Skip to content

10 Minutentakt. Wozu eigentlich Versammlungsfreiheit?

Am 17. Juli konnte ich bei: "Im 10 Minuten Takt. Stuttgarter Initiativen stellen sich vor" im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Campus Stadt" im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart das "Bündnis für Versammlungsfreiheit" vorstellen. Hier der Text, unten folgt ein Video:

Sehr geehrte Damen und Herren,
als erstes möchte ich mich bei den Veranstaltern für die Gelegenheit bedanken, das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit hier kurz vorzustellen. Mein Name ist Thomas Trüten, ich bin Sprecher des Bündnisses.

Die Zielsetzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, Demonstrationen und Kundgebungen einen besonderen Schutz zu verleihen, wird in der aktuellen Behördenpraxis oft ausgehebelt. Schon das in Baden-Württemberg geltende Bundesversammlungsgesetz schränkt dieses Grundrecht in massiver Weise ein. Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahre 2006 sollte unter der damaligem CDU-FDP geführten Landesregierung ein zusätzlich verschärftes Landesversammlungsgesetz eingeführt werden.

Dagegen gründete sich im September 2008 unser inzwischen aus über 100 Organisationen bestehendes Bündnis. Bereits im Dezember 2008 führten wir eine Demonstration für das Recht auf Versammlungsfreiheit mit 6000 TeilnehmerInnen durch.

In unserer Arbeit nehmen wir aktiv an Demonstrationen teil, unsere Demobeobachter AG ist mit ihren blauen Westen bei zahlreichen Demonstrationen vor Ort, beobachtet und dokumentiert Verstöße gegen das Versammlungsrecht durch Behörden und Polizei.

Wir geben Pressemitteilungen und Infoflyer zu verschiedenen Themen heraus, führen Veranstaltungen durch, stellen selbst Referenten, wie beispielsweise beim „Aus.Sitzen“ Camp, bei der „offenen Uni“ im Rahmen des Bildungsstreiks oder gewerkschaftlichen Veranstaltungen. Dabei freuen wir uns natürlich sehr über neue MitstreiterInnen.

Warum halten wir das Eintreten für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für so wichtig?

Der –“ übrigens nie zurückgezogene –“ Entwurf für ein solches verschärftes Versammlungsgesetz schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor und gibt Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten. Die neue Landesregierung verspricht in ihrer Koalitionsvereinbarung lediglich ein „bürgerfreundliches“ Versammlungsrecht. Jedoch fallen unter die Verantwortung der neuen Regierung bereits schon wieder mehrere schwerwiegende Anlässe:

Am 1. Mai 2011 wiederholte sich in Heilbronn eine Szenerie, die bereits 2009 in Ulm zu beobachten war und die erst vor einigen Tagen gerichtlich zur illegalen Praxis erklärt wurde: mit massiver Polizeigewalt wird ein Großaufmarsch von Neonazis durchgesetzt. AntifaschistInnen wurden eingekesselt, abgefilmt, weg geprügelt, festgenommen und mit Platzverweisen belegt. Einmal mehr ist nicht von einer zufälligen, sondern von einer systematisch vorbereiteten polizeilichen Eskalation auszugehen. Die Heilbronner Polizei mischte sich in die politische Diskussion über demokratische Widerstandsformen ein, indem sie in zehntausenden von Flyern und auf Plakaten die Behauptung, Blockaden gegen einen genehmigten Naziaufmarsch seien illegal, verbreiten ließ.

Damit versuchte die Polizei, die antifaschistische, demokratische Kultur des Widerstands gegen Naziaufmärsche, die Zivilcourage und das sich „dagegen stellen“ als Gewalt zu diffamieren. Das Vorgehen der Polizei gegenüber den Demonstranten an diesem Tag entsprach dann auch dieser geschichtslosen Haltung.

Die Bilanz des Tages: Hunderte Personalienfeststellungen und Festnahmen, zahlreiche Verletzte durch direkte Polizeigewalt oder durch schikanöse Gewahrsamsbedingungen, wie die ganztägige Einkesselung hunderter Demonstrantinnen.

Anlässlich der Vorkommnisse mit einem bewaffneten Zivilfahnder bei der Besetzung des Baugeländes des Grundwassermanagements am 20. Juni im Anschluss an die Montagsdemo gegen Stuttgart 21 weisen wir darauf hin, dass §12 des Bundesversammlungsgesetzes zwingend vorschreibt, dass Polizeibeamte, die in eine öffentliche Versammlung entsandt werden, sich dem Versammlungsleiter zu erkennen geben müssen.

Dies ist unsrer Kenntnis nach im Fall des Zivilfahnders, der sich schon vor Beginn der spontanen Aktionen in der Menge aufhielt, nicht geschehen.

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit fordert deshalb die Staatsanwaltschaft auf, Ermittlungsverfahren gegen diesen Beamten und die Einsatzleitung der Polizei einzuleiten.

Wir stellen in dem Zusammenhang die Fragen:

„Die Pressestelle der Polizei spricht von „etwa einem halben Dutzend“ Zivilfahndern, die am 20.6. eingesetzt waren. Die Bandbreite reicht also von sechs bis elf Beamten. Wie viele Beamte waren tatsächlich im Einsatz? Waren sie alle mit Schusswaffen ausgerüstet und welchen konkreten Auftrag hatten sie? Ist der Einsatz bewaffneter Zivilfahnder bei S21- Demonstrationen gängige Praxis oder war ihr Einsatz am 20.6. eine Ausnahme? Und wenn ja, warum?“

Die Antwort blieben die Verantwortlichen schuldig.Statt dessen wird nachgetreten und die S21 GegnerInnen mit großem Medienecho einmal mehr diffamiert und kriminalisiert und der Einsatz ziviler Polizeibeamter zum Normalfall erklärt.

Wir sehen uns durch diese Vorgänge bestätigt in der Forderung nach einem fortschrittlichen Versammlungsrecht, das geeignet ist, illegalen Polizeipraktiken einen Riegel vorzuschieben.

Über 1200 Strafverfahren sind die Kriminalisierungsbilanz der jungen Bewegung gegen Stuttgart 21. Sitzblockaden, Spontandemonstrationen, Baumbesetzungen und vieles mehr werden seit Monaten vor Gericht verhandelt.

Mit willkürlichen Auflagen können missliebige Proteste behindert, wenn nicht sogar verhindert werden. Bekanntlich soll Gangolf Stocker bei einer Kundgebung am 23.10.2010 zu wenig Ordner im Einsatz gehabt haben. Gemäß den Auflagen des Ordnungsamtes hätte er - bezogen auf die von der Polizei geschätzten Teilnehmerzahl von 16.000 - 320 Ordner einsetzen müssen. Laut Polizei waren aber nur 60 Ordner im Einsatz. Nach Veranstalterangaben betrug die Teilnehmerzahl 50.000. In diesem Falle wären sogar 1.000 Ordner nötig gewesen.

Wir halten eine behördliche Auflage über die Ordnerzahl für verfassungswidrig, da sich mit derartigen Auflagen jede größere Demonstration verhindern lässt. Zudem gibt es keine im Versammlungsrecht verankerten Aussagen zur Anzahl von Ordnern.

Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit beobachtet eine seit Jahren zunehmende Tendenz der städtischen und staatlichen Behörden, bereits aufgrund von Lappalien oder durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eindeutig gedeckte demokratische Protestformen Bußgelder und Strafbefehle zu verhängen oder Gerichtsverfahren einzuleiten.

Mit der Forderung „Für ein fortschrittliches Versammlungsgesetz“ wollen wir dem entgegentreten und helfen, den Widerstand hiergegen organisieren.

Als Bündnis stellen wir klare Forderungen an ein fortschrittliches Versammlungsgesetz:

Sitzblockaden, Streikposten und Spontandemonstrationen müssen hierbei ohne Einschränkungen gewährleistet werden. Spürbarer Protest und kreative Aktionsformen müssen möglich bleiben und vor Kategorisierungsversuchen geschützt werden. Nicht zuletzt muss es behördlicher Willkür und polizeilichen Schikanen einen rechtlichen Riegel vorschieben.

Es geht uns um nicht mehr und nicht weniger als „ein Stück ursprünglich- ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“ (Brokdorfurteil, BVG). Jedes Gesetz, dass diesen Kerngedanken des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit zunichte machen soll, lehnen wir kategorisch ab!

Ich hoffe, in diesen wenigen Beispielen deutlich gemacht zu haben, dass ein fortschrittliches Versammlungsgesetz nicht verordnet sondern nur politisch erkämpft werden kann und das strömungs- und bewegungsübergreifend.

Beteiligt Sie sich an Demonstrationen, Solidarisieren Sie sich mit den Opfern der Repression und engagieren Sie sich für Versammlungsfreiheit!

Ich möchte Sie einladen, bei unserem nächsten Bündnistreffen am Mittwoch, 27. Juli 2011 um 19:00 Uhr im DGB Haus Stuttgart dabei zu sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Das Video von dem Beitrag hat Bernhard Höll gemacht:



Via: Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit

Buchtipp: Rassismus in der Leistungsgesellschaft

Der während der „Sarrazindebatte“ implizit oder explizit zur Sprache gekommene Rassismus fordert kritische Analysen. Der Band versammelt diese im Sinne angewandter Migrations- und Rassismusforschung sowie anderer Disziplinen der kritischen Wissenschaften. Neben Diskussionen um Eliterassismus, kulturalistischen Ein- und Ausschließungen sowie Hegemoniekonstruktionen finden sich u.a. auch feministische und diskurstheoretische Zugänge zum Thema. Einen Schwerpunkt bilden die Verbindungen des gegenwärtigen Rassismus mit ökonomischen Argumentationsweisen.

Mit Beiträgen von Moritz Altenried, Christoph Butterwegge, Sebastian Friedrich, Sabine Hess, Juliane Karakayali, Serhat Karakayali, Elke Kohlmann, Jörg Kronauer, Gabriel Kuhn, Jürgen Link, Charlotte Misselwitz, Marianne Pieper, Nora Räthzel, Hannah Schultes, Yasemin Shooman, Vassilis Tsianos und Regina Wamper.

Sebastian Friedrich lebt größtenteils in Berlin-Neukölln und ist Redakteur von kritisch-lesen.de, freier Mitarbeiter der Opferberatungsstelle ReachOut Berlin, Mitglied des AK Rechts und der Diskurswerkstatt des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und aktiv im Netzwerk der edition assemblage in Münster.


Sebastian Friedrich (Hg.)


Rassismus in der Leistungsgesellschaft

Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“

farb. Broschur, ca. 260 Seiten, 19.80 EUR [D]

ISBN 978-3-942885-01-0


Bestellung per Email: info@edition-assemblage.de

Bestellformular

Stuttgart: 75 Jahre Beginn des spanischen Bürgerkrieges

Anlässlich des 75. Jahrestages des Beginns des Spanischen Bürgerkrieges zeigt das "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen" den Film "Vivir la Utopia! - die Utopie leben!". Dazu gibts spanische Vokü und verschiedenes Infomaterial zum mitnehmen.

Der Dokumentarfilm „Vivir la utopia! - Die Utopie leben!“ zeigt die Entwicklung der spanischen anarchistischen Bewegung bis zum Höhepunkt des Kampfes gegen den Faschismus und für die Soziale Revolution 1936 bis 1939. Historische Bilder und Filmaufnahmen lösen sich ab mit Interviews mit 30 alten anarchistischen KämpferInnen. Der Film gibt einen Überblick über die Geschichte der anarchistischen Bewegung Spaniens seit dem 19. Jahrhundert: Die Gründung der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT-AIT (Confedération Nacional del Trabajo) und der FAI (Federación Anarquista Ibérica), die Rolle von Kultur und Erziehung, die Vielfalt der Ideen und Aktivitäten im Vorfeld der Zweiten Republik und insbesondere die Einrichtung und das Funktionieren der Kollektivbetriebe in den ländlichen und städtischen Gebieten.

Dienstag: 19.Juli 2011 um 19 Uhr
im Falkenbüro, Wagenburgstr. 77, S-Ost

Donnerstag: 21.Juli 2011 um 19 Uhr
in der Projektwerkstatt, Alexanderstr. 116, S-Mitte

Sommerkino: Mit Baby und Banner

Im Winter 1936/37, mitten in der Großen Depression, schreiben die  Autoarbeiter von General Motors in Flint Geschichte: Ihr wochenlanger Besetzungsstreik verändert die Klassenverhältnisse in der neuen Massenproduktion auf radikale Weise. Die »Sit-Downs« greifen als neue Kampfform der Un- und Angelernten im ganzen Land um sich und demonstrieren die Macht dieser Arbeitergruppen. Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Kampfs in Flint leistet die »Notstandsbrigade« der Frauen, die auf militante Weise die besetzten Fabriken verteidigt. Diese Frauen portraitiert der Film vierzig Jahre nach dem Durchbruch.

20. Juli 2011 21:00 bis 23:00 im AZ Köln

Lorraine Gray | USA 1978 | 46 min | 21 Uhr

10 Minutentakt. Stuttgarter Initiativen stellen sich vor

Grafik: Wüttembergischer Kunstverein
Am 17.07. ab 14 Uhr Präsentationen verschiedener Stuttgarter Gruppen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Recht, Ökonomie, Architektur, Kultur, ziviler Ungehorsam, Medien et cetera

Mit: Unsere Werkstadt, Bündnis für Versammlungsfreiheit, Aktionskonferenz, ArchitektInnen für K21, Kunstverein Wagenhallen, Gegenlicht 21, Dauermahnwache, Planungszellengruppe, Parkschützer, Pavillon, Esky Bail Kunstwiderstand, Karin Eizenhöfer, Frauengruppe ZugumZug, Anstifter, AK Bürgertribunal 30.09.2010, Lern + Gedenkort "Hotel Silber", Demokratie-Initiative 21, Bündnis gegen s21, UnternehmerInnen gegen S 21, wessen-zukunft, S21 ist überall_s21 und anderen

Ab 19 Uhr Filmprogramm: Urbane Komödien

Mit Filmen und Filmbeispielen von:
The RSA (David Harvey. The Crisis of Capitalism, UK 2010); Charles Ferguson (Inside the Job, USA 2010); Florian Opitz (Der große Ausverkauf, D 2006; Ausschnitte); Alexander Kluge (Früchte des Vertrauens, D 2009; Ausschnitte)

Campus Stadt. Noch bis zum 29. Juli 2011: Württembergischer Kunstverein Stuttgart, Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart

Weitere Infos zu "Campus Stadt"

Ginger Rogers zum 100. Geburtstag: The Thirteenth Guest (1932)

Heute vor 100 Jahren wurde Ginger Rogers geboren. Grund genug für ein Sonderblogkino: "The Thirteenth Guest" von 1932 ist eine Schauermär, die von einer jungen Frau (Ginger Rogers) handelt, die dreizehn Jahre nach der Nacht, in der ihr Vater beim Warten auf den 13. Gast am Tisch sitzend starb, an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt.

Während sie dort ihren Erinnerungen nachhängt, hört sie ein Geräusch. Als sie nach dessen Ursprung sucht, fällt ein Schuss. Bei Ankunft der Polizei findet diese am Esszimmertisch den kalten, steifgewordenen Körper einer jungen Frau...

Merkel: Das fleißige Himmelslieschen! Noch mal zu vermitteln?

Angela Merkel
Bildquelle:
Armin Linnartz
Dieses Foto ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland) lizenziert.
Kennerisch taxiert Tom Strohschneider im neuen FREITAG die Chancen seiner Kanzlerin. Wird sie uns länger als die Thatcher die Fersen in die Weichen schlagen? Lebemännisch und entsetzlich schätzt er ab, mit wem und wie weit sie gehen können wird. Reicht es für eine zweite Karriere als Domina?  Es erinnert alles an vertraute Gespräche aus der Operette des fin de siècle: Was meinst, mit wem die wird es noch treiben?

Peinigend das Qualerotische gegenüber einer Pfarrerstochter, der jeder natürliche Reiz so völlig abgeht. Aber treffend wahr. Wenn man zugleich eingesteht, was Strohschneider nur mitdenkt: die lustige Witwe des Kapitals kann keine anderen Ziele sich mehr setzen, als durchzukommen, weiterzuhüpfen, von Arm zu Arm gereicht zu werden - und was an leichtlebigen Floskeln sonst noch parat liegt.

Denn mit dem Kavalier- dem Kapital- steht es kein bißchen anders. Kürzlich wurde hier an den alten Imperialismus erinnert, wie ihn Rosa Luxemburg schilderte: den der Deutschen Bank, die jahrelang hinter dem Bau der Bagdadbahn her war. Wo ließe sich das heute auch nur denken: ein Einsatz über Jahre hinaus, wenn die Banken Fieber kriegen bei Schwankungen über zwei Quartale weg?

Das heutige Kapital bibbert wie eine Seeanemone. Es gibt nichts mehr vor. Bei dem ist keine Lebensperspektive mehr auszuleihen. Wie früher im Kostümverleih. Was Haltung vortäuscht, ist Reprise.

Soll das aber heißen, der Begriff "Imperialismus" sei selbst altes Eisen? Nur noch dazu da, einen weiter nicht erklärbaren "Anti-Amerikanismus" und "Antizionismus" ideell etwas komfortabler auszugleichen? So sieht es Katrin Dingler in der letzten "jungle-world" im herablassenden Bericht über die Linke Italiens "Unter dem regenbogenfarbenen Pace-Banner tauchten nicht nur die alten antiamerikanischen Parolen, sondern auch die dazugehörigen antisemitischen Ressentiments wieder auf. Dass die italienische Linke ungebrochen an einem kruden Antiimperialismus festhält und entsprechende Freund-Feind-Bilder kultiviert, zeigt sich auch daran, dass im Rahmen der Veranstaltungen aus Anlass des G8-Jahrestag zur Unterstützung für die zweite »Gaza-Flottille« aufgerufen wird. In ihrer Feindschaft gegen Israel ist sich die italienische Linke über alle Generationen und Fraktionen hinweg einig".

Was hier "kruder Anti-Imperialismus" genannt wird, könnte das nicht auch - undeutlich bestimmt - einfach Erkenntnis einer Lage des eigenen Landes sein, das selbst andere schwächere Regionen ausbeutet und bedrückt, während es seinerseits von noch stärkeren Mächten den  einbehaltenen Gewinn wieder abgepresst bekommt? Immerhin eine zu untersuchende Vermutung. Wer - wie Dingler - das Problem von vornherein in die Tonne stampft bekommt es wahrscheinlich nie wirklich zu Gesicht.

Merkels Tingel-Tour bei allen Diktatoren Afrikas zeigt auf den ersten Blick eines: wer was hermacht mit Öl und anderen Rohstoffen, der bekommt einen Gutschein ins Brust-Täschlein gesteckt. Für Waffen. Weil die das sind, was so ein Land am allernötigsten braucht.

Früher - in den fünfziger Jahren - konnten sich gutgläubige Leute schon mal in Schlaf singen lassen. "Was gut für dein Land, ist gut für Dich". Von denen sind die meisten inzwischen unvergnügt erwacht. Für die Länder der dritten Welt kann das in dieser Form schon gar nicht gelten.

Wie MONITOR in der Sendung vom Donnerstag an einem Beispiel gezeigt hat, sind in diesen Ländern ein paar Stützpunkte militärisch-polizeilicher Macht aufgebaut worden, die man gefällig Staatsmittelpunkte nennt. Wenn die Besatzung dieser Stützpunkte Einnahmen unter sich aufteilt, hat die verhungernde und enteignete Kleinbauerfamilie nicht das geringste davon. Aus der Zeit des offenen Kolonialismus kennt man noch den Ausdruck "Kompradoren-Bourgeoisie". Krude anti-imperialistisch, aber immer noch treffend bedeutet das: jede auswärtige Macht bedarf einiger Speichellecker, Verwalter, Anwanzer, die dieser zu Diensten sind und entsprechende Einkommen erwirtschaften können. Außer dieser  Sippschaft hat von Merkels Wohltaten niemand  etwas zu erwarten. (Immerhin hat für die Verhungernden Afrikas die gute Frau eine ganze MILLION in den Klingelbeutel geworfen. Damit wir sehen: die Landesmutter hat auch Herz)

Dass es nicht nur an Merkel hängt, sondern an den seit Jahren befolgten Grundsätzen imperialistischer Politik, hat Heike Haensel, MDB,LINKE, in einer Rede kürzlich treffend zusammengefasst:

"Imperiale Rohstoffstrategie der Bundesregierung ist eine einzige Drohung an die Länder des Südens
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. In der Rohstoffanhörung des Entwicklungsausschusses vor vier Wochen haben wir gehört, wie in den Ländern des Südens die europäischen Rohstoffinteressen gegen die Lebensinteressen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt werden. Der Sachverständige Nouhoum Keita hat uns eindrucksvoll vom Kampf der Bewohnerinnen und Bewohner von Falea in Mali gegen europäische Rohstoffunternehmen berichtet, die ihre Gemeinde umpflügen wollen, um Uran zu fördern. Die Arbeitsbedingungen in den Uranminen sind für viele Tausend Menschen tödlich durch das Einatmen hochgiftigen Uranstaubs. Solche Beispiele gibt es überall auf der Welt. Und auch das wurde in der Anhörung deutlich.

Diese Beispiele werden nicht seltener werden. Die Europäische Union und die Bundesregierung haben zur globalen Jagd nach Rohstoffen geblasen, überwiegend nach solchen die in Entwicklungs- und Schwellenländern lagern. Sie folgen damit den „Empfehlungen“ der Großindustrie. Zwischen der Veröffentlichung der Rohstoffstrategie des BDI und der der Bundesregierung lagen gerade einmal vier Monate. Die Bundesregierung folgt den BDI-Vorgaben fast aufs Wort. Auch bei der Entwicklung der EU-Rohstoffinitiative nahmen die Lobbyverbände erheblichen Einfluss. Entsprechend sind die Strategien ausgerichtet, nämlich auf den uneingeschränkten Zugriff auf die Rohstoffe in Drittländern.

Investitionsbeschränkungen in den Rohstoffländern sollen beseitigt werden. Exportzölle bei der Ausfuhr von Rohstoffen sollen fallen, Quoten sollen verboten werden. Dabei legt die Bundesregierung eine erstaunliche Kaltschnäuzigkeit an den Tag. In Brüssel setzt sie sich bei der Reform der EU-Handelspräferenzen dafür ein, dass nur noch solche Entwicklungsländer in das Präferenzsystem aufgenommen werden, die bereit sind, den Rohstoffhandel zu liberalisieren. Das Schlimme ist: Im Moment sieht es so aus, als ob sich die Bundesregierung mit diesem Standpunkt durchsetzt. Der Vorschlag der Kommission zur Reform geht leider in diese Richtung. Wir werden uns damit nicht abfinden und viele Regierungen, Aktivistinnen und Aktivisten im Süden auch nicht.Sie werden sich zunehmend Gehör verschaffen: weil sich Bürgerinnen und Bürger betroffener Regionen wehren, wie in Falea, und weil Regierungen, die mit der EU über Handels- und Investitionsschutzabkommen verhandeln, zunehmend selbstbewusster werden. Genau das will die Bundesregierung trotz anderslautender Aussagen verhindern; deshalb versucht sie es nun mit Erpressung über ihre Handelspolitik.

Wenn nötig, wird der Zugriff auf Ressourcen mit Krieg erzwungen. Wir erleben das gerade in Libyen. Die NATO will dort kriegerisch einen Regime-Change herbeiführen. Wir haben die Bundesregierung dabei unterstützt, dass sie sich bisher nicht am Krieg beteiligt hat. Noch besser wäre, sich aktiv für ein Ende der Bombardierungen einzusetzen, anstatt nun doch Bombenteile für den Krieg zu liefern. Doch auch wenn die Bundesregierung in diesem Fall nicht direkt Krieg führt, der Bundesverteidigungsminister hat es im Mai mit der Präsentation der Verteidigungspolitischen Richtlinien ganz deutlich gemacht: Die Sicherung des Zugriffs, des Handels und Transports von Rohstoffen soll künftig ganz selbstverständlich zu den Aufgaben der Bundeswehr gehören.

Der Rohstoffansatz der Bundesregierung ist in imperialer Manier eine einzige Drohung an die Länder des Südens: Gebt eure Rohstoffe freiwillig her oder wir drücken euch wirtschaftlich die Luft ab. Oder: Es gibt Krieg. –“ Wir müssen uns aber an den Gedanken gewöhnen: Es sind nicht „unsere“ Rohstoffe, die einfach in den falschen Ländern lagern. Wir brauchen deshalb einen ganz anderen Ansatz: Rohstoffhandel nur zu gerechten Preisen und sozialökologischen Bedingungen, die nicht zulasten der Bevölkerung gehen. Zuallererst sind aber die westlichen Industriestaaten aufgefordert, insgesamt eine Verringerung des Rohstoffumsatzes zu erzielen, anstatt den Zugriff auf immer mehr Rohstoffe militärisch abzusichern.


Was folgt daraus? Was ist zu tun?

Das mindeste wäre das Eingeständnis: Wir leben in einem Land, das  bedenkenlos seit langem imperialistisch verfährt. Die hochmütig herabgezogenen Mundwinkel der feineren Theoretikerinnen helfen da gar nichts. Man muss es einfach nicht nur sehen, sondern auch den wirtschaftlichen Hintergrund begreifen, der Imperialismus kapitalistisch erzwingt. Unabhängig von besonderen persönlichen Interessen.

Daraus folgt weiter: Wir müssen uns bemühen, die Kräfte zu unterstützen, die sich gegen diesen Imperialismus wenden. Dabei können wir freilich nicht mehr auf die Maxime setzen: die Feinde unserer Feinde sind unsere Freunde. Wenn Lenin es noch für möglich hielt, sämtliche Bewegungen zu unterstützen, nur weil sie - aus ihren Interessen heraus - zwangsläufig sich gegen die Kolonialisten wenden würden, so verhalten sich die Dinge heute freilich anders.

Was aber nicht hindern sollte, auch unentschiedene, auch schwankende Massenbewegungen wie in Griechenland, Tunesien, Ägypten  zu unterstützen. Materiell mit Spenden. Was aber noch wichtiger wäre: durch Verschaffung von Kenntnissen. Vor Ort. Durch Ausleuchtung der auseinanderstrebenden Tendenzen. Wir können heute nicht absolut Partei ergreifen. Aber wir sollten uns in die Lage versetzen, es einmal tun zu können.

Berlin: Kundgebung zum 75. Jahrestag des Beginns des Spanischen Bürgerkriegs

Kund­ge­bung: Kein Ver­ge­ben, kein Ver­ges­sen zum 75. Jah­res­tag des Spa­ni­schen Bür­ger­kriegs

17.–‹7.–‹2011 –“ 17 Uhr an der Ge­denk­stät­te der 3000 In­ter­bri­ga­dis­ten Frie­den­stra­ße (Volks­park Fried­richs­hain)

Ge­mein­sam mit der VVN-BdA Ber­lin und den Kämp­fern und Freun­den der Spa­ni­schen Re­pu­blik

Im An­schluss wird um 18 Uhr im Haus der De­mo­kra­tie und Men­schen­rech­te (Greifs­wal­der­str. 4) die Aus­stel­lung „Um­kämpf­te Ver­gan­gen­heit. Die Er­in­ne­rung an den Spa­ni­schen Bür­ger­krieg und den Fran­quis­mus“ mit einem Zeit­zeu­gen­ge­spräch mit Ma­nu­el Garí Ramos über den an­ti­fran­quis­ti­schen Wi­der­stand er­öff­net.

Mehr Information

Geschlichtet und gestresst - Wir stoppen Stuttgart 21

Fast 400 Teilnehmer bei Sitzblockade mit Prominenten

Stuttgart, 15. Juli 2011: Seit 6 Uhr versammeln sich fast 400 S21-Gegner und prominente Gäste aus der Stadt, der Region und der Republik zu einer weiteren gewaltfreien Sitzblockade vor dem Grundwassermanagement. Unter den Prominenten sind die Autoren Heinrich Steinfest und Wolfgang Schorlau sowie die Theater- und Kabarettschaffenden Walter Sittler, Volker Lösch, Peter Grohmann, Christine Prayon und die Professoren Peter Grottian und Wolf-Dieter Narr. Ihr Protest richtet sich gegen den undemokratisch vorbereiteten und inhaltlich getricksten Stresstest und gegen den Weiterbau von Stuttgart 21.

„Ein Weiterbau von Stuttgart 21 ohne die Zustimmung von einer Million Menschen der Region Stuttgart ist nicht durchsetzbar“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter Grottian. „Eine rationale Auseinandersetzung mit den Argumenten gegen Stuttgart 21 findet nicht mehr statt, daher setzen wir auf massenhaften Zivilen Ungehorsam. Der Zivile Ungehorsam ist das notwendige Salz in der oft reichlich öden Suppe der verstockten repräsentativen Demokratie.“

Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr glaubt nicht an eine Befriedung des Konflikts durch das Ergebnis eines Stresstests oder einer Volksabstimmung: „Die Landesverfassung von Baden-Württemberg gehört zu den undemokratischsten Verfassungen der Republik. Das Projekt Stuttgart 21 ist Sinnbild für eine politische Klasse, die sich ein Recht nimmt, das die Verfassung ihr nicht gibt, denn der Souverän sind nicht Banken, Immobilienspekulanten, sondern wir“, sagt Parkschützerin Andrea Schmidt.

Die Blockade am Grundwassermanagement, die seit heute früh 6 Uhr besteht, ist erfolgreich, weil ein Baufahrzeug aus Würzburg an der Einfahrt gehindert wird. Die Blockade am Grundwassermanagement dauert noch an.

Von den ursprünglich etwa 400 Demonstranten haben sich gegen 8:30 Uhr knapp 200 von der Südseite des Hauptbahnhofs an die Nordseite begeben und blockieren dort zur Stunde zwei Baufahrzeuge (Muldenkipper) der Fa. GL-Abbruch. Diese Firma hatte im September 2010 den Nordflügel des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes (Bonatz-Bau) im Auftrag der Bahn abgerissen. Von den knapp 200 Demonstranten am angerissenen Nordflügel beteiligen sich ca. 40 S21-Gegner an einer Sitzblockade vor dem Bauzauntor. Die Polizei ist mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort und trägt die Sitzblockierer weg. Dies ist das zweite Mal in der Protestgeschichte gegen Stuttgart 21, dass an einem Tag zwei Sitzblockaden parallel statt finden. Die Situation ist bei beiden Aktionsorten friedlich.

Quelle: Pressemitteilungen 15.07.2011
cronjob