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Tunesien: Ein Triumvirat will sich die Revolution unter den Nagel reißen

Ben Brik, ein trotz aller Schwierigkeiten in Tunesien verbliebener Autor, ruft im Gegensatz zum Gemurmel der beschwichtigenden Schutzengel auf zum Ernstmachen mit der Revolution. Sein Appell, etwas gekürzt, hier in Übersetzung:

Ali  hat abtreten müssen. Es bleiben Mohamed Ghannouchi, Foued Mebazaa und Abdallah Kallal,begleitende Symbole der Staatsgewalt seit dem Sturz von Bourguiba.

Das kommt nur einmal vor im Menschenleben. Manchmal auch nie. Man schaut vom Bordstein aus der Lokomotive nach. Der Postmann klingelt keine zwei Mal.

Dieses Mal hat er uns nicht vergessen. Er hat dem Volk eine Chance gegeben. Die Chance, eine Revolution durchzuführen aus tiefsten Lebenskräften. Revolution, du vergessener Namen seit den Aufständen in Süd-Amerika! Gegeben wurde den Tunesiern die Chance, einen Tyrannen-Äffling zu beseitigen, Machtinhaber aus Gnaden der Kaiser und Zaren der mächtigeren Welt. Mit dem Sturz unseres  Stellvertreter-Tyrannen bricht ein weiterer Mythos zusammen: Der von der Treue der westlichen Machthaber. Sie ließen - so hieß es bisher- ihre abgehalfterten Dienstkräfte niemals im Stich...

Revolution! Welche andere Bedeutung kann ein solches Wort haben als: Sturz eines Machthabers durch das Volk. Revolution, die auf einem  nie weiter verhandelbaren Grundsatz beharrt. Revolution für das Gesetz - gegen die Macht des Stärkeren. Für den Staatsbürger, gegen den Geschäftskunden. Revolution. Schreckenswort für die Lauen, die Ängstlichen, die Faulen,die Unentschlossenen. Sie aber gab Ali einen einzigen Befehl: Baldmöglichst zu verrecken!

Die erste futuristische Revolution ist zu feiern. Revolution eines Volkes, das selbstbewußt und freudig auftritt. Aber sich mit keinen Abfällen abspeisen lässt. Jungs und Mädchen von der Straße, Facebook - benutzend, den Computer durchspielend wie früher Musikanten ihre Instrumente  ---

In den letzten Tagen klatschten uns Meldungen um die Ohren, dass es schon weh tat. Jede Mitteilung war verklebt von einer anderen. Spuckefetzen im Ozean. Am Freitag dann  brachen die Wellen herein, Glücksboten den einen, Schrecksirenen für andere. Ben Ali verzichtet auf seinen Plan der Präsidentschaft auf Lebenszeit, verspricht alles mögliche, löst die Regierung auf. Kurz darauf: Ben Ali in Schande abgezogen, erbärmlicher als ein Hund! "Ein Hund bleibt immer noch ein Hund" - meinen die Leute. Ali ist noch weniger!

Schatten eines Schattens.

Ein Premier, Schatten eines Schattens, erklärt sich selber übers Fernsehen als Nachfolger. Er tritt auf - an seinen Seiten zwei Comic-Figuren: Die Präsidenten der Abgeordnetenkammer und der Ratgeberversammlung. (Des Senats)  Foued Mebazaa, inzwischen zum Präsidenturverwalter ernannt bis zu den Wahlen, und Abdallah Kallal. Zwei Kriegsverbrecher. Der zweite von ihnen derzeit gesucht in der Schweiz wegen eines Verbrechens gegen die Menschheit. Die drei stellen alles dar, was die Herrschaft der seit Bourgibas Zwangsabdankung regierenden Partei RCD ausmacht. Man müsste zum Napalm greifen, um diese Kreaturen von der Oberfläche Tunesiens hinweg zu sengen. Ihre Partei ist Heimstätte aller Laster: Klientelwirtschaft, Kleinkrämertum in der Verwaltung, Korruption, Gesetzesbruch, Machterschleichung durch gefälschte Wahlen, Willkürherrschaft und Verpflichtung zum Bespitzeln eines jeden Nachbarn im Ort.

Ben Ali ist abgehauen! Macht es ihm schleunigst nach, ihr Parteimitglieder einer verfluchten Partei! Ben Ali hofft nicht mehr zurückzukommen. Aber immer noch, den Aufstand zu Fall zu bringen! Wie? Er hat seinen Helferhelfern über Jahrzehnte hin und seinen Mordgesellen die Macht übergeben - "zu sehr treuen Händen". Einmal Palastrevolution - das sollte doch reichen!

Revolutionäre meines Landes, gebt Euch mit dem Erreichten nicht zufrieden. Rückt dieser unheiligen Dreifaltigkeit auf den Pelz. Drückt sie aus mit Wucht - wie elende Pickel auf einer Nase.

Taoufik Ben Brik
Ben Brik - ein bekannter tunesischer Autor von inzwischen fünfzig Jahren. Für im Ausland erschienene Artikel mehrfach mit Gefängnis bestraft. Nach langem Hungerstreik zur Erholung nach Frankreich gefahren zur Behandlung, aber zurückgekehrt. Wie Assange durch Anzeigen einer Frau eingesperrt. Selbstverständlich in Tunesien selbst mit Schreibverbot bedacht. Jetzt redet er - gegen die Beschwichtigungsabsichten der westlichen Staaten.

Die Vermutung, dass das Heer ganz am Ende die Macht ergriffen hat, hat sich bestätigt. Es gibt - freilich unbewiesene Meldungen, nach denen an die hundert Polizeioffiziere vom Militär festgenommen wurden.

Die Polizei, als Gegenmacht, scheint sich zusammenzusetzen aus langjährigen Dienern des Staates, und offenbar zusätzlich angeheuerten Schlägerbanden, die - nach dem Abgang des Gangsterchefs - offenbar zum Teil auf eigene Faust klauen und plündern.

Die Behauptungen des tunesischen Autors  über die "Kaiser und Zaren", die in Europa von den Verhältnissen profitieren, haben sich bitter bestätigt. In FREITAG-online hat Strohschneider all die wohlwollenden Aussagen von Schlotbaronen über ihre fernlebenden Leibeigenen zusammengestellt.

In Frankreich hat der linke Parteiführer Besancenot mit vollem Recht die französische Außenministerin zum Rücktritt aufgefordert. Diese hatte der Regierung Ali noch zu Beginn der letzten Woche angeboten, Nachhilfeunterricht zu geben, wie man mittels Polizei schnell und intensiv solche Beunruhigungen durch das aufstehende Volk niederschlägt. Genau diese Frau hat nach Alis schändlichem Abflug sich nicht etwa entschuldigt, sondern in der europa-üblichen Scheinheiligkeit zur "Mäßigung auf beiden Seiten" aufgerufen! Man kennt das!

So viel für den Augenblick. Von der erwarteten Demonstration von Personen tunesischer Abkunft in Paris war leider bis jetzt nicht viel zu vernehmen. Äußerst aufschlussreich zur Vorgeschichte des ruhmlosen Verdrückertums des Präsidenten Ali vergleiche - gerade frisch veröffentlicht - die ausgezeichneten Darlegungen von Bernard Schmid in "trend"
.

Reclaim your Brain - Reclaim your Future: Für eine Umkehr in der Bildungspolitik

Folgende Pressemitteilung zum Auftakt des Bildungsstreikes in Baden - Württemberg veröffentlichen wir gerne:

"Freie Bildung hier und überall!

Reclaim your Brain –“ Reclaim your Future: Für eine Umkehr in der Bildungspolitik

UStA der PH Freiburg ruft zur Protestfeuer-Demo am 17.01.2011 in Freiburg auf

Um unseren Unwillen gegenüber der bisherigen Bildungspolitik deutlich zu zeigen, rufen wir am 17. Januar 2011 zur Protestfeuer-Demo in Freiburg gegen Studiengebühren und für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft auf.

Zum sechsten Mal jährt sich am 26. Januar die Aufhebung des Verbotes von allgemeinen Studiengebühren in der Bundesrepublik durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und damit verbunden der Verlust einer Chancengleichheit für alle an einem freien, selbstbestimmtem sowie kostenfreien Bildungsangebot zu partizipieren.

Auch nach sechs Jahren hat sich an der sozialen Unverträglichkeit, der Selektivität sowie dem Aufbau bzw. Förderung einer finanziell abgesicherten Bildungselite durch die Einführung von Studiengebühren nichts geändert. Ganz im Gegenteil, diese soziale Selektion wird weiterhin durch unsoziale, realitätsferne und neoliberale BildungspolitikerInnen ganz in ihrem Sinne ausgebaut.

Entgegen der bisherigen verfehlten Bildungspolitik fordern wir daher:
- die bundesweite Abschaffung aller Bildungsgebühren
- ein freies, selbstbestimmtes Studium
- die sofortige Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft
- das politische Mandat für Studierendenvertretungen

27. März 2011: Bildungspolitische Wende in Baden-Württemberg einleiten

„Am 27.03.2011 haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit eine bildungspolitische Wende in Baden-Württemberg herbeizuführen“, erklärt Sven Fred Mitglied des UStA der PH Freiburg. „Es geht darum soziale Hürden im Bildungssystem abzubauen und Studiengebühren ein für alle mal abzuschaffen. Außerdem gibt es eine realistische Chance endlich ein Recht auf Mitbestimmung für die größte Gruppe der Hochschulmitglieder, den Studierenden zu etablieren.“

„Deshalb ruft der UStA der PH Freiburg alle Wählerinnen und Wähler, Studierende und Hochschulmitglieder dazu auf, mit bunten und kreativen Aktionen die Landtagswahl am 27.03.2011 zu einer Abstimmung über ein demokratisches und sozial gerechtes Bildungssystem zu machen“, sagt Sabine Woller ebenfalls Mitglied des UStA. „Denn nur wenn wir es schaffen Bildungspolitik zum zentralen Wahlkampfthema zu machen kann die zukünftige Landesregierung den Willen der Wählerinnen und Wähler nicht ignorieren und muss das Bildungssystem in unserem Sinne reformieren.“

Unsere Demonstration am kommenden Monatg ist der Auftakt zu vielen verschiedenen Protestfeuer-Aktionen des Bildungsstreiks Baden-Württemberg, die in eine große Aktion am 29. Januar 2011 in Stuttgart münden werden. Der UStA unterstützt die Forderungen des Bildungsstreiks und ruft zur Beteiligung an seinen Aktionen auf. Denn freie Bildung wollen wir für alle Menschen verwirklichen, ob in der Kita, Schule, Ausbildung, Hochschule oder der Erwachsenenbildung.

Also: Studiengebühren abwählen, Mitbestimmung einfordern!"

Weitere Informationen unter:

http://www.usta-ph.de
http://www.bildungsstreik-freiburg.de

http://www.bildungsstreik-bawue.de



"Hangmen also die!" (Brecht) Oder: Auch die Henkerspräsidenten trifft es einmal...

Ausgegrinst: Zine El Abidine Ben Ali, Expräsident
Foto: WikiPedia / Presidencia de la Nación Argentina Lizensiert unter CC 2.0
Präsident Ali hat - abgewiesen von Frankreich und wahrscheinlich auch Italien - schließlich Saudi-Arabien erreicht, wo er bei den nicht weniger schuldigen Amtsbrüdern Asyl erfleht. Ganz offenbar hatte Sarkozy eine Höllenangst, bei den für morgen angekündigten großen Demonstrationen in Paris könnten ungünstige Ähnlichkeiten zwischen diversen präsidialen Gestalten auf - und angegriffen werden. Er übernahm zwar die family, jagte den vor kurzem noch "confrère " genannten Kollegen zum Teufel.

Die sonstigen Ereignisse werden aus den Tagesnachrichten bekannt sein. Interessant für die inneren Machtverhältnisse, was Le Monde noch erraten zu haben glaubt. Beim Versuch, die Aufständischen zu erledigen, tat sich auf den Straßen vor allem die Polizei hervor. Man konnte den Eindruck bekommen, dass die verhasste Truppe vor allem um das eigene Überleben und den sicheren Besitz der Polizeikasernen als eine Art Festung kämpfte. Wenigstens die sollten gesperrt sein fürs Volk. Die Angst ist wohl nicht unbegründet, dass die Massen, wenn sie zum Sturm antreten, gerechtes Gericht halten würden über Folterer und solche, die im Straßenkampf sich besonders gehässig hervorgetan hätten.

Das Militär dagegen scheint sich schon zu Beginn des Tages aus dem Geschäft der offenen Repression zurückgezogen zu haben. Es wurde mehrfach von Fällen berichtet, in denen Militärs sich auf die Seite der Massen gestellt hätten. Auch ist die Machtübernahme durch den Premierminister des jetzt geflohenen Präsidenten wohl nur durch Unterstützung durch  Offiziere zu erklären. Vermutlich kommt man durch einen zu vermutenden Putsch der Armee auch dem plötzlichen Sinneswandel des Ex-Präsidenten auf die Spur. Morgens röstete er noch laut von Neuwahl und Reform: Um sechs Uhr saß er im Flugzeug.

Sollte ihm das Oberkommando der auf ihn verteidigten Truppen dazwischen nicht ein paar deutliche Worte gesagt haben? Und den Schutz des Präsidentenpalais einfach eingestellt?

Die Aufständischen waren offenbar nicht ganz so unvorbereitet, wie sich die Verehrer der reinen Spontaneität das vorstellen. Jedenfalls - immer nach den französischen Quellen - haben sie über Listen der Häuser verfügt, die alle Alis Frau und seinem ganzen Anhang gehörten. Diese - und nur sie - wurden eins nach dem anderen gewissenhaft geplündert - mis à sac - und möglicherweise auch in Brand  gesetzt.

Der Hauptteil der Präsidentenfamilie wurde in Frankreich aufgenommen. Nur der Schwiegersohn Alis war zu spät dran: Er wurde gefangengenommen. Was immer das im Augenblick einer schwankenden Bürokratie auch heißen mag.

Soweit sich die Lage bis jetzt durchschauen lässt, handelt es sich keineswegs um eine der vom US-Außenministerium inszenierten Revolutionen mit phantasievollen Namen: Die in Tunis wurde von  Schmiermündern schon als "jasmiene" bezeichnet.  Man muss das, was geschehen ist, als Militärputsch ansehen, der aber wohl von den Revolutionären für eine gewisse Zeit als Erleichterung hingenommen werden wird. Es gab ja immerhin selten -wie 1975 in Portugal - auch linksgemeinte Militär -Zugriffe. Lange freilich sollte sich ein Ministerpräsident nicht halten dürfen, der seit Jahren die Geschäfte seines blutigen Herrn offensiv geführt hat.

Was das alles für die wackelnden Nachbarstaaten bedeutet, muss nicht ausgeführt werden. In Algerien erheben sich massenhaft Demonstranten. Marokkos König sitzt lange nicht so sicher auf seinem Thron, wie er sich das vorstellt. In Libanon hat die Hisbollah sich den Zumutungen der Regierung durch Rückzug aller Minister entzogen. Und meint Ägyptens Präsident denn wirklich, ihn als einzigen der alten Potentaten hätten die Leute von Herzen lieb?

Die wirtschaftlichen Herrscher über den Vorderen Orient, die europäischen Imperialisten und die USA, werden sich ziemlich schnell etwas Neues einfallen lassen müssen. Ihre Rechnungen gehen schon eine Zeit lang gar nicht mehr glatt auf.

PS: Wie gesagt, alles auf dürftige Nachrichten gestützt. Die nächsten Tagen müssen zeigen, wer nun in Tunis wirklich die Macht in der Hand hat. Die revolutionären Massen sind es gewiss - noch - nicht.
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