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Alles Terroristen

"Am 22. Oktober 2021 hat Israel sechs palästinensische Zivilgesellschaftsorganisationen als terroristische Organisationen eingestuft. Terrorismusvorwürfe oder Vorwürfe, Verbindungen zu terroristischen Gruppen zu unterhalten, müssen ausnahmslos mit der größtmöglichen Ernsthaftigkeit behandelt werden. Daher war es geboten, diese Einstufungen sorgfältig und umfassend zu überprüfen. Aus Israel gingen keine wesentlichen Informationen ein, die es rechtfertigen würden, unsere Politik in Bezug auf die sechs palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf der Grundlage der Entscheidung Israels, diese Organisationen als „terroristische Organisationen“ einzustufen, zu widerrufen. (...)"

Quelle: Auswärtiges Amt, Presseerklärung 12. Juli 2022: Gemeinsame Erklärung der Außenministerien Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Irlands, Italiens, der Niederlande, Schwedens und Spaniens zur Listung palästinensischer Zivilgesellschafts­organisationen als terroristische Organisationen

Denk an den Anderen

Wenn du dein Frühstück bereitest, denk an den Anderen
und vergiss nicht das Futter der Tauben.

Wenn du in deine Kriege ziehst, denk an den Anderen
und vergiss nicht jene, die Frieden fordern.

Wenn du deine Wasserrechnung begleichst, denk an die Anderen,
die ihr Wasser aus den Wolken saugen müssen.

Wenn du zu deinem Hause zurückkehrst, deinem Hause, denk an den
Anderen und vergiss nicht das Volk in den Zelten.

Wenn du schlafen willst und die Sterne zählst, denk an den Anderen,
der hat keinen Raum zum Schlafen.

Wenn du dich mit Wortspielen befreist, denk an den Anderen
und denk an jene, die die Freiheit der Rede verloren.

Wenn du an die Anderen in der Ferne denkst, denke an dich,
und sage: wäre ich doch eine Kerze im Dunkeln.

Mahmoud Darwish

Zum Tod von Günter Grass

Günter Grass
Foto © By Blaues Sofa
Lizenz: CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Wir können in der Eile nicht alles wiedergeben, was zum Tod des großen Schriftstellers zu sagen wäre.

Deshalb nur ein Auszug aus der angeblich antisemitischen Äußerung zu Israel: Dieser inzwischen bewahrheitete Artikel wurde seinerzeit von allen möglichen Seiten kritisiert.

Dies um zu zeigen, wie der greise Dichter noch einmal die Scharen der kritischen Möven aufzujagen pflegte.

Das erste, was einem auffällt bei dem Text von Grass zum Konflikt Israel-Iran: Was er zum Gedicht erklärt, ist einfach eine Ansprache. Wie beleidigend für Erich Fried, Grass ihm gleichstellen zu wollen. Das Nicht-Gedichtete bei Grass erweist sich in der ungebrochenen Übernahme gängiger Termini und Floskeln in das, was ein "Gedicht" sein sollte. "Antisemitismus" etwa.

Erich Fried bemühte sich immer, gerade auch in den Gedichten, die sich unmittelbar und drohend an die damalige Führung des Staates Israel richteten, den verborgenen Doppelsinn der gängigen Fügungen aufzudecken. So bei der Verwendung des Wortes "Feind" - einst gegen die Juden gerichtet, heute von den Zionisten in Israel verwendet.

Der nächste berechtigte Einwand gegen den Text von Grass, wenn wir ihn nur als Leitartikel mit falsch gesetzten Umbrüchen nehmen: ein Teil der vorgebrachten Vorwürfe gegen Israel folgt gerade den von dort ausgehenden Unklarheiten, bleibt aber trotzdem falsch. Antideutsche fragen oft provozierend: "Soll ein ganzes Volk sich wehrlos wegatomisieren lassen?" - und suggerieren damit, der Besitz einer oder mehrerer Atombomben in Feindeshand bedeute automatisch deren sofortigen Einsatz.

Nach Hiroshima und Nagasaki hat keiner der Staaten, die über Nuklearwaffen verfügten, sie eingesetzt. Grass korrigierte sich im nachgelieferten Interview bei der ARD, er hätte wirklich nur an konventionelle Bomben gedacht, die die israelische Luftwaffe einsetzen könnte gegen die unterirdischen Bomben-Bau-Anlagen der Iraner. Nur hätte er das in seinem veröffentlichten Text deutlicher zum Ausdruck bringen sollen. Dass auch ein gemütliches Zwischenbombardement der Israelis die ganze Region einem zumindest regionalen Krieg aussetzen würde, bleibt von dieser Unterscheidung völlig unberührt.

Zur Erkenntnis im vom Dichter angestrebten Sinn trägt sein Text nur dieses Geringe bei. Aber - ungewollt - hat er eine ganz andere Behauptung stringent bewiesen: Es gibt eine Reichs-Schrifttums-Kammer, die ganz ohne äußeren Zwang einheitlich zuschlägt, wenn jemand sich gegen ihre Gewissheiten vergehen möchte.

Dazu gehört vor allem: Iran will die Atombombe, um Israel von der Erde zu tilgen. Und: Israel zu verteidigen, gehört zu unserer "Staatsraison". Das Wort so falsch verwendet, wie Merkel das tut.

Die Gegenangriffe folgten so schrapnellartig, dass man sich fragen konnte, ob alle den angegriffenen Text schon ganz gelesen hatten. Broder in der WELT als erster. Es gibt Gerüchte, man habe ihm das Schriftstück zugespielt, bevor es in der "SÜDDEUTSCHEN" überhaupt zu lesen war. Für sein Urteil: Grass = Antisemit - war freilich vorherige Lektüre auch gar nicht notwendig. Er hätte das auf jeden Fall - wie bei allen anderen Verdächtigten - mühelos herausbekommen.

Dass über Iran und Israel ab jetzt anders diskutiert wird als vorher, ist kaum anzunehmen. Aber vielleicht wenigstens darüber, dass wir unbestreitbar unter einer Meinungsdiktatur leben. Ein aufgeklärter Goebbels hätte sich das nicht anders wünschen können: ohne direkte Aufsicht mit ihrem Gezeter und ihrer Mühe einfach die nötigen Reflexe einbauen. Beziehungsweise ihr erwartungsgemäßes Funktionieren zur Voraussetzung einer bestandenen Der Zustand scheint erreicht.

Heike Hänsel: Gejagt von den Nur-Noch-Anpassern

Achtung! Es findet eine Ausstoßungsjagd statt innerhalb der LINKEN selbst. Zugunsten einer Israelgefolgschaft, wie sie von CDU und anderen gerade gewünscht wird.

Weil verschiedene LINKE israelkritische Journalisten eingeladen haben, weil diese zum Protest gegen ihre Ausladung durch Gysi persönlich ihn im Büro heimsuchten, weil Gysi sich mit Recht den Anschuldigungen durch Flucht entzog - darum sollen nun die Einladerinnen dran glauben.

Nicht Hänsel, aber den Miteinladenden wird gleich noch vorgeworfen, sich seinerzeit auf einem Schiff befunden zu haben, das von israelischen Kanonenbooten versenkt wurde. Wie wenn das bisher nicht eher einen Triumphschlag versetzt hätte. "Die tun was, während wir nur reden". Inzwischen gilt es bei den Verhetzten als besonderes Kennzeichen antisemitischer Verbohrtheit.

Von allen Feinheiten der Abgeordneten-Jagd einmal abgesehen: Niemals darf der Angriff gegen einen Staat - Israel - gleichgesetzt werden mit einer Attacke gegen die einzelnen Bewohner dieses Staates. Ganz egal, wie sie zu diesem Staat inzwischen stehen. Sonst könnten auch die Angreifer etwa Griechenlands eines Tags darauf festgenagelt werden, wieviel Leiden der entsprechende Staat unter deutscher Besatzung einst auszustehen hatte.

Die Angreifer werden gar nicht so sehr proisraelisch empfinden. Sie möchten wohl vor allem Genossinnen und Genossen loswerden, die ihnen und ihren erträumten Regierungsbeteiligungen schaden könnten. Und bekommen sofort alles Lob für ihre heldenmütige Großtat.

Die Petition der Wohlgesinnten endet kryptisch nicht mit der direkten Forderung nach Austritt. Da dieser aber gemeint sein dürfte, hätte er zumindest im Fall Hänsel seine Schwierigkeiten. Es dürfte in Baden-Württemberg kaum jemand geben, der sich so intensiv mit den Wünschen der Wähler auseinandergesetzt hätte, wie Heike Hänsel. Wer sich an sie heranmacht, sollte mit Austritten vieler rechnen. Und die LINKE in unseren Landen hat nicht besonders viele von ihnen.

Auf jeden Fall von solchen, die noch zwischen Antisemitismus und Kritik am nachfolgenden Staat Israel unterscheiden können.

WELT: Wergins Vernichtungsprosa! Staatstragend - und mitleidlos gegen Juden und Palästinenser.

Wergin hat in der WELT einen Text niedergelegt ohne Informationswert. Aber dafür mit einem überwältigenden Handlungsimperativ: Endlich Vernichtung des palästinensischen Widerstandes.

Wergins erster Satz: "Palästinensischer Irrsinn, finanziert von den UN."

"Es ist eine kranke, selbstzerstörerische Geschichte, die sich Palästinenser und Araber vom Sieg über Israel erzählen. Auch die Hamas kann eine militärische Auseinandersetzung nur verlieren"

Und der letzte: "Es ist höchste Zeit, der palästinensischen Gesellschaft zu helfen, sich von diesen Extremisten und ihrem Todeskult zu befreien."

Dazwischen ein Stakkato von Beschimpfungen. Fazit: Der Widerstand muss jetzt für immer ausgeschaltet werden. Alle Mittel - auch der massive Einmarsch von Fußtruppen - werden  - mitgedacht - aus vollem Herzen gerechtfertigt. Arafat und Abbas, die ja keinerlei Sympathie mit der Hamas entfalteten, werden fertig gemacht. Es lag an Arafat, dass es keinen Frieden gab - und nur an ihm. Er war "zu feige".

Insgesamt ein Text, der Israel einfach als Stützpunkt betrachtet. Stützpunkt westlicher Politik. Man könnte ihn als zionistisch bezeichnen. Erfüllt er nicht die Forderung, endlich rückhaltlos die Verteidigung des Staates zu unterstützen, dessen Gründung schließlich letzte Konsequenz der an Juden begangenen deutschen Verbrechen darstellt?

Verraten Wergins Wunschträume aber wirklich Mitgefühl mit den Juden, die heute den Staat Israel bewohnen? So intensiv Wergin das Ende des palästinensischen Widerstands begehrt, ohne eine zweite NAKBA lässt es sich nicht denken. Das heißt, ohne massenhafte Vertreibung aus dem Gaza-Streifen! Folge demnach: eine Wiederholung von Bombardierungen und Einmärschen wird folgen. Und demnach Soldatentum und Tod fürs Vaterland über Generationen weg.

Während ein Bismarck trotz all seiner Kriege am Ende glaubhaft versichern konnte, sein Land sei jetzt saturiert, wird das einem Staat nach Netanjahus Prinzip nie abgenommen werden. Das mindest Denkbare wäre unablässiger Militäreinsatz und weiter verschärfter Polizei-Zugriff. Alle Versicherungen von "Jetzt aber gut" werden ihre Unerfüllbarkeit auf der Stirne tragen. Ein Sieg des israelischen Militärs würde zum dauernden Krieg zwingen. Ist das wirklich etwas, das man den gewöhnlichen Bewohnerinnen und Bewohnern Israels wünschen möchte?

Gewiss: der andauernde Raketenbeschuss grenznaher Gebiete durch Palästinenser verschiedenster Richtungen - keineswegs ausschließlich der Hamas - kann für sich genommen keine Rechtfertigung finden. Weder militärisch noch im weiteren Sinn politisch. Er dient wesentlich einem Daseinsbeweis. Wir sind noch da!

Nur: wird das aufhören auch nach Wiederaufnahme einer militärischen Besatzung? Da Netanjahu, und nicht nur er, eine Zweistaatenlösung erbittert sabotieren,wird der gleiche Grund immer neu die gleichen Folgen hervorbringen.

Auf keinen Fall tragen Äußerungen wie die Wergins und seiner Weggenossen in ACHSE des GUTEN auch nur das geringste zur Minderung der Leiden in Israel und Palästina bei.

Wergins Auswurf scheint ein gründlicher Beleg dafür zu sein, dass es manchen Deutschen doch nicht an Empathie mit Israel fehlt, wie öfter geklagt wird. Was beweist er in Wirklichkeit? Man kann zionistisch schreiben - und sich doch als mitleidlos erweisen gegenüber den wirklichen Bewohnerinnen und Bewohnern Israels. Und zugleich Palästinas.

Netanjahu - gerichtsfest, aber auch isoliert?

Klar, dass Netanjahu vom internationalen Gerichtshof nichts zu befürchten hat. Nach den üblichen Gepflogenheiten. Das Selbstverteidigungsrecht ist jedem Staat als selbstverständlich zuerkannt. Damit sind die Bombenangriffe auf Gaza jetzt - wie im letzen Krieg - auf jeden Fall zu rechtfertigen. Selbst die Tötung des Heeresorganisators der Palästinenser wird als gerechtfertigt angesehen werden, wenn von einem permanenten Kriegszustand zwischen Hamas und dem Staat Israel ausgegangen wird. Vor allem, nachdem Friedensnobelpreisträger Obama den Drohnenabschuss von "Feinden" für sich und alle Terrorismusbekämpfer für legal erklärt hat.

Rechtlich also an Netanjahus Vorgehen nichts auszusetzen.

Natürlich ließe sich unter Umständen dem Selbstverteidigungsrecht Israels ein Widerstandsrecht der Palästinenser in einem in Wirklichkeit immer noch besetzten Gebiet gegenüberstellen. Nur: alle rechtlichen Auseinandersetzungen - wozu dienen sie noch. Zum Argumentenbeschuss bei der nächsten Sitzung von Jauch.

Es müsste ein Blick riskiert werden über die rechtlichen Regelungen hinaus.

Dann ergibt sich zunächst - ziemlich unbestritten - der heiße Wunsch Netanjahus bei den nächsten Wahlen wieder zum Erfolg zu kommen. Erzeugung von Kriegsangst ist dazu eins der anerkanntesten Mittel. Nicht erst seit Bismarcks Tagen.

Der Vergleich zu Bismarcks Planung zeigt aber auch den Unterschied. Der deutsch-französische Krieg 1870 war klug eingefädelt - und nützte die Notlage des Kaisers Bonaparte III. aus. Der hatte mit unerfüllbaren Forderungen groß getan - und musste jetzt zur Kriegserklärung greifen, um sich nicht vorzeitig zu blamieren. Hauptunterschied zu Bismarck: Der Reichskanzler hatte begrenzte Ziele, die keinen weiteren Eingriff ins besiegte Land voraussetzten. Netanjahu dagegen wird in einem militärisch unterworfenen Gazastreifen noch brutaler eingreifen müssen als bei den letzten Maßnahmen. Ohne je zu einer völligen Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Gebiet kommen zu können. Selbst eine Zurückdrängung der Hamas aus grenznahen Gebieten erscheint aussichtslos. Denn die neuen Raketen haben eine Reichweite, die die entferntesten Ziele erreichen werden.

Die Lage Israels wird sich also auf jeden Fall verschlechtern, weil auf die Dauer kein Ziel - und damit kein Ende des Krieges - angegeben werden kann.

Noch werfen sich Westerwelle und Merkel aufs peinlichste ins Feld - und unterstützen mit offenen Verdrehungen die Aggression Israels. Mit der frei erfundenen Begründung, Hamas habe einen neuen Angriff begonnen, auf den jeder Staat - wie jetzt Israel - hätte erwidern müssen.

War das rechtlich abgesicherte Abknallen eines militärisch Verantwortlichen durch eine israelische Drohne kein Anfang - und Angriff?

Der jetzige Führer des Staates Israel wird kurzfristig sein Ziel erreichen und sich ein letztes Mal als legitimer Nachfolger des Königs Salomo präsentieren. Es werden viele gestorben sein für dieses Ziel. Staatsrechtlich ist - wie gesagt - daran nichts auszusetzen. Nur -  was sagt das über das Wesen des Völkerrechts selbst in seinem Verfall? Es erinnert stark an die Regeln, die nach Augustin sich auch jede Räuberbande untereinander geben müsste.

Nach einem Recht dahinter darf dabei nie gefragt werden.

Kramer: Unterwegs zur Synagoge, die Spinoza ausschloss?

Baruch Spinoza, einer der Begründer der modernen Bibelkritik.
Dem Judentum wurde immer wieder nachgerühmt, dass sich in diesem keine Bischöfe und Päpste herausbilden konnten. Vermutlich, weil die Juden - zu ihrem Glück oder Unglück - kaum je Gelegenheit fanden, sich einem Staat anzugliedern und seine Verfügungsmacht zu beneiden. Ausnahme, durch die Jahrhunderte berüchtigt, die Exkommunizierung des Philosophen Spinoza, damals noch Baruch mit Vornamen.

Heine gedenkt des Vorfalls in seiner Darstellung deutscher Philosophie: "Mit diesem Horne - dem Schofar - wurde die Exkommunikation des Spinoza akkompagniert, er wurde feierlich ausgestoßen aus der Gemeinschaft Israels und unwürdig erklärt hinfüro den Namen Jude zu tragen. Seine christlichen Feinde waren großmütig genug ihm diesen Namen zu lassen. Die Juden aber, die Schweizergarde des Deismus, waren unerbittlich, und man zeigt den Platz vor der spanischen Synagoge zu Amsterdam, wo sie einst mit ihren langen Dolchen nach dem Spinoza gestochen haben."

Damals hatte die Gemeinschaft der mehrheitlich aus Spanien geflohenen Juden solche Macht in Amsterdam, dass Spinoza zur Aufgabe seines Handelsgeschäftes genötigt wurde. Er verdiente dann als Schleifer von Linsen sein Brot.

Dem Andenken und der Wirkung des Philosophen hat die Ausstoßung nicht geschadet. Um das mindeste zu sagen.

Es kann hier nicht darum gehen, Recht oder Unrecht der Vorwürfe gegen Judith Butler inhaltlich zu bewerten. Sicher falsch und ans Idiotische grenzend die Behauptung, Butler sei deshalb Parteigängerin von Hamas und Hisbollah, weil sie einmal in Berkeley diese Bewegungen als tendenziell "links" analysiert hatte. Genau so hätte man "analytisch" dem Stalinismus nicht aberkennen können, dass er der Absicht nach immer noch "links" sei. Nur hätte das niemand dazu bewegen dürfen, sich deshalb Stalins Politik anzuschließen. So muss es Butler nach eigener Aussage auch gesehen haben.

Die katholische Kirche ist allen anderen religliösen Organisationen weit vorausgeeilt in ihrer Ausschluss-Praxis. Wieviel hat es ihr gebracht? Und was verspricht sich Kramer von entsprechenden Schritten - wenn auch noch im Miniformat?

Vorzuwerfen ist einem Kramer und seinen Nachbetern nicht, dass sie die Position Butlers nicht schätzen. Sondern dass sie das gar nicht erwähnen, wofür Butler der Preis zuerkannt werden soll. Dass er stattdessen Vorbedingungen aufstellt - Eintrittskarten verlangt für den Zutritt zur Würdigung - mit Maßgaben, die bis zur Anzweiflung der moralischen Würdigkeit reichen. Aber mit den Schriften Butlers absolut nichts zu tun haben. Die Selbstfesselung an den STAAT Israel zeitigt Folgen für die Diskussionsfähigkeit.

Genau so staatsförmig ist die katholische Kirche in Frankreich vorgegangen. Ich habe Romanistik studiert in den fünfziger Jahren und bemerkte dabei, dass fast alle Pflichtlektüren französischer Autoren auf dem Index standen. Index - Liste der Bücher, deren Lektüre kirchenamtlich abgeraten wurde. Wir haben alles trotzdem gelesen. Das Verfahren hat die Kirche in Frankreich jahrelang in die kulturelle Isolation getrieben.

Der französische Denker Montaigne, Zeitgenosse von Heinrich IV., schrieb einmal sinngemäß: "Ein Dieb wird zum Galgen geführt und gehängt. Darf ich nicht trotzdem denken: Ein schönes Bein hat er doch".

Das wäre die wünschbare Haltung für alle Beteiligten. Jede Kritik sollte sich auf den fraglichen Gegenstand beschränken, nicht moralische Eintrittskarten vergeben. Was hatte Martin Buber für Glück, keinen Preis zu bekommen. Bekanntlich war der weithin Verehrte so ziemlich das Gegenteil eines Zionisten!

Heute abend wird Judith Butler ihren Preis erhalten. Ohne Anwesenheit der jüdischen Autoritäten. Sie kommen sich im Augenblich sehr sittenstreng und aufrecht vor. Wer weiß, wie lange ?

OTKM Filmabend: "Die eiserne Mauer"

Am Samstag, den 28. Juli 2012 zeigt das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung (OTKM) im Linken Zentrum Lilo Herrmann, um 19 Uhr den Film "Die eiserne Mauer". Vor dem Film wird es einen kleinen Input geben und nach dem Film wird Raum für Diskussionen sein.

Um 20 Uhr ist dann, wie jeden Samstag im Linken Zentrum Lilo Herrmann, VOKÜ. Dort kann bei leckerem veganem Essen weiter diskutiert und das eine oder andere gekühlte Getränk zu sich genommen werden.

Zum Film:

Die israelische Politik der Hauszerstörung stellt eines der ersten Symptome der israelischen Militärbesatzung dar. Sogar im Herzen Jerusalems sind Wohngebiete zerstört. Dort wo sich heute der Platz vor der Klagemauer erstreckt, standen einmal 350 palästinensische Häuser. Schon wenige Stunden nach Kriegsende 1967 ließ Israel das dortige Mughrabi-Viertel abreißen. Anfang der 1970er Jahre sind unter der Verantwortung von Ariel Scharon etwa 2000 Häuser in Flüchtlingslagern des Gaza-Streifens zerstört worden. In Rafah, ebenfalls im Gaza-Streifen, wurden 2004 auf einen Schlag 1500 Häuser zerstört. Der jüdisch-israelische Friedensaktivist Jeff Halper und emeritierte Professor, heute Chef des „Israelischen Komitees gegen Hauszerstörung“ (ICAHD), sagt dazu: „ Etwa 95 Prozent der Hauszerstörungen haben nichts mit „Sicherheit“ zu tun, wir sollten neue Wege des Friedens und Zusammenlebens vereinbaren“.


Reu und Leid als Erinnerungswürze

"München 1970" trägt nichts zur Analyse bei.

M. Hafner drehte einen Film über die Anschläge in München 1970 gegen Juden in einem Altersheim und ein Flugzeug Richtung Tel Aviv. Daran zu erinnern wäre verdienstvoll gewesen, wenn die Darstellung nicht in den eigenen Erinnerungsfluten des Autors gurgelnd ersoffen wären.

Und dem inzwischen verbreiteten Bedürfnis Reu und Leid zu zeigen für alles, was man politisch je erkannt hat. So wird die Auflehnung gegen das Verbrechen des amerikanischen Vietnamkriegs als unverständliche Jugendtorheit hingestellt. Das Gegenbild zum jugendlichen Naivling muss dann sein Onkel abliefern, der als Journalist an Ort und Stelle nüchtern berichtet. Allerdings zur Einschätzung des Krieges gar nichts beiträgt.

Und so geht es weiter. Bei USA-SA-SS will der Reuige schon damals geschwiegen haben. Nach dem Sechs-Tage-Krieg könnte er Sympathie für die besiegten Palästinenser empfunden haben. Die verschwand dann wieder. Warum? Das wurde nirgends erklärt.

Der antiimperialistische Ansatz selbst eines Kunzelmann wurde mit keinem Wort erörtert.

Geschweige denn aus dem besseren Wissen nach vierzig Jahren bewertet.Tatsächlich lässt sich das, was Lenin noch unmittelbar einleuchtete, nicht mehr buchstabengetreu nachvollziehen. Dass nämlich Verselbständigung eines unterdrückten und zersprengten Volks zur NATION ein notwendiger und bestimmender Schritt zur Revolution sein müsse. Man schaue sich nur die Entstehung einer Missgeburt wie die des selbständigen KOSOVO an. Was hat sich an der Gesamtlage der Leute gebessert, die heute dort wohnen? So etwas hätte zumindest zur Diskussion gestellt werden müssen.

Wenn der Filmautor einmal gerade nicht in eigenen Jugendtagen schwelgt, ergeht er sich in Verdächtigungen gegen Kunzelmann und diejenigen um ihn,die er gnadenlos zu seiner Truppe erklärt. Besonders grotesk seine - mitgedachten - Anwürfe gegen Fritz Teufel. Der hatte im Interview erklärt, wenn er wieder in den Knast müsse, dann sicher nicht wegen "so wenig" wie bisher. Es bleibt unserem Generalankläger vorbehalten, das als Vorankündigung der Beteiligung an Attentaten der geschilderten Art zu deuten. Ein Mann, der später Monate im Knast verbrachte, um erst nach langer Zeit mit einem unwiderlegbaren Alibi aufzuwarten, hatte wohl noch ein paar andere Kampfmittel in petto als die von Hafner unterstellten. Wer so etwas unternimmt,nur um unsere Justiz in ihrer Leichtgläubigkeit bloßzustellen, der hat nicht nur Pulver und Dynamit im Kopf. Sondern ein bißchen mehr.

Ergebnis: Bloße Erinnerung kann Analyse nicht ersetzen. Vor allem in diesem Fall, wo der Film im zweiten Teil immer unverhüllter sich dem mainstream angesellt, nach dem die Studentenbewegung nach 1968 schon all den sündigen Meinungen und Leidenschaften erlegen sei, die später zu München 1972,ja zum Hochhausfall des September 2001 geführt haben.

PS: Götz Aly ließ die günstige Gelegenheit nicht ruhen. Er kramte aus seinem Schatz von Archivalien einen Verfassungsschutzbericht von 1970, der berichtete, dass der SDS in Frankfurt sich gegen den Anschlag in München ausgesprochen habe - "entsetzt". Statt sich aber über diese Meinung zu freuen, die seiner jetzigen wohl entspricht, schließt er zielgenau: Also müssen die in Frankfurt wohl vom Tatbeitrag der Münchener Genossen gewusst haben. Götz Aly vergisst dabei nur, dass ganz ohne persönliche Bekanntschaft die Diskussion über Antizionismus als Antisemitismus damals ziemlich so verbreitet war wie heute auch.

Israel vs. Iran - Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat

Es ist ein wenig wie in dem Märchen Des Kaisers neue Kleider[1], in dem ein Kind das ausspricht, was eigentlich alle wissen, aber aus untertänigem Gehorsam gegenüber dem Monarchen und aus Staatsräson verschweigen: Der Kaiser ist nackt. Was im Märchen das Kind aus infantiler Unbedarftheit tut, macht in unserem Fall der gealterte Schriftsteller. Und so wie Franz Kafkas "Mann vom Lande"[2] nach lebenslangem Warten vor dem Gesetz wieder "kindisch" (=natürlich unbefangen) wird, nachdem er endlich den "Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht"[3], gesehen hat und ihm schlussendlich die entscheidende Einsicht gewährt wird, so schreibt Günter Grass mit "letzter Tinte"[4], was offensichtlich ist: Der Iran hat keine Atombombe.

Kriegslüge auf Vorrat

Vor einigen Wochen schrieb das Online-Satire-Magazin Der Postillion: "Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe[n] zu stehen."[5] Der Artikel des Satire-Magazins, das in diesem Fall durch den Nachweis entsprechender Medienmeldungen ungewollt seriös war, traf exakt ins Schwarze, was das Topos "Iran und Atombombe" anbelangt. Dabei wird seit zwei Jahrzehnten seitens der Konzernpresse mit folgenden Setzungen gearbeitet: Erstens, der Iran sei generell eine zutiefst vitale Gefahr für den Frieden in der Region. Zweitens, der Iran stelle insbesondere durch Unterstützung von Terroristen eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Und schließlich drittens, der Iran strebe die Vernichtung Israels an. Dabei fußt die letzte Behauptung auf einer falsch übersetzten Rede des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, die eigentlich längst von den Öffentlich-Rechtlichen Sendern zurückgenommen und zum Beispiel von der Süddeutschen Zeitung wie folgt richtiggestellt wurde. "Die Vernichtungsphantasien, die Iran unterstellt werden, gehen auf einen einzigen Satz zurück: 'Israel must be wiped off the map.' […] Ahmadinedschad sagte jedoch wörtlich: 'in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.' Das bedeutet: 'Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden.' Oder, weniger blumig ausgedrückt: 'Das Besatzerregime muss Geschichte werden.' Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden."[6] Doch wie die Mär von der angeblichen iranischen Atombombe hält sich auch diese Behauptung, die letztlich als bewusste Verleumdung fungiert, um zukünftig einen Waffengang zu rechtfertigen – gleichsam eine Kriegslüge auf Vorrat.

Einmal davon abgesehen, dass der Iran seit Jahrhunderten kein anderes Land überfallen oder einen Krieg begonnen hat, was man vom wichtigsten Verbündeten des Westens in dieser Region oder von den NATO-Ländern selbst nicht behaupten kann, erstaunt dann doch die Hartnäckigkeit, mit der sich diese Propagandalüge seit zwei Jahrzehnten hält. Das Politikmagazin FOCUS behauptete zum Beispiel bereits 1993: der "Iran hat die Atombombe"[7]. Es musste erst ein gealterter Schriftsteller und kurz zuvor ein Satire-Magazin kommen, um darauf hinzuweisen, wie lange schon mit entsprechenden Setzungen gearbeitet wird …

CIA: Keine Beweise für iranische Atombombe

Eigentlich weiß alle Welt, dass im Iran die Existenz nicht einer einzigen Atombombe nachgewiesen ist. Die US-Geheimdienste meldeten bereits 2007, der Iran habe 2003 sein militärisches Atomprogramm eingestellt. So schrieb DER SPIEGEL: "Die US-Geheimdienste haben ein neues Dossier zum Iran-Konflikt veröffentlicht: Das Atomprogramm wurde demnach schon 2003 gestoppt, die Bedrohung ist geringer als gedacht. Für die Regierung Bush ein heikler Bericht - sie wies prompt zurück, die Gefahr aufgebauscht zu haben."[8] Abermals wurde diese Einschätzung vor einigen Wochen erneuert, als sich alle US-Dienste in einer gemeinsamen Analyse darauf verständigten, dass der Iran nicht nur keine Atombombe habe, sondern außerdem gar nicht nach dieser strebe. Die New York Times[9] sowie verschiedene Medien hierzulande berichteten darüber, wie etwa der FOCUS: "Atomwaffen aus Teheran: Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe."[10] Natürlich kam dies dem israelischen Premierminister Netanjahu, der kurz danach zu AIPAC[11] und Präsident Obama in die USA reiste, um für den kommenden Krieg die Trommeln zu rühren und von Obama den Persilschein für einen "Militärschlag" zu bekommen, so gar nicht zu pass. In offiziellen Verlautbarungen wurde die Geheimdienst-Analyse weitgehend übergangen, denn diese widerstrebt selbstverständlich dem Konzept der gezielten Eskalation des Konflikts.

Doppelte Standards des Westens

Aktuell geht es nicht primär um die Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, um die vermutete Berechenbarkeit politischer Akteure oder um die innenpolitischen Verhältnisse, dazu, wie prekär diese sind, gibt es eine Menge an Studien und Verlautbarungen. Vielmehr geht es Grass darum, vor der akuten Kriegsgefahr zu warnen, angesichts derer die Frage von Menschenrechtsverletzungen wegen des Risikos einer atomaren Verstrahlung bei Bombardierungen von Atomanlagen bzw. beim Einsatz von Atomwaffen zwangsläufig in den Hintergrund tritt. Denn wenn die atomare Verstrahlung bzw. Vernichtung einer ganzen Region droht, sind Fragen von sexueller Selbstbestimmung und demokratischer Mitbestimmung zwangsläufig sekundär. Nur so viel: Wenn man etwa das politische System der beiden größten Akteure der Region - Saudi-Arabien und Iran - miteinander vergleicht, so kann man das eine System als feudal-absolutistische Monarchie und das andere als semidemokratische Theokratie bezeichnen. Zwar wurde rund ein Drittel der Kandidaten bei den Parlamentswahlen Anfang März im Iran vom sog. Wächterrat nicht zugelassen, gleichwohl bewarben sich für 290 Parlamentssitze weit über 3000 Kandidaten – der Iran ist also mitnichten eine monolithische Mullah-Diktatur, sondern kann am ehesten mit halbdemokratisch charakterisiert werden. In Saudi-Arabien hingegen (wie auch in fast allen Golfstaaten) finden überhaupt keine Wahlen statt. Dass Iran und Saudi-Arabien laut Amnesty International die Menschen- und Frauenrechte verletzten, ist evident, in beiden Staaten existiert übrigens auch die Todesstrafe. Im Iran wird sie allerdings (gemessen an der Bevölkerungszahl) in den vergangenen Jahren leider wieder häufiger verhängt. Laut den aktuellen Jahresberichten von Amnesty International sitzen übrigens auch in den USA rund 3200 Menschen nach entsprechenden Urteilen in sog. Todeszellen, während erst in 16 von 50 Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft wurde. Nur in den USA und in vier kleineren Ländern in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika wird die Todesstrafe überhaupt noch verhängt. Woran misst sich eigentlich zivilisatorischer Fortschritt und warum stellen die Politiker der Allparteienkoalition von CSU bis GRÜNE etwa vor einigen Tagen im Bundestag die Todesstrafe in Weißrussland an den Pranger und schweigen zu den USA? Aus eben demselben Grund heraus, aus dem sie eine rein fiktive Atombombe des Iran dramatisieren, die ca. 100-200 realen Atombomben Israels ignorieren und sogar mit der Lieferung von deutschen U-Booten deren Einsatz erst ermöglichen: Doppelte Standards zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen.

Der Amis Liebling: Saudi-Arabien

Während dem Iran gegenüber durch die USA und Israel offen mit Krieg bzw. sog. Militärschlägen gedroht wird, erfreut sich Saudi-Arabien einer tiefen Zuneigung westlicher Regierungen. Diese äußert sich zuletzt darin, dass die USA gleich 84 Kampfjets im Wert von 30 Mrd. US-Dollar an Saudi-Arabien liefern werden[12]. Schlagzeilen machten im letzten Sommer ferner die geplante Lieferung von 200 deutschen Panzern nach Saudi-Arabien, wobei die Bundesregierung nach wie vor die Auskunft darüber verweigert, wann der Deal erfolgen soll bzw. sollte[13]. Des Weiteren bilden Bundespolizisten saudi-arabische Grenzschützer aus, beziehen dafür weiterhin aus Steuergeldern ihre Grundgehälter und bekommen zusätzlich vom Rüstungskonzern EADS sog. Trainingshonorare für ihren Auslandseinsatz.[14] Wohlgemerkt geschieht all dies in einem Land, das so sehr hochgerüstet ist, wie kein anderes am Persischen Golf, das von einem Despoten beherrscht wird, der nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Bahrain Demokratiebewegungen blutig unterdrückt und zu dessen kulturellen Gepflogenheiten es gehört, am Freitag nach dem Moscheebesuch den öffentlichen Enthauptungen beizuwohnen.

Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"

Zu den unterstellten Vernichtungsabsichten des Iran gegenüber Israel schreibt Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V. in ihrer bemerkenswerten Stellungnahme zum Grass-Gedicht: "Der Wunsch der im Iran Herrschenden, dass das 'zionistische Regime' verschwinden möge, hat seine genaue Entsprechung im Wunsch der USA und Israels, dass das 'islamistische Mullah-Regime' verschwinden möge. Unsere Medien und Politiker verteufeln das eine als "Vernichtungsdrohung gegen die Bevölkerung' und spielen das andere als 'berechtigte Forderung' herunter."[15] Tatsächlich wird bis heute die falsche Übersetzung des Zitats von Ahmadinedschad, den man sicher als "politisch pathologisch" bezeichnen kann, als Rechtfertigung für einen geplanten Militärschlag oder Krieg gegen den Iran verwandt. Das Verdikt Irr- und Wahnsinn könnte man mit einiger Berechtigung auch auf George W. Bush (z.B. wegen des Irak-Krieges mit der Lüge der Massenvernichtungswaffen) oder auf Richard Nixon (geplanter Atombomben-Einsatz in Vietnam) und eine Vielzahl anderer Politiker anwenden. Nur die schiere Unterstellung, dass jemand etwas tun könnte, zu dem er wie im Falle des iranischen Präsidenten weder die Instrumente, noch laut US-Geheimdiensten den ernsthaften Vorsatz hat, stellt weder im Strafrecht noch im Völkerrecht einen Grund dar, jemanden sozusagen prophylaktisch ("präemptiv") aus dem Amt zu bomben.

Völkerrecht vs. Angriffsdrohungen

Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, auf einer Demonstration gegen die sog. "Münchener Sicherheitskonferenz"
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Der Iran hat im Gegensatz zu Israel den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, was ihm die zivile Nutzung der Atomenergie ausdrücklich erlaubt. Man mag zur Atomtechnologie stehen wie man will und - wie ich selbst - sowohl deren militärische als auch sog. zivile Nutzung ablehnen. Aber dagegen, dass der Iran im September vorletzten Jahres in Bushehr ein Atomkraftwerk in Betrieb nahm, ist nach dem Atomwaffensperrvertrag nichts einzuwenden. Sehr wohl jedoch stellt es einen Bruch des Völkerrechts dar, wenn Israel allein deshalb einen Luftangriff androht[16], denn auch die Androhung militärischer Mittel ist durch die UN-Charta geahndet. DIE LINKE hingegen bezieht sich in ihrem neuen Programm positiv auf das Völkerrecht: "Die LINKE erachtet als internationalistische Partei das Völkerrecht und die Vereinten Nation als wichtigste Institutionen für die friedliche Verständigung zwischen den Staaten und Gesellschaften der Erde."[17] Daher unterstützt DIE LINKE ausdrücklich Günter Grass, wenn er vor der Gefährdung des Weltfriedens warnt, wie es Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, gegenüber der Tageschau zum Ausdruck gebracht hat. Ein gerechter Frieden in Nahost kann nur durch einen Interessensausgleich stattfinden, den alle Akteure auf einer Augenhöhe aushandeln und nicht durch eine atomare Hegemonie einer Seite, die alle anderen Akteure bedroht. Daher ist an dieser Stelle sogar Guido Westerwelle beizupflichten, der in der aktuellen Diskussion tatsächlich doch meinte: "Eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und mittleren Osten ist und bleibt das Ziel der Bundesregierung."[18] Ein Forschritt wäre es sicherlich, wenn die Bundesregierung ihre Nahostpolitik nach dieser Prämisse auch wirklich ausrichten würde ...

Anmerkungen

[1] Hans Christian Andersen: Märchen von Hans Christian Andersen. München 1938. S. 89-93 (Online im Projekt Gutenberg)

[2] Franz Kafka: Gesammelte Werke. Bd. Der Prozeß. Frankfurt am Main 1983. S. 182ff. Vgl. dazu auch: Das Gesetz Kafkas - Zu "Vor dem Gesetz" - Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis;

[3] Ebd..

[4] Günter Grass: Was gesagt werden muss, 04.04.2012 (Süddeutsche Zeitung)

[5] Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe zu stehen, 30.01.2012 (Der Postillion)

[6] Umstrittenes Zitat von Ahmadinedschad - Der iranische Schlüsselsatz, 26.03.2008 (Süddeutsche Zeitung)

[7] Der Iran hat die Atombombe, 25.01.1993 (FOCUS Nr. 4/1993)

[8] US-Geheimdienste relativieren Gefahr durch Iran, 03.12.2007 (SPIEGEL Online)

[9] U.S. Agencies See No Move by Iran to Build a Bomb, 24.02.2012 (New York Times)

[10] Atomwaffen aus Teheran - Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe, 25.02.2012 (FOCUS Online)

[11] Klartext: AIPAC – die Pro-Israel-Lobby der USA, 08.03.2012, (junge Welt)

[12] USA liefern 84 Kampfjets an Saudi-Arabien, 29.12.2011 (Tageschau)

[13] Kampagne: Saudi-Panzer stoppen, 01.12.2011, (Blog Direkte Aktion)

[14] Bundespolizei in Saudi-Arabien: Hart an der Grenze, 14.07.2011 (Süddeutsche Zeitung)

[15] Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.: Stellungnahme zum Gedicht von Günter Grass, 05.04.2012 (Homepage)

[16] 'Israel has days to strike Bushehr', 17.08.2010, (Jerusalem Post)

[17] Programm der Partei DIE LINKE, Beschluss der 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei DIE LINKE am 21. Bis 23. Oktober 2011, Erfurt S. 47.

[18] Westerwelle zitiert in: Günter Grass liegt daneben, 05.04.2012 (Welt Online)



Erstveröffentlichung 7.4.2012 bei Uwe-Jürgen Ness: Israel vs. Iran. Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat
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