es, was sie haben, einen Blutrausch. Sie haben Rachegelüste, wissen Sie. Mumia ist, wissen Sie, ein Black Panther, und, wissen Sie, er hat die MOVE-Organisation unterstützt, wissen Sie, seit Jahren. Mumia ist eine Ikone in der Weltgemeinschaft für die Arbeit, die er für die Menschheit, für die Menschlichkeit getan hat.

Und diese Leute wollen ihn umbringen. Und das tun sie auch. Sie tun es langsam. Wisst ihr, Mumia hatte eine Operation, bei der, der beschriebene Wärter, der, wisst ihr, mit Mumia zu dieser Operation an seinem Herzen ging, wisst ihr. Er sieht Mumias Herz auf dem Tisch schlagen. Mumia, wissen Sie, auf einer Trage oder, wissen Sie, auf dem medizinischen Tisch und so, wissen Sie. Ihm wurde fast schlecht, als er in dem Raum war, um das zu sehen.

Es gibt Bilder von Mumia aus dem Jahr 2023, die auf der Welt-Website und anderen Websites zu sehen sein werden, um den Menschen den Verfall von Mumias Gesundheit zu zeigen, also bitten wir die Menschen, sich zu erheben, aufzustehen und das Richtige zu tun und zu ihrem Kongressabgeordneten zu gehen, das Gefängnis anzurufen und alles zu tun, was notwendig ist.

Dies ist nur der Anfang dieses besonderen Kampfes. Wir werden mehr Details darüber haben, was jeder tun kann. Ich werde Noel jetzt reden lassen und die Zeit mit ihm teilen, aber bitte, bitte, ich sage Ihnen, was ich sehe, und er, er sollte nie den Punkt erreichen, den er letztes Jahr erreicht hat. Ich meine, vor ein paar Jahren, weißt du, sein Körper kann nicht mehr viel aushalten und ich muss das sagen, bevor ich Noel anschnauze.

An dem Tag, an dem Mumia aus dem Todestrakt entlassen wurde, und an dem Tag, an dem Mumia von Richter Parker eine Berufung bewilligt wurde, sagte er sehr deutlich über die Arbeit, die sie tun würden, sobald er in die allgemeine Bevölkerung überführt würde, wisst ihr, er sagte, er würde seine gerechte Strafe bekommen, und wisst ihr, dass er in der Hölle schmoren würde.

Wissen Sie, wir reden immer noch über einen unschuldigen Menschen. Das war der Zeitpunkt, als Mumia anfing, krank zu werden. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits seit über 30 Jahren im Gefängnis. Und ja, er hatte Erkältungen und solche Dinge. Aber als er in den normalen Vollzug kam, als er herausfand, dass er in den normalen Vollzug kommen würde, da begann seine Krankheit, wissen Sie.

Und dann, als er, als Richter Tucker ihm das Recht auf Berufung gab, da hat er, und wir werden später mehr ins Detail gehen, wissen Sie, aber sie sind entschlossen, Mumia zu töten. Wir müssen das stoppen, was vor sich geht. Wir konnten nichts gegen Malcolm unternehmen, weil wir den Plan nicht kannten. Wir kannten den Plan nicht.

Wir konnten nichts gegen Shea Combear unternehmen, weil es dasselbe ist. Was Martin Luther King betrifft, so wissen wir, was wir wissen, und wir sind Zeugen dessen, was hier geschieht. Es ist an der Zeit, dass wir uns erheben und ihnen sagen: "Zur Hölle, nein!".

Noelle Hanrahan: Okay, hier ist Noelle Hanrahan. Heute ist der 9. Februar. Wir möchten, dass Sie auf dem Laufenden bleiben, um Updates und Aktionswarnungen zu erhalten. Noelle Hanrahan, Prison Radio, im Gespräch mit Pam Africa von der International Concerned Family and Friends of Mumia Abu Jamal. Schauen Sie auf Instagram, schauen Sie auf Facebook, recherchieren Sie und engagieren Sie sich.

Quelle: Prisonradio
Übersetzung: Thomas Trueten


Der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal ist 69 Jahre alt. Mehr als 42 Jahre seines Lebens hat er inzwischen im Gefängnis verbracht, über 30 Jahre davon in der Todeszelle.

Am 09. Dezember 1981 wurde Mumia Abu Jamal in Philadelphia, USA verhaftet, nachdem bei einem Schusswechsel ein Polizist getötet und er selbst schwer verletzt wurde. Er wurde verurteilt für einen Polizistenmord, der ihm untergeschoben wurde, wie ein bereits vor Jahren bekannt gewordenes Geständnis des mutmaßlichen Täters deutlich machte. Der afroamerikanische Aktivist kämpft seit seiner frühesten Jugend - damals als Pressesprecher der Black Panther Party - und bis heute als freier Journalist - gegen Rassismus, Polizeigewalt, Klassenherrschaft und Krieg. Dabei ist Mumia „nur“ einer von zahlreichen Gefangenen, die vom rassistischem Apparat der USA in die Knäste gesteckt wurden. Unter anderem zahlreiche AktivistInnen der Black Panther Party oder des American Indian Movement sitzen bereits mehrere Jahrzehnte hinter Gittern ohne dass ihnen jemals etwas nachgewiesen werden konnte.

Seine staatliche Hinrichtung konnte zwar 2011 endgültig verhindert werden, Mumia Abu-Jamal schwebt dennoch in Gefahr. So erkrankte er schwer an Covid 19 und überstand eine Herzoperation.

Mumia Abu-Jamal betonte seinerseits stets, dass es ihm nicht um sich, sondern um die zahlreichen anderen InsassInnen in den Todestrakten und Knästen geht. Eine breite und weltweit aktive Solidariätsbewegung fordert seit seiner Festnahme seine Freiheit:
"Die Forderung nach Freiheit für Mumia Abu-Jamal beinhaltet auch die Analyse der Gründe für seine Verurteilung, die alle in der US Gesellschaftsordnung begründet liegen:

  • institutioneller Rassismus in Verfassung, Justiz und Polizei

  • Klassenjustiz durch „Nichtverteidigung“ (oft auch Pflichtverteidigung genannt) armer Angeklagter, hauptsächlich People Of Color

  • Kriminalisierung von People Of Color (stop and search policies)

  • Anpassung der US Verfassung durch „Plea Bargains“ und „Three Strikes“ Regeln

  • Fortführung der Sklaverei unter anderem Namen (der Gefängnisindustrielle Komplex inhaftiert überwiegend People Of Color und das ist systematisch)

  • die Todesstrafe

  • politische Repression und (ehemals geheimdienstliche - COINTELPRO - inzwischen aber offizielle) Aufstandsbekämpfung"


Mehr Information:

www.freiheit-fuer-mumia.de
Free Mumia Berlin
Um in den USA die Bewegung zu seiner Freilassung bei den politischen und juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen, werden dringend Spenden gebraucht:

Rote Hilfe e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN:
DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: "Mumia"

Darüber hinaus freut Mumia sich über Briefe:

Smart Communications / PADOC
Mumia Abu-Jamal, #AM 8335
SCI Mahanoy
P. O. Box 33028
St Petersburg, FL 33733
USA

Olga Taruta

Das einzige bekannte Foto von Olga Taratuta
Das einzige bekannte Foto von Olga Taratuta
Olga Iljitschnina Taratuta (Ukr: Ольга Іллівна Таратута; 21. Januar 1876 [oder möglicherweise 1874 oder 1878] - 8. Februar 1938) war eine ukrainische Anarchokommunistin. Sie war die Gründerin des Ukrainischen Anarchistischen Schwarzen Kreuzes.

Wer kennt das Schicksal von Olga Taruta in der russischen Geschichte? Am 8. Februar 1938 wurde Olga Taratuta von einem Sondergericht wegen anarchistischer und antisowjetischer Aktivitäten zum Tode verurteilt. Sie wurde noch am selben Tag von der Tscheka hingerichtet. Sie war einige Monate zuvor, am 27. November 1937, in Moskau festgenommen worden. Die stalinistische Justiz geht im Schnellverfahren vor. Wie die Prawda zur gleichen Zeit klar ankündigte: "Die Säuberung der katalanischen Trotzkisten und Anarchisten wird mit der gleichen Energie durchgeführt, mit der sie in der UdSSR durchgeführt wurde". In Wirklichkeit sind die Ziele in der UdSSR bereits erreicht: Es sind die letzten Prozesse gegen militante Anarchisten. Die Zerstörung der Bewegung ist abgeschlossen; die schwarze "Gefahr" ist beseitigt. In Spanien wird die kommunistische politische Polizei aktiv... Die spanischen Republikaner, die den Fehler begehen, im "Vaterland des Proletariats" Zuflucht zu suchen, treffen 1939 in Gefangenenlagern auf die letzten russischen Anarchisten, die nicht erschossen wurden.

Warum wurde Olga Taratuta ausgewählt, eine verkannte Figur des sowjetischen Widerstands, wenn Tausende von Libertären das gleiche Schicksal erlitten wie sie? Die Gründe für eine Auswahl sind schwer zu erklären. Wahrscheinlich wegen der Tragik ihres Schicksals und der Stärke ihres Engagements; wahrscheinlich auch, weil sie eine der Gründerinnen des "Schwarzen Kreuzes der Anarchisten" war, einer Hilfsorganisation für politische Gefangene. Ich werde Ihnen demnächst von anderen tragischen Schicksalen berichten, wie dem von Zenzi Mühsam, der Frau des deutschen Anarchisten Erich Mühsam. Der eine starb in Orianenburg, einem Konzentrationslager der Nazis; die andere verbrachte einen Großteil ihres Lebens im Gulag, nachdem sie in der UdSSR Zuflucht gesucht hatte. Sie starb dort zwar nicht, aber ihr Schicksal war nicht gerade beneidenswert. Viele Anarchisten, z. B. in Bulgarien, waren in faschistischen, stalinistischen und, um das Maß voll zu machen, royalistischen oder republikanischen Kerkern. Kehren wir vorerst zur Biografie von Olga Taratuta zurück.

Olga Taratuta, eigentlich Elka Ruvinskaja, wurde am 21. Juli 1876 im Dorf Novodmitrovka, nicht weit von Cherson, in der Ukraine geboren (es gibt Zweifel an der Jahreszahl, die von Quelle zu Quelle variiert). Ihre Familie war jüdischer Abstammung und ihr Vater betrieb einen kleinen Laden. Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie Lehrerin. Ihre Schwierigkeiten mit den zaristischen Behörden begannen schon früh. Sie wurde 1895 zum ersten Mal verhaftet; die Geheimpolizei des Kaisers schätzte ihre politischen Ansichten, die sie im Rahmen ihrer Arbeit äußerte, nicht. Zwei Jahre später schloss sie sich einer sozialdemokratischen Agitationsgruppe in Elisawetgrad an, die von den Brüdern Grossman gegründet worden war. Um die Jahrhundertwende wurde sie Mitglied des Vorstands der Sozialdemokratischen Partei in Jelisawetgrad und trat dem Südrussischen Arbeiterverband bei. 1901 muss sie ins Ausland fliehen und findet Zuflucht in der Schweiz. Sie lernte Lenin kennen und arbeitete regelmäßig an der Zeitung Iskra mit. Das helvetische Klima beeinflusst ihre Ideen (wie die ihres Landsmannes Kropotkin) und sie wird Anarchistin-Kommunistin. Das allzu ruhige Leben in der Emigration passte jedoch kaum zu ihrem dynamischen Charakter. 1904 kehrte sie nach Russland, Odessa, zurück und schloss sich einer Gruppe von Aktivisten mit dem Namen "Kompromisslos" an. Im April 1904 wurde sie erneut von der Polizei wegen revolutionärer Propaganda verhaftet, aber im Herbst wieder freigelassen, da es in ihrer Akte keine wirklich überzeugenden Beweise für eine Anklage gab. Sofort nahm sie ihre militante Tätigkeit in der anarchistisch-kommunistischen Gruppe in Odessa wieder auf. Sie wurde zu einer der Berühmtheiten der Bewegung in Russland. Sie ist unter dem Pseudonym "Babuschka" (Großmutter) bekannt, was ziemlich lustig ist, wenn man bedenkt, dass sie erst 30 Jahre alt ist. Dieser liebevolle Spitzname wird ihr ihr ganzes Leben lang erhalten bleiben und passt ein wenig besser in die Zeit, in der sie zu den letzten überlebenden Anarchisten im Land gehören wird!

Gruppe Chernoe Znamia

Ab Oktober 1905, nach einer erneuten Verhaftung, gefolgt von einer kurzen Haftstrafe und einer spektakulären Flucht, radikalisierte sich ihre Aktion. Sie wurde als Mitglied einer 1903 in Byalistok gegründeten anarchistischen Gruppe namens Chernoe Znamia gemeldet, die dafür bekannt war, zahlreiche terroristische Aktionen zu verüben. Ziel der angewandten Strategie war es, die zaristische Macht durch Angriffe auf die verschiedenen Institutionen, die sie repräsentierten, zu destabilisieren. Die Gewalt der russischen Anarchisten mag überraschen, ist aber leicht zu erklären, wenn man bedenkt, welcher Gewalt sie selbst von Seiten der Behörden ausgesetzt waren: Folter, Schnellgerichte, Deportation und Erhängen waren das gemeinsame Los vieler revolutionärer Aktivisten in dieser Periode der Geschichte. Von allen Anschlägen, die von der Gruppe Chernoe Znamia verübt wurden, ist der berühmteste der Anschlag auf das Café Libman im Dezember 1905 in Odessa - ein Anschlag, an dessen Vorbereitung Olga aktiv beteiligt war. Die anarchistische Bewegung erlebte zu dieser Zeit eine ihrer spektakulärsten Entwicklungsphasen in Russland. Der Historiker Paul Avrich schätzt, dass es in den großen Städten über 5000 aktive Aktivisten und eine große Anzahl von Sympathisanten gab. Die Gruppen der Aktivisten betrieben intensive Propaganda an den Arbeitsplätzen und Olga Taratuta zahlte viel Geld. Um einer erneuten Verhaftung zu entgehen, flüchtete sie im März 1907 erneut in die Schweiz, aber das Exil und das Verlassen des sozialen Kampfplatzes waren definitiv nicht mit ihrem Temperament vereinbar. Sie kehrte nach Odessa zurück, nachdem sie in Jekaterinoslaw und Kiew Station gemacht hatte. Sie war erneut in mehrere Attentate auf Generäle des Kaiserreichs verwickelt, zunächst auf Kaulbars, den Militärkommandanten der Region Odessa, und dann auf Tomalchov, den Gouverneur der Stadt. Ende Februar 1908 scheute sie keine Schwierigkeiten und plante einen Massenausbruch von Anarchisten, die in der Lukjanowka, der Festung in Kiew, inhaftiert waren. Der Versuch scheiterte, da die Gruppe von Spitzeln infiltriert wurde. Die meisten Aktivisten werden verhaftet; wieder einmal gelingt es Olga, durch die Maschen des Netzes zu schlüpfen, aber ihr Glück wird sich ändern. Ende 1909 wurde sie in Jekaterinoslaw festgenommen. Diesmal war ihre Akte schwer belastet und sie entging nur knapp der Todesstrafe, die häufig gegen Revolutionäre verhängt wurde. Sie wird zu 21 Jahren Haft verurteilt. Sie blieb bis März 1917 in der Lukianowka, dem Gefängnis, dessen Mauern sie sprengen wollte, um die Insassen zu befreien. Die zaristische Repression setzte der Ausbreitung der libertären Bewegung ein vorübergehendes Ende.

Golos Truda
Die sieben Jahre im Gefängnis haben die Frau, die auf die 40 zugeht, schwer geprägt. Nach ihrer Freilassung zog sie sich aufgrund der bekannten revolutionären Ereignisse aus dem aktiven politischen Leben zurück und distanzierte sich von der russischen anarchistischen Bewegung. Der Grund für ihren vorzeitigen Rückzug war größtenteils Müdigkeit und Entmutigung, aber auch das Bedürfnis, ihren Lebensgefährten Sascha und ihr gemeinsames Kind wiederzusehen. Sie hielt sich nur kurze Zeit aus dem politischen Leben zurück. Im Mai 1918 engagierte sie sich für das Rote Kreuz in Odessa, das politischen Gefangenen unabhängig von ihrer politischen Herkunft half. Dieser Besuch in den Gefängnissen löste in ihr einen Sturm der Entrüstung aus, als sie sah, wie Anarchisten von den neuen politischen Machthabern behandelt wurden. Sehr schnell verspürt sie das Bedürfnis, ihre alten, kurzzeitig unterbrochenen militanten Aktivitäten wieder aufzunehmen. Eine neue Phase in ihrem Leben beginnt, die sie mit den neuen Herrschern des Landes, den Bolschewisten, konfrontieren wird. Sie verlässt die Ukraine und geht nach Moskau. Im Juni 1920 arbeitet sie an der Zeitung "Golos Truda" mit - eine anarchistische Äußerung, die kurzzeitig toleriert wurde! Außerdem trat sie dem Gewerkschaftsbund Nabat bei. Im Frühjahr 1918 wurden Aktivisten inhaftiert, gefoltert und hingerichtet, während der Kreml den Arbeiterdelegationen, die nach Moskau reisten, erklärte, dass in der besten aller Welten alles in bester Ordnung sei und Anarchisten völlig frei ihre Meinung äußern könnten...

Makhno
Im Herbst hatte die Sowjetregierung in der Ukraine ernsthafte Schwierigkeiten, sich der von den "weißen" Russen unter General Wrangel geführten Konterrevolution entgegenzustellen. Es wurde ein Pakt zwischen der Regierung in Moskau und den anarchistischen Rebellentruppen unter der Führung von Nestor Mahkno unterzeichnet. Um zu diesem Abkommen zu gelangen, wurden zahlreiche Verhandlungen und enge Gespräche geführt. Die Mahknower forderten unter anderem die Freilassung der Gefangenen, die in die Zwangsarbeitslager in Sibirien geschickt worden waren und deren Zahl sie bereits auf 200.000 schätzten. Darunter sind viele ukrainische Bauern, aber auch eine große Anzahl deportierter anarchistischer Aktivisten. Olga Taratuta nutzte den kurzen Frühling in den Beziehungen zwischen Bolschewisten und Mahknowisten, um in die Ukraine zurückzukehren. In Guliay Polye traf sie den Anführer der Bewegung, Mahkno. Der Generalstab dieser einzigartigen "schwarz-roten" Armee übergibt ihr eine hohe Summe, mit der sie die Gründung eines anarchistischen "Schwarzen Kreuzes" mit Sitz in Charkow finanzieren wird. Ziel dieser Organisation ist es, den politischen Gefangenen der Bewegung zu helfen, die immer zahlreicher in den bolschewistischen Kerkern sitzen. Im November 1920 wurde Olga Taratuta offiziell zur Vertreterin der Mahknowisten in Charkow und Moskau ernannt. Eine schwere Verantwortung, denn diese standen in den Gängen der Macht nicht im Geruch der Heiligkeit! Jeder weiß, dass das zwischen den feindlichen Brüdern geschlossene Bündnis nur von geringem Wert und von kurzer Dauer ist: Nur wenige sind naiv genug, um an die guten Worte der Bolschewisten zu glauben, zumal selbst während der Zeit des angeblichen Bündnisses die Verhaftungen weitergehen, insbesondere unter den Anarchisten, die in den Gewerkschaften und Sowjets aktiv sind.

Kropotkin
In ihrem Buch "Das Epos einer Anarchistin" würdigt Emma Goldman Olga sehr schön: "Die Charkower Genossen mit der heroischen Persönlichkeit Olga Taratutas an der Spitze dienten alle der Revolution aufs Beste, kämpften an allen Fronten, ertrugen die Unterdrückung durch die Weißen ebenso wie die Verfolgung und Inhaftierung durch die Bolschewiki. Nichts hat ihren revolutionären Eifer und ihre anarchistischen Überzeugungen entmutigt."

Der Verrat der Kommunisten lässt tatsächlich nicht lange auf sich warten. Eine beispiellose Repressionswelle bricht über die Mahknowisten herein. Das Schwarze Kreuz wird aufgelöst; Olga Taratuta wird verhaftet. Im Januar 1921 wurde sie nach Moskau überstellt. Sie gehörte zu den Aktivisten, die für einige Stunden freigelassen wurden, um an der Beerdigung von Peter Kropotkin teilzunehmen, bevor sie wieder in ihre Zellen zurückkehrten. Am 26. April 1921 wurde sie zusammen mit anderen Kameraden in das Orel-Gefängnis gebracht und während des Transports von ihren Bewachern verprügelt. Der Staatsanwalt des Gerichts, das ihren Fall bearbeitet, lässt sie wissen, dass sie freigelassen werden kann, wenn sie sich bereit erklärt, ihre politischen Verpflichtungen in der Öffentlichkeit zu verleugnen. Wir ahnen natürlich, welche Antwort sie ihren Peinigern schickt. Ihre moralische Stärke und ihre Integrität sprechen dagegen, dass sie eine solche Vereinbarung unterschreibt. Im Juli 1921 gehörte sie zu einer Gruppe von Häftlingen, die aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen elftägigen Hungerstreik traten. Sie erlitt einen heftigen Skorbut-Angriff und verlor fast ihr gesamtes Gebiss. In einem Brief an Freunde schreibt sie, dass die zwei Jahre, die sie gerade im Gefängnis verbracht hat, sie mehr Leben gekostet haben als all die Jahre, die sie während der Zarenzeit in Zwangsarbeitslagern verbracht hat.

Im März 1922 wurde sie für zwei Jahre nach Velikii Ustiug in der weit entfernten Wolodga-Regierung verbannt. Anfang 1924 wurde sie (vorübergehend!) freigelassen und kehrte nach Kiew zurück. Sie war nicht mehr politisch aktiv, hielt aber Kontakt zu den wenigen anarchistischen Aktivisten, die noch nicht hinter Gittern saßen. Zurück in Moskau fand sie noch die Energie, sich an der Kampagne zur Unterstützung von Sacco und Vanzetti zu beteiligen. Bei dieser Gelegenheit zeigen die Führer der Kommunistischen Partei, zu welchem Zynismus sie fähig sind. Nach Saccos Hinrichtung lud die Regierung seine Frau zu einem Aufenthalt in der UdSSR ein. Gleichzeitig schmoren viele, die die Ansichten der beiden Märtyrer teilen, in den Gefängnissen der UdSSR! Wahrscheinlich als Trost taufte Stalin eine Fabrik, die in einem Vorort von Moskau Kugelschreiber und Bleistifte herstellte, auf den Namen "Sacco & Vanzetti", damit die kleinen sowjetischen Schulkinder diese großen Helden der Arbeiterklasse nicht vergessen sollten. Parallel zu dieser Kampagne bemüht sich Olga Taratuta um die Organisation eines internationalen Protests für die Freilassung ihrer in der UdSSR inhaftierten Genossen. Man kann sich vorstellen, dass diese Haltung den Behörden nicht gefällt. Sie wurde 1929 erneut inhaftiert, diesmal beschuldigte die Tscheka sie, anarchistische Zellen unter den Eisenbahnern organisieren zu wollen.

Gulag
Bis 1937 ging ihr Leben so weiter, von Verhaftung zu Freilassung. Diesmal scheinen die Machthaber entschlossen zu sein, dieser Verhinderin einer friedlichen Unterdrückung ein Ende zu setzen. Sie lebt in Moskau und arbeitet in einer metallurgischen Fabrik. Wie bereits zu Beginn dieser Kolumne erwähnt, wird sie am 27. November 1937 unter dem Vorwurf anarchistischer und antisowjetischer Umtriebe verhaftet, vor Gericht gestellt und am 8. Februar 1938 erschossen. So endete das Leben der Babuschka der russischen Anarchisten auf tragische Weise. Im Gegensatz zu anderen hinterließ sie nur wenige "Spuren" in der Geschichte, da sie in erster Linie eine Aktivistin war: keine "Memoiren" oder "philosophischen Abhandlungen". Sie schrieb jedoch viel und übte im Laufe ihres abenteuerlichen Lebens mehrmals den Beruf des Journalisten aus. Wäre ihre Korrespondenz erhalten geblieben, hätte man wahrscheinlich eine Fülle interessanter Details über das Sowjetregime und die Lebensbedingungen der Landbevölkerung in ihrer Heimatregion, der Ukraine, erfahren können. Dies ist nicht der Fall, aber das Fehlen von Aufzeichnungen ist kein Grund, sie zu vergessen. Sie gehört zu jener Kohorte fast anonymer Menschen, die mutig für ihre Ideen gekämpft haben. Die Anzahl der Gegner, mit denen sie es zu tun hatten, sowohl von links als auch von rechts, ist beeindruckend. Wie ich bereits in dieser Kolumne erwähnt habe, werde ich in Kürze über eine weitere deutsche Aktivistin berichten, Zenzi Mühsam, die in den Konzentrationslagern der Nazis landete und danach lange Zeit im Gulag verbrachte.

Quellen: Im Internet das Lexikon der anarchistischen Aktivisten, der Blog libcom.org - Viele dieser Seiten beziehen sich tatsächlich auf das Buch des Historikers Paul Avrich, "Russische Anarchisten" - Ich habe auch die Broschüre "Repression des Anarchismus in Russland" konsultiert, die 1923 von Volin ins Französische übersetzt wurde.

Fotos: Das Bild am Anfang dieser Kolumne ist das einzige bekannte Porträt von Olga Taratuta. Sie ist wahrscheinlich auch auf anderen Gruppenfotos zu sehen, aber ihre Gesichtszüge sind schwer zu identifizieren.

Hinweis: Es war schwierig, die biografischen Daten für diese Chronik zusammenzustellen. Falls Ihnen ein Fehler auffällt, teilen Sie mir diesen bitte mit!

Quelle: Olga Taratuta ; destin d’une militante anarchiste russe (Histoire russe) par Paul Chion
Übersetzung: Thomas Trueten

Siehe auch: 85. Todestag von Olga Taratuta - Ольга Іллівна Таратута


Immer rechts. Warum wir keinen VS brauchen: Ronen Steinkes Buch zum BRD-Geheimdienst

Das Bild zeigt das Buchcover mit dem Text:<br />
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Ronen Steinke<br />
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Spiegel Bestseller<br />
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enthält den Fall Hans-Georg Maaßen<br />
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Verfassungsschutz. Wie der Geheimdienst Politik machtDer Jurist und Autor Ronen Steinke arbeitet als Journalist für die Süddeutsche Zeitung und recherchiert schon lange im Bereich der deutschen »Sicherheitspolitik«. Das vorliegende Buch ist eine Mischung aus aktuellen Reportagen und der Untersuchung der Geschichte, der Funktionsweise und der Bedeutung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von 1949 bis heute. »Das Personal (…) hat sich innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre knapp verdoppelt. (…) Zugleich hat sich das Budget (…) innerhalb desselben Zeitraumes sogar verdreifacht.« Die Macht des Geheimdienstes sind die knapp 4.000 Hauptamtlichen, zu denen noch circa 3.700 Agent:innen in den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz kommen.

Der VVN bestens bekannt
Die VVN kennt den VS schon aus vielen Auseinandersetzungen: »Heute beobachtet der Verfassungsschutz im Bund, in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern die Vereinigung noch immer. Seit 2005 informiert das Bundesamt allerdings schon nicht mehr in seinen jährlichen Verfassungsschutzberichten darüber. Das sei bei weniger wichtigen Gruppen nicht nötig.«

1959 hatte die Bundesregierung ein VVN-Verbotsverfahren wegen »Verfassungswidrigkeit« angestoßen, das 1962 ohne Erklärung nicht mehr weitergeführt wurde. Der Grund: Das Gericht und die Anklage wurden von den furchtbaren Juristen Dr. Fritz Werner und Dr. Hermann Reuß geführt, und die internationale Öffentlichkeit reagierte entsetzt auf deren Nazivergangenheit. Seit der Öffnung der VVN für junge Mitglieder zum Bund der Antifaschisten im Jahr 1971 fand ab 1973 eine Erwähnung im VS-Bericht statt. Die Mitgliedschaft in der VVN-BdA wurde damit für viele Jahre zum Grund für ein Berufsverbot. Steinke schildert auch die Enttarnung eines Spitzels in Bayern 2011, der über Jahre genauestens die Aktiven für den VS beobachtet hat. Ab 2019 folgte dann der Versuch des Entzugs der Gemeinnützigkeit, wieder mit der konstruierten Behauptung der Verfassungswidrigkeit der VVN-BdA.

Die Geschichte des VS zeigt, dieser war als Teil des Staatsapparates der BRD immer rechts, sei es unter liberalen oder unter konservativen Regierungen. Bezeichnend ist da die »Karriere« des SA-Mannes Hubert Schrübbers, der schon ab 1939 als NS-Staatsanwalt Widerstandskämpfer:innen verfolgte und von 1955 bis 1972 Präsident des BfV war. Bezeichnend auch die Rolle des VS beim sogenannten Radikalenerlass und der Durchsetzung der Berufsverbote ab Beginn der 1970er-Jahre. Nicht zu vergessen die Rolle der »Schlapphüte« hinsichtlich des NSU-Terrors: Die Morde unter den Augen des VS bleiben ungeklärt. Der damals zuständige Leiter des Verfassungsschutzamtes Thüringen, Helmut Roewer, publiziert jetzt in rechten Medien, genau wie Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamtes von 2012 bis 2018.

Die Befugnisse des VS sind im Vergleich zu ähnlichen Institutionen in den USA, in Frankreich und Österreich einzigartig, denn die offene Ausspähung legaler Aktivitäten gibt es dort nicht. Zugleich unterliegt der VS kaum parlamentarischer Kontrolle; dafür ist die Behörde weisungsgebunden an Bundes- und Länderinnenministerien. »Vielleicht ist Björn Höcke nächstes Jahr schon Innenminister in Thüringen und damit Dienstherr des Verfassungsschutzes. Dann schauen wir mal …«, so ein AfD-Abgeordneter im Innenausschuss des Bundestages im Juni 2023.

Die Beobachtung und die Beeinflussung in den sozialen Medien durch systematisch aufgebaute Fake-Accounts, die Onlinedurchsuchungen sind moderne Methoden der Bespitzelung. Noch wichtiger und jahrzehntelang bewährt hat sich die Infiltration durch sogenannte V-Leute: »Es ist ein mächtiges, wirkungsvolles Instrument, das der Geheimdienst da in den Händen hält.«

Steinke fordert offen die Abschaffung des VS: »Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen legale politische Aktivitäten spioniert, dann schädigt das die Demokratie. Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen – mutmaßlich – illegale politische Aktivitäten spioniert, dann (…) unterläuft [dies] das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.«

Abschaffung eher unwahrscheinlich
Allerdings ist die Bedeutung des täglich erfassten Herrschaftswissens in Verbindung mit dem kontinuierlichen Wachstum enorm und macht es unwahrscheinlich, dass der Verfassungsschutz wirklich abgeschafft wird. Unter Thomas Haldenwang ist der VS mächtiger als je zuvor.

Der liberale Jurist und Journalist Ronen Steinke hat ein wichtiges Sachbuch geschrieben. Alles, was wir über den Verfassungsschutz wissen müssen, finden wir darin. Er zeichnet ein realistisches Gesamtbild dieses Geheimdienstes und ermöglicht zugleich die Rehabilitierung der früheren Opfer der Überwachung als auch der heutigen. Dazu zählen neben der VVN viele andere Organisationen, Personen und Medien. Und die faschistische AfD? Für die VVN ist klar, dass die Partei mit politischen Mitteln bekämpft werden muss. Dieser »Politik-Beobachtungs-Geheimdienst« kann das nicht!

Ronen Steinke
Verfassungsschutz
Wie der Geheimdienst Politik macht
Berlin Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783827014719
Gebunden, 224 Seiten, 24,00 EUR


Erstveröffentlichung am 20. September 2023

Freiheit für Leonard Peltier - Aktivist des American Indian Movement!

Das SharePic mit verschiedenen Fotos von Leonard Peltier von der Festnahme bis heute stellt die Frage: Clemency - 2024 - year of decision? (Begnadigung - 2024 - Jahr der Entscheidung?) und die Forderung: No matter how  - but now!2024 jährte sich zum 51. mal die Besetzung des Ortes Wounded Knee in Süd Dakota / USA. Hier fand 1890 ein Massenmord an 300 Kindern, Frauen und Männern vom indigenen Stamm der Lakota durch die US Armeee statt.

Im Januar 1973 besetzten Aktivisten*innen des American Indian Movement (AIM) diesen Ort, um gegen die mörderische Politik der US Regierung zu demonstrieren. Sie machten damit auf Landraub und die kulturelle sowie physische Zerstörung der amerikanischen Ureinwohnerinnen aufmerksam. Damals war in der Pine Ridge Reservation, in der Nähe von Wounded Knee eine mörderische Paramiliz aktiv, welche die Bevölkerung und insbesondere AIM Sympathisant*innen angriffen und z.T. ermordeten.

Die gegen derartige Praktiken gerichtete Protestaktion in Wounded Knee erhielt weiltweite Aufmerksamkeit, auch in der dt. Presse. Die Zustände auf der Pine Ridge Reservation änderten sich dadurch jedoch leider nicht.

Der AIM Aktivist Leonard Peltier befand sich 1975 dort, um die Bevölkerung gegen den Terror zu unterstützen und wurde unter konstruierten Vorwürfen für einen angeblichen Mord am 6. Februar 1976 verhaftet und kurz darauf ohne stichhaltige Beweise verurteilt. Er wird seit inzwischen 48 Jahren als politischer Gefangener in verschiedenen US-amerikanischen Hochsicherheitsgefängnissen festgehalten.

Seine Verhaftung und die Repression gegen A.I.M. waren Teil des sogenannten COINTELPRO Programmes von der US-Bundespolizei FBI, die die Zersetzung und Zerschlagung der damals starken Protestbewegungen, u.a. auch der Black Panther Party mit geheimdienstlichen und damals noch illegalen Mitteln betrieb.

Leonard Peltiers Verurteilung zu zwei Mal lebenslänglicher Haft war nur in Folge der Bedrohung mehrerer Zeug*innen, welche ihre Aussagen später widerriefen, massiver Beeinflussung der Geschworenen und erfundener, heute als falsch nachgewiesener Beweise möglich.

Verschiedenste Bücher, Filme und Songs griffen seinen Fall in den folgenden Jahrzehnten weltweit auf und trotz einer starken und breiten Protestbewegung hat der Präsident der USA ihn noch immer nicht freigelassen.

Im Herbst 2022 fand ein 1100 Meilen langer Protestmarsch durch die USA bis nach Washington D.C. für seine Freilassung statt, an welchem sich ca. 2000 Menschen beteiligten. Und auch im Rahmen der weltweiten Proteste im Jahr 2016 gegen die Black Snake Pipline in Standing Rock – North Dakota, welche für die Profitinteressen eines Ölkonzerns indigenes Territorium unwiederbringlich zerstört, wurde sein Fall immer wieder thematisiert.

Mittlerweile ist Peltier im Regierungsgefängnis von Coleman in Florida inhaftiert. Sein Gesundheitszustand ist in Folge mehrerer chronischer Erkrankungen, einer Coronainfektion sowie seines fortgeschrittenen Alters sehr schlecht. Eine lebensbedrohliche Aortaaussackung könnte durch eine Operation behoben werden, was ihm jedoch seit Jahren verweigert wird.

Kundgebung – Di. 6. Februar 2024 – 18:00 Uhr
US Botschaft
Pariser Platz 2 – U+S-Brandenburger Tor – Berlin

Wir fordern Leonard Peltiers Freilassung sowie das Selbstbestimmungsrecht und die umfassende Entschädigung der amerikanischen Ureinwohner*innen!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Free Them All!


Quelle: Free them all Berlin

Aus Liebe zur Freundin ins Nazi-Deutschland zurückgekehrt, deportiert und ermordet: Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur am Stolperstein für Käthe Loewenthal

Foto von Käthe Loewenthal und ihr Stolperstein
Stolperstein für Käthe Loewenthal © Stolpersteininitiative Stuttgart Ost
Am 27. Januar jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 1945 zum 79. mal.1996 wurde der 27. Januar bundesweit als Gedenktag für die Opfer der NS-Diktatur festgelegt.
Am 27.1.2024 um 11 Uhr laden das Projekt „Der-Liebe-wegen“, der Weissenburg e. V. - Zentrum LSBTTIQ Stuttgart und die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber in die Ameisenbergstraße 32 im Stuttgarter Osten zum Gedenken am Stolperstein für Käthe Loewenthal ein.
Die Abteilung für Chancengleichheit und die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur der Stadt Stuttgart unterstützen die Aktion. Die Kurzbeiträge von Brigitte Lösch, Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Barbara Straub, Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit, Künstlerin Philine Pastenaci sowie Professor Dr. Wolf Ritscher als Angehöriger von Käthe Loewenthal werden vom Stuttgarter Chor Musica Lesbiana musikalisch begleitet.

„Wir wollen das Leben der Malerin Käthe Loewenthal bei diesem Gedenken in den Mittelpunkt stellen, die trotz Warnungen im Hinblick auf ihre jüdische Herkunft aus der Schweiz nach Stuttgart ins Nazi-Deutschland zurückkehrte, um ihrer schwerkranken Freundin bis zu deren Tod 1938 beizustehen“, so Ralf Bogen vom Projekt „Der-Liebe-wegen“, auf dessen Internetseite Käthe Loewenthals Lebensgeschichte mit weiteren Biografien von gleichgeschlechtlich liebenden NS-Opfern aus dem heutigen Baden-Württemberg zu finden sind. „Loewenthal wurde 1942 in das besetzte Polen deportiert und im Durchgangslager Izbica bei Lublin ermordet. Als einzige der vier 1933 noch lebenden Schwestern hat die jüngste Schwester Susanne Ritscher den Holocaust überlebt“, ergänzt Sven Tröndle vom Vorstand des Weissenburg LSBTTIQ-Zentrum Stuttgart.

„In den heutigen Zeiten, wo jüdische, muslimische und queere Menschen zunehmend mit Hass und Hetze konfrontiert werden, ist ein solches Sichtbarmachen des NS-Unrechts wichtiger denn je“ unterstreicht Brigitte Lösch. Barbara Straub bekräftigt: „Wir wollen am 27. Januar ein würdiges Zeichen gegen Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und für die nachhaltige Akzeptanz menschlicher Liebes- und Lebensvielfalt setzen.“



Hinweis: Hybridveranstaltung über das Forschungsprojekt zur Auffindbarkeit von frauenliebenden Frauen in baden-württembergischen Psychiatrien in der Zeit des Nationalsozialismus: “Diagnose: Psychopathin mit perverser Neigung”

Der Weissenburg e. V. – Zentrum LSBTTIQ Stuttgart lädt am 21. Januar 2024, 17 Uhr, online sowie im Café der Weissenburg, Weißenburgstraße 28A, Stuttgart ein: Claudia Weinschenk forschte fünf Jahre in Akten baden-württembergischer Psychiatrien aus der Zeit des Nationalsozialismus nach Spuren frauenliebender Frauen. Das Projekt soll vorgestellt, von Schwierigkeiten und Erfolgserlebnissen erzählt, auftauchende Fragen angeschnitten und mit zwei bis drei aus den Akten herausgefilterten Biografien konkretisiert werden (weitere Infos siehe: www.der-liebe-wegen.org und www.zentrum-weissenburg.de).


Der Widerstand gegen die AFD nimmt zu

Ein Demonstrant hält ein selbstgemaltes Plakat mit der Forderung "Afd stoppen" in die Höhe
Foto: © Bernd Sauer-Diete via Umbruch Bildarchiv
Rund tausend Menschen forderten am 12. Januar 2024 auf einer spontanen Kundgebung und Demonstration vor dem Bundeskanzleramt ein Verbotsverfahren für die AfD. Am 15. Januar waren es schon 25.000 Menschen, die am Brandenburger Tor demonstrierten.

Anlass war die kürzlich veröffentlichte Recherche des Investigationsnetzwerkes CORRECTIV über ein geheimes Treffen von AfD-Mitgliedern, CDU-Werteunion-Mitgliedern und rechten Unternehmern mit den Neonazis Martin Söllner, Mario Müller und einem „Identitären“ im November 2023. Auf dem Treffen wurde eine Massendeportation von Millionen Menschen aus Deutschland nach Afrika diskutiert.
Die Empörung über diese rassistischen Pläne ist gewaltig. Nach der Veröffentlichung gibt es in den folgenden Tagen überall Demonstrationen. Am 15. Januar 25.000  in Berlin, in Leipzig 10.000, in Köln 30.000, jeden Tag in einer neuen Stadt Zehntausende auf der Straße gegen die AFD.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

Am kommenden Wochenende, 20. und 21. Januar 2024, sind bundesweit viele weitere Demos geplant. Hier eine Übersicht über die geplanten Verstaltungen von #ZusammenGegenRechts

Links:

CDU fordert Verfassungsänderung, um Totalsanktionen möglich zu machen

Logo des Vereins Tacheles e.V. - ein SchriftzugIn den öffentlichen Debatten wird immer klarer, dass 100%-Sanktionen im Sozialrecht verfassungsrechtlich nicht zulässig sind. Dies wurde auch von Tacheles in seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltssicherungsgesetz herausgearbeitet. Nun fordert heute der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, eine Verfassungsänderung zur rechtssicheren Verschärfung von Sanktionen im Bürgergeld. Er sagt: "Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern.".

Die Unverfrorenheit und Arroganz der Unionsspitzenvertreter ist ungeheuerlich und demokratiegefährdend!

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung zu Sanktionen auf die Normen des Grundgesetzes gestützt, die überhaupt nicht veränderbar sind, da sie den Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausmachen.

Das Bundesverfassungsgericht vom 05. November 2019 zum Aktenzeichen 1 BvL 7/16:

Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 [Menschenwürde] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG [Sozialstaatsprinzip]). Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.“

Genau um populistischen bis diktatorische Übergriffe vorzubeugen, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die so genannte Ewigkeitsgarantie in das Grundgesetz eingefügt. In Artikel 79 Abs. 3 GG steht:

„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

Wir fragen uns also: Was genau möchte Herr Spahn denn nun an der Verfassung ändern? Das Prinzip der Menschenwürde abschaffen? Oder das Sozialstaatsprinzip? Obwohl beides überhaupt nicht geändert werden kann. Oder geht es doch nur um Wahlkampf und billige Hetze auf Kosten der Armen?

Der Vorstoß von Jens Spahn, das Grundgesetz zu ändern und soziale Grundprinzipien zu beschneiden, zeigt einmal mehr die rücksichtslose Agenda der CDU. Die CDU möchte weiter Druck auf die Ampel ausüben, dabei rechtsstaatliche Grundsätze aushöhlen und das Land immer weiter nach rechts treiben.


Quelle: Tacheles e.V.,13.Januar 2024

G20-Rondenbarg-Prozess vor Hamburger Landgericht ab 18. Januar 2024: Versammlungsfreiheit in Gefahr

Das Plakat zur Demo zeigt ineinander verschlungene Arme, die Plakate mit dem Aufruf "Versammlungsfreiheit verteidigen", "United we stand" und "Solidarität G20" halten. Dazu die Links und Daten zur Demo aus dem Aufruf.G20-Rondenbarg-Prozess vor Hamburger Landgericht ab 18. Januar 2024. Versammlungsfreiheit in Gefahr: Den Angeklagten wird die bloße Anwesenheit bei einem G20-Protest vorgeworfen. Bundesweite Demonstration am 20. Januar in Hamburg anlässlich des Prozessauftakts.

Am 18. Januar beginnt in Hamburg der Prozess gegen sechs Personen, die 2017 gegen den G20- Gipfel demonstrierten. „Es ist ein Mammut-Verfahren vor dem Landgericht. Bis in den August sind 25 Prozesstermine angesetzt“, erklärt Mischa Frey von der Solidaritätskampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand“. Die Anklage lautet auf schweren Landfriedensbruch (Paragraf 125a StGB).

Adrian Wedel, Anwalt einer Betroffenen, erklärt: „Die Staatsanwaltschaft will Teilnehmer*innen der Demonstration verurteilen, auch wenn diese selbst keine Straftat begangen haben. Ein Urteil nach dem Prinzip ‚Mitgefangen, mitgehangen‘ würde eine massive Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit bedeuten. Es wird entscheidende Auswirkungen auf alle zukünftigen Versammlungen haben.“

Bekannt wurde das Rondenbarg-Verfahren durch Fabio V. aus Italien, der damals 5 Monate in Untersuchungshaft saß. Sein Prozess platzte 2018. Im August 2023 wurde sein Verfahren eingestellt. „Wir fordern eine Einstellung aller Verfahren“, so Frey. Insgesamt wurde gegen 85 Personen Anklage erhoben.

Die Verhandlungen sind öffentlich. Es wird Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude geben. Am Samstag, den 20. Januar 2024, findet eine Demonstration in Hamburg um 16 Uhr am Jungfernstieg statt zu der bundesweit mobilisiert wird.
Der Polizeieinsatz am Rondenbarg war einer der brutalsten während des G20-Gipfels. Keiner der Polizisten wurde verurteilt. Stattdessen will die Hamburger Staatsanwaltschaft nun Haftstrafen für das bloße Mitlaufen auf der Demonstration bei der zahlreiche Aktivist*innen schwer verletzt wurden.

Die bundesweite Kampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand“ arbeitet seit Ende 2019 zu den sogenannten G20-Rondenbarg-Verfahren. Ihr Solidaritätsaufruf wird von mehr als 100 Gruppen und Initiativen getragen.„Gerade in Zeiten eines massiven Rechtsrucks in Deutschland wäre eine Einschränkung demokratischer Grundrechte brandgefährlich“, betont Frey.

Kundgebung zu Prozessbeginn
Donnerstag, 18. Januar 2024, 8:30 Uhr
Landgericht, Sievekingplatz 3, Hamburg

Kundgebung zum zweiten Prozesstag
Freitag, 19. Januar 2024, 8:00 Uhr
Landgericht, Sievekingplatz 3, Hamburg

Bundesweite Demonstration
Samstag, 20. Januar 2024, 16:00 Uhr
Jugfernstieg, Hamburg

Quelle: Pressemitteilung

NS-Verherrlichung in Budapest stoppen!

Fahrt am 10. Februar mit uns nach Budapest, um dort gegen das Heldengedenken international vernetzter Faschist*innen zu protestieren!

Logo der VVN-BdA: Der rote, politische Winkel vor den weiß blauen Streifen der KZ Häftlingskleidung. Darunter die Abkürzung VVN-BdAAm 10. Februar 2024 wollen Neonazis aus aller Welt wieder ihr NS-verherrlichendes »Heldengedenken« in Ungarns Hauptstadt Budapest durchführen. Im Februar 1945 orderte Karl Pfeffer-Wildenbruch als SS-General seine Gefolgschaft an, aus der belagerten Stadt auszubrechen – ein naiver Versuch, nur wenige Soldaten überlebten die anschließenden Kämpfe. Was die extrem rechte Szene nicht davon abhält, den faschistischen General und seine Ergebenen mit ihren jährlichen Aufmärschen zu verehren.

Zwar gab es in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreiche kleinere und größere antifaschistische Interventionen, aber der Drang der Faschist*innen in Budapest, die Geschichte umzuschreiben ist ungebrochen. Teilweise mobilisierten die extremen Rechten tausende Anhänger*innen auf die Straße. So ist zu befürchten, dass auch 2024 Neonazis aus dem Blood-&-Honour-Spektrum versuchen werden, gegen Mittag eine Kundgebung im Városmajor-Park abzuhalten, der im Nordwesten der Stadt gelegen ist.

Außerdem führen Neonazis und Militarist*innen seit Jahren eine als Reenactment deklarierte Neonaziwanderung in Anlehnung an den faschistischen Ausbruchsversuch aus der Einkesselung durch die Rote Armee von 1945 durch. Dabei marschieren sie ausgehend vom Startpunkt im Budapester Burgkomplex, teils in Militäruniformen gekleidet und mit faschistischen Abzeichen versehen, bis zu 60 Kilometer in das Budapester Umland. Weitgehend unbehelligt und bis vor einigen Jahren mit dem Segen des ungarischen Wanderverbandes mischen sich hier faschistische Wandertrupps aus der völkischen Neonaziszene mit vermeintlich unbedarften ungarischen Wanderfans.

Um das Wochenende herum organisiert die ungarische Neonaziszene diverse kleinere und größere Konzerte in Budapest. Mehrere Tage lang nutzen die Rechten die Reihe an Events zur Vernetzung. Sie frönen dort ihrer nazistischen Erlebniswelt, aus der sie mental gestärkt für ihren Kampf für ein »weißes« Europa und gegen Minderheiten sowie gegen alles außerhalb ihrer Norm in das restliche Jahr starten.

Das wollen wir als Antifaschist*innen nicht länger hinnehmen! Gemeinsam mit dem österreichischen KZ-Verband, den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen, und der MEASZ aus Ungarn rufen wir als VVN-BdA zu antifaschistischem Protest auf. Zusammen werden wir am Vormittag des 10. Februar eine antifaschistische Kundgebung bei den Schuhen am Donauufer durchführen und an die Opfer der Shoah sowie des Porajmos erinnern. Danach wird es zum Parlament gehen, wo wir unserer Forderung nach einem Verbot der neonazistischen Veranstaltungen Ausdruck verleihen werden. Außerdem wird es die Möglichkeit geben, sich am Nachmittag den angemeldeten Gegenprotesten zur Neonaziwanderung anzuschließen, bevor wir wieder abfahren. Es gilt zu zeigen, dass unsere ungarischen Freund*innen in ihrem Kampf gegen die Umtriebe der Nazis nicht allein gelassen werden.

Diese grenzübergreifende solidarische Zusammenarbeit unserer antifaschistischen Verbände wird auch von der Dachorganisation, der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten (FIR), unterstützt.

Wir wollen viele sein! Deshalb kommt mit uns nach Budapest! Es sind alle eingeladen, sich uns anzuschließen (solange die Plätze reichen). Wir starten in Wien am Morgen des 10. Februar, die Rückkehr nach Wien ist für den Abend vorgesehen. Der Unkostenbeitrag für das Busticket von Wien nach Budapest und zurück beträgt 20 Euro. Eine Unterkunft ist nach Möglichkeit selbst zu organisieren. Es wird aber versucht, eine kleine Schlafplatzbörse anzubieten. Interessierte melden sich bitte unter fahrten_vvn-bda_2024@riseup.net.

Quelle: Pressemitteilung
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