Tunesien: Verzittert sichtbar die Linie des Klassenkampfes
In einem witzigen Science-Fiction-Roman hat Christian v. Ditfurth sich einen ganz anderen 21.Juli 1944 ausgemalt: das Attentat wäre geglückt, nur hätte leider niemand die Macht besessen, Himmler und seine SS anzugreifen, zu stürzen und aufzulösen. Also hätte Himmler sich mit seinen Leuten, etwas im Hintergrund, als Innenminister bis 1953 gehalten.
Genau so hätte unsere Kanzlerin, die tränenschwere Innenministerin Sarkozys und die gesamten Touristenbranche es gern gehabt. Belasteter Ali aus dem Verkehr gezogen, der Rest macht in gewohnter Weise weiter.
Die Fernsehnachrichten der letzten Tage zeigen, dass die Rechnung -bis jetzt- noch nicht aufgegangen ist. Schon schwingt eine gewisse Ungeduld in den Kommentaren mit: Sind die Leute dort denn mit nichts zufrieden?
FR veröffentlicht einen einzigen Leserbrief von sicher mehreren vorrätigen: jetzt aber die Unzufriedenen stoppen. Zugleich den Artikel eines Habermas - Spezialisten aus Tunis, der beweist, wie entsetzlich in der verwässerten Form die Lehren dieses Oberleisetreters sich angewandt auswirken. Er findet fein heraus, dass nach dem erzwungenen Abflug Alis sich sofort die Bewegung gespalten hätte - in Reformisten und Radikale. Was er ist, verrät er umschweiflos: man muss immer mit den weniger Belasteten des alten Regimes weitermachen. "Das Wesentliche ist, wachsam zu sein und die Revolution fortzusetzen, indem man der neuen Führung ganz genau auf die Finger sieht". Was allerdings voraussetzen würde, dass erst einmal Gesetze aufgehoben werden, die zur Niederhaltung der Massen benutzt werden. Hatte nicht sogar Ali in seiner Angst in der letzten Ansprache versprochen, jede Behinderung der Meinungsfreiheit aufzuheben. Natürlich hat er gelogen. Was aber denken von seinen angeblich reumütigen Nachfolgern, die Demonstrationen nacheinander auseinanderprügeln lassen, weil doch Ausgangssperre und Notstandsregelungen verhängt worden seien. Von wem und warum? Oder Wiederzulassung der islamischen Partei verhindert - weil irgendwann in den Jahren der Diktatur mal beschlossen worden sei, Trennung von religiösen Organisationen und Staat. Ganz neue Auslegung.
Solange der Habermasianer an solchen Regelungen keinen Anstoß nimmt, muss er sich um Wachsamkeit nicht mehr kümmern. Die wird dann - über ihn - wie bisher von den zuständigen und eingeübten Organen wahrgenommen.
Allenthalben wird auch scheinheilig bedauert- im Innern froh- dass der Opposition die Führung fehle. All denen hat der vor kurzem neu eingesperrte und erst am Tag des Abgangs von Ali entlassene Führer der wirklich kommunistischen Partei die Alternativen vor Augen geführt:
In einem Interview mit dem Blog Elwatan skizziert Hamma Hammami ruhig die zwei sich abzeichnenden Wege der Ermittlung. Entweder der noch vom alten Präsidenten ernannte Premier verhandelt mit den Blockflöten der ehemals zugelassenen Oppositionsparteien, behält den ganzen Apparat der herrschenden Partei bei und macht weitgehend weiter wie bisher.
Oder aber - das Volk, das auf den Straßen sich erhoben hat, organisiert sich wie jetzt schon in kleinen Organisationen der "Wachsamkeit" - einer ganz anderen, als die des Habermasianers - schließt sich mit den Gewerkschaften zusammen, die bisher schon trotz Ali eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt haben - und natürlich mit der Partei der Kommunisten. Gefordert wird nicht ein blindes Weiterstolpern, sondern eine neue verfassunggebende Versammlung -und entsprechend Zeit, um vor überstürzten Neuwahlen den unverdienten Vorsprung der bisher herrschenden RCD aufholen und ausgleichen zu können.
Dieser Aufruf, nirgends in mir zugänglichen staatstragenden Blättern auch nur erwähnt, scheint den Ausschlag gegeben zu haben für die rasche Besinnung der Gewerkschafter, die sich überfallartig in die Regierungsmannschaft versetzt sahen. Sie traten gerade noch rechtzeitig aus dem Ehemaligen-Kartell aus.
Der aus Frankreich zurückgekehrte Opponent Marzouki, der sich für die Präsidentschaftskandidatur bereit hält, hat sich ziemlich ähnlich geäußert. Er spricht von den bisherigen Maßnahmen des neualten Regimes als einer Maskerade. Außerdem hatte er schon von Frankreich aus die Ausschließung der islamischen Gruppierungen scharf und mit Recht kritisiert.In einem Land wie dem unseren, in welchem sich die herrschende Partei seit fünfzig Jahren mit einem "C" im Namen produziert, sollte man mit der Rückweisung bloßer Wertbeziehung - im Namen - etwas vorsichtiger sein.
Schon zeichnet sich - wenn auch verzittert genug - eine Klassenlinie ab. Gewerkschaften, bisher im Untergrund tätige und verbotene Parteien und der Kandidat für eine neue Präsidentschaft - gegen die Formation der westabhängigen altneuen Weitermacher, die nur daran denken, was Sarkozy, Westerwelle und Merkel von ihnen halten werden.
PS: In der "Sozialistischen Internationale" hat sich am Dienstag ein ganz überraschender Erkenntnisprozess vollzogen. Sie wurden vom Blitzschlag der Wahrheit getroffen und haben gemerkt, dass Präsident Ali überhaupt kein Demokrat war. Auch kein sozialer. Und haben ihn nach langer Mitgliedschaft ausgeschlossen. SPD - Schönredner Schulz aus dem Europa-Parlament wusste auch die lange Duldung einer solchen Kreatur noch zu entschuldigen: außerhalb des europäischen Kulturkreises müsse man eben andere Maßstäbe anlegen, um mit gewissen Leuten ins Gespräch zu kommen. In einem Akt gehirnerweichten Wohlwollens ließe sich vielleicht auch hier sagen: Besser spät als nie!
Genau so hätte unsere Kanzlerin, die tränenschwere Innenministerin Sarkozys und die gesamten Touristenbranche es gern gehabt. Belasteter Ali aus dem Verkehr gezogen, der Rest macht in gewohnter Weise weiter.
Die Fernsehnachrichten der letzten Tage zeigen, dass die Rechnung -bis jetzt- noch nicht aufgegangen ist. Schon schwingt eine gewisse Ungeduld in den Kommentaren mit: Sind die Leute dort denn mit nichts zufrieden?
FR veröffentlicht einen einzigen Leserbrief von sicher mehreren vorrätigen: jetzt aber die Unzufriedenen stoppen. Zugleich den Artikel eines Habermas - Spezialisten aus Tunis, der beweist, wie entsetzlich in der verwässerten Form die Lehren dieses Oberleisetreters sich angewandt auswirken. Er findet fein heraus, dass nach dem erzwungenen Abflug Alis sich sofort die Bewegung gespalten hätte - in Reformisten und Radikale. Was er ist, verrät er umschweiflos: man muss immer mit den weniger Belasteten des alten Regimes weitermachen. "Das Wesentliche ist, wachsam zu sein und die Revolution fortzusetzen, indem man der neuen Führung ganz genau auf die Finger sieht". Was allerdings voraussetzen würde, dass erst einmal Gesetze aufgehoben werden, die zur Niederhaltung der Massen benutzt werden. Hatte nicht sogar Ali in seiner Angst in der letzten Ansprache versprochen, jede Behinderung der Meinungsfreiheit aufzuheben. Natürlich hat er gelogen. Was aber denken von seinen angeblich reumütigen Nachfolgern, die Demonstrationen nacheinander auseinanderprügeln lassen, weil doch Ausgangssperre und Notstandsregelungen verhängt worden seien. Von wem und warum? Oder Wiederzulassung der islamischen Partei verhindert - weil irgendwann in den Jahren der Diktatur mal beschlossen worden sei, Trennung von religiösen Organisationen und Staat. Ganz neue Auslegung.
Solange der Habermasianer an solchen Regelungen keinen Anstoß nimmt, muss er sich um Wachsamkeit nicht mehr kümmern. Die wird dann - über ihn - wie bisher von den zuständigen und eingeübten Organen wahrgenommen.
Allenthalben wird auch scheinheilig bedauert- im Innern froh- dass der Opposition die Führung fehle. All denen hat der vor kurzem neu eingesperrte und erst am Tag des Abgangs von Ali entlassene Führer der wirklich kommunistischen Partei die Alternativen vor Augen geführt:
In einem Interview mit dem Blog Elwatan skizziert Hamma Hammami ruhig die zwei sich abzeichnenden Wege der Ermittlung. Entweder der noch vom alten Präsidenten ernannte Premier verhandelt mit den Blockflöten der ehemals zugelassenen Oppositionsparteien, behält den ganzen Apparat der herrschenden Partei bei und macht weitgehend weiter wie bisher.
Oder aber - das Volk, das auf den Straßen sich erhoben hat, organisiert sich wie jetzt schon in kleinen Organisationen der "Wachsamkeit" - einer ganz anderen, als die des Habermasianers - schließt sich mit den Gewerkschaften zusammen, die bisher schon trotz Ali eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt haben - und natürlich mit der Partei der Kommunisten. Gefordert wird nicht ein blindes Weiterstolpern, sondern eine neue verfassunggebende Versammlung -und entsprechend Zeit, um vor überstürzten Neuwahlen den unverdienten Vorsprung der bisher herrschenden RCD aufholen und ausgleichen zu können.
Dieser Aufruf, nirgends in mir zugänglichen staatstragenden Blättern auch nur erwähnt, scheint den Ausschlag gegeben zu haben für die rasche Besinnung der Gewerkschafter, die sich überfallartig in die Regierungsmannschaft versetzt sahen. Sie traten gerade noch rechtzeitig aus dem Ehemaligen-Kartell aus.
Der aus Frankreich zurückgekehrte Opponent Marzouki, der sich für die Präsidentschaftskandidatur bereit hält, hat sich ziemlich ähnlich geäußert. Er spricht von den bisherigen Maßnahmen des neualten Regimes als einer Maskerade. Außerdem hatte er schon von Frankreich aus die Ausschließung der islamischen Gruppierungen scharf und mit Recht kritisiert.In einem Land wie dem unseren, in welchem sich die herrschende Partei seit fünfzig Jahren mit einem "C" im Namen produziert, sollte man mit der Rückweisung bloßer Wertbeziehung - im Namen - etwas vorsichtiger sein.
Schon zeichnet sich - wenn auch verzittert genug - eine Klassenlinie ab. Gewerkschaften, bisher im Untergrund tätige und verbotene Parteien und der Kandidat für eine neue Präsidentschaft - gegen die Formation der westabhängigen altneuen Weitermacher, die nur daran denken, was Sarkozy, Westerwelle und Merkel von ihnen halten werden.
PS: In der "Sozialistischen Internationale" hat sich am Dienstag ein ganz überraschender Erkenntnisprozess vollzogen. Sie wurden vom Blitzschlag der Wahrheit getroffen und haben gemerkt, dass Präsident Ali überhaupt kein Demokrat war. Auch kein sozialer. Und haben ihn nach langer Mitgliedschaft ausgeschlossen. SPD - Schönredner Schulz aus dem Europa-Parlament wusste auch die lange Duldung einer solchen Kreatur noch zu entschuldigen: außerhalb des europäischen Kulturkreises müsse man eben andere Maßstäbe anlegen, um mit gewissen Leuten ins Gespräch zu kommen. In einem Akt gehirnerweichten Wohlwollens ließe sich vielleicht auch hier sagen: Besser spät als nie!