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80 Teilnehmer bei Veranstaltung: „Nazis hetzen wieder gegen Migranten und Flüchtlinge! Warum, wozu, für wen?“

Am 16. April fand in den Räumen der Betriebsseelsorge in Böblingen eine Veranstaltung zum Thema „Nazis hetzen wieder gegen Migranten und Flüchtlinge! Warum, wozu, für wen?“ statt. Geladen hatte ein breites Bündnis aus DGB, GEW, IGM, Verdi, „Gegen das Vergessen, Für Demokratie“, DIDF, attac, VVN /BdA und verschiedene antifaschistische Gruppen aus der Region. Dieses Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, den Einzug der NPD in die Gemeinderäte bei den Kommunalwahlen 2009 zu verhindern. Als Referentin hatten die Antifaschisten Sevim Dagdelen eingeladen, Mitglied des Bundestags für die Partei `DIE LINKE´. Wie der Sprecher der VVN, Conny Renkl bei der Vorstellung von Frau Dagdelen betonte, sei nicht ihre Tätigkeit im Bundestag entscheidend für ihre Einladung gewesen. Sevim Dagdelen sei Expertin, weil sie am eigenen Leib die Behandlung von Migranten in Deutschland erfahren und reflektiert habe. Sie habe Erfahrung mit deutscher Leitkultur, die von den Nazis Ausländern, aber auch Obdachlosen, Behinderten usw. eingeprügelt werden soll. Norbert Füssinger von der GEW gab einen kurzen Rückblick auf bereits erfolgte Veranstaltungen und Aktivitäten und warb für eine geplante Demonstration gegen die Naziumtriebe im Juni.

Mit einer Gedenkminute zu Ehren des verstorbenen Landessprechers der VVN-BdA Reinhard Hildebrandt und einem musikalischen Beitrag von Norbert Füssinger schloss die Einführung ab.

In ihrem Referat stellte Frau Dagdelen zunächst in den Vordergrund, dass faschistische Einstellungen offenbar wesentlich größere Bevölkerungsteile erfasst hätten, als die 7000 Mitglieder der NPD. Sie stützte sich dabei auf aktuelle Studien, u.a. von Heitmeyer, sowie von Decker/Brähler. Dieses Potenzial zu mobilisieren schicke sich die NPD gerade an. Dabei setze sie seit Neuestem verstärkt auf antikapitalistische Parolen. Die Nazis würden an real existierenden Problemen ansetzen, wie z.B. der Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen u.ä. Es ginge ihnen dabei nicht um eine generelle und wirkliche Lösung der Probleme, sondern darum vorzuspiegeln, dass durch mehr Nationalismus, durch mehr Kampf gegen Ausländer eine Verbesserung der Verhältnisse möglich wäre. „Verändert werden soll der Kapitalismus nur da, wo er auch auf die vermeintlich höherwertigen arischen Deutschen negative Auswirkungen hat“, so die Referentin. Ellenbogen ja, Individuum gegen Individuum, Nation gegen Nation –“ aber bitte nicht, wenn es Deutsche trifft. Darauf lässt sich die Kapitalismuskritik der Nazis reduzieren. Ebenso knüpften die Nazis an die alte Hetze vom raffenden Kapital an, das mit Juden und USA identifiziert wird, dem das Gute arisch-deutsche schaffende Kapital entgegengestellt wird. Die mit Staatsgeldern alimentierte NPD wende sich an soziale Verlierer, die u.a. durch den Rückzug des Staates aus seinen sozialen Verpflichtungen entstehen.

Frau Dagdelen betonte, dass es auf die soziale Frage keine nationale Antwort geben könne. Es sei Aufgabe der Antifaschisten und aller Linken ihre Forderungen, Stellungnahmen so zu gestalten, dass völkische und nationalistische Interpretationen ausgeschlossen sind. Die Gegensätze in der Welt verliefen nicht zwischen Völkern, sondern zwischen Oben und Unten.

Sevim Dagdelen verwies schließlich darauf, dass Antifaschismus geprägt sei durch die Verbindung eines „universellen, humanistischen Weltbildes mit sozialer Teilhabe an den gesellschaftlichen Reichtümern für ´Alle`“.

Zum Schluss ging die Bundestagsabgeordnete noch auf ihre konkreten Aktivitäten ein, vor allem auf den „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“, der von der Bundesregierung vorgelegt wurde, sowie zu den Überlegungen zum Verbot der NPD.

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem deutlich, dass ein Verbot wenigstens den Skandal beenden würde, dass die rassistische Hetze auch noch aus Steuergeldern bezahlt wird. Es wurde aber auch deutlich, dass mit einem Verbot die Einstellungen und die gesellschaftlichen Strukturen, die diese Einstellungen ermöglichen oder befördern, noch nicht überwunden sind. Im Kampf gegen die Nazis und die faschistische Gefahr müsse die Linke auch bürgerlich-humanistische Personen ansprechen. Sie dürfe sich aber auch nicht davon abhalten lassen, der völkisch-nationalistischen Kapitalismus- und Imperialismus-„Kritik“ die Kritik an den herrschenden Verhältnissen entgegen zu stellen, die unabhängig von nationaler Zugehörigkeit, Arm und Reich sowie Oben und Unten produzieren.

Die etwa 80 Teilnehmer an dieser Veranstaltung folgten der Diskussion mit großer Aufmerksamkeit. Sie beschlossen die Veranstaltung mit dem gemeinsamen Singen des berühmten, antifaschistischen Liedes „Die Moorsoldaten“.

Quelle: Presseerklärung Antifaschistisches Bündnis Sindelfingen-Böblingen-Leonberg

Dossier: »Der Fall Ermyas M.«

Vor zwei Jahren, am 16. April 2006, wurde der schwarze Deutsche Ermyas M. in Potsdam lebensgefährlich verletzt. Mit einem ausführlichen Dossier zieht die Opferperspektive eine kritische Bilanz der gesellschaftlichen Diskussionen, die durch den rassistischen Angriff ausgelöst wurden.

DOSSIER »DER FALL ERMYAS M. –“ CHRONIK EINER DEBATTE«


In dem 52-seitigen Text »Der Fall Ermyas M. –“ Chronik einer Debatte«, der auf der Website des Vereins veröffentlicht wird, sind die Geschehnisse von der Tat im April 2006 bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens im Juni 2007 mit einem umfangreichen Quellenapparat rekonstruiert.

Via www.apabiz.de
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