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Regierungsviertel umzingeln!

Gegen die Mehrheit der Bevölkerung hält die Bundesregierung an ihren Atomplänen fest. Sie will die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern –“ und den Bundestag möglicherweise noch im September darüber entscheiden lassen.


Broder - der hartmäuligste in der Karawane

“Ist über eine Sache endlich Gras gewachsen, kommt sicher ein Kamel und frisst es ab–. Selbst im SPIEGEL haben sie es inzwischen gemerkt. Nachdem sie erst zu Sarrazins Tischlein-Deck-Dich freigiebig eingeladen hatten, ist ihnen in der letzten Nummer doch noch eingefallen, dass es vielleicht gar kein Intelligenz-Gen gibt, vor allem keines, das bestimmten Volksgruppen exklusiv zugeteilt wäre. Der Reiz Sarrazins besteht in seiner bedenkenlosen Inkonsequenz: Alles, was er so vorbringt, wenn der Tag lang ist, darf nach Belieben entweder als erblich angeboren und damit relativ unveränderlich- oder als angelernt und demnach veränderlich angesehen werden. Insofern ist immer für jeden ein Schüsselchen gedeckt.

Kaum war das soweit bereinigt, blieb es dem bekannten Großkritiker Broder vorbehalten, genau den Unterschied zwischen “angeboren– und “angelernt– wieder zuzuschütten. Ist doch ganz egal, was man sagt, Hauptsache, es ist bequem! –Wir bewundern die Spanier für ihr Temperament, die Engländer für ihre Gelassenheit und machen Witze über den Geiz der Schotten. Es sind Klischees, aber sie haben ihren Charme und erleichtern die Orientierung–(SPIEGEL Nr.36/S.163 unter der Überschrift –Thilo und die Gene–).

Als Beispiel für eine selbstverständliche - als wahr anzusehende - Behauptung erwähnt der kritische Kopf, “muss auch die Frage erlaubt sein,warum Juden- von Ausnahmen abgesehen- schlechte Sportler und gute Schachspieler sind– (ebd,S.163).

Früher hatten sie im SPIEGEL ein sehr gutes Archiv mit Kontrolleuren, die angeblich jede Sachbehauptung überprüften. Die scheinen inzwischen eingespart. Sonst hätten sie Broder darauf aufmerksam gemacht, dass es seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die jüdischen Sportwettkämpfe, Makkabiade genannt, gegeben hat mit regem Zuspruch. Auch wären die bekannten militärischen Erfolge Israels kaum erklärlich, wenn das Unsportliche dort immer noch die Regel wäre.

Erinnert sei der gewissenhafte Historiker des Festhaltens am Klischee auch an den Kampf jüdischer Organisationen während der ganzen Zeit der Weimarer Republik. Es ging um die Frage, wie viel Tote die jüdischen Soldaten aufzuweisen gehabt hätten - gemessen an ihrem prozentualen Anteil an der Einwohnerzahl Deutschland. So ein Wetteifer kommt einem nachträglich komisch bis peinlich vor; damals kam er aus Notwehr gegen die damaligen deutschnationalen Liebhaber des “Klischees–, Juden seien von Natur aus Feiglinge und Drückeberger - mit entsprechenden Folgerungen.

Welchen weiteren Klischees über Eigenheiten der Juden ein bedenkenloser Schwätzer Tür und Tor öffnet mit seinem Erlaubnisschein für das “Klischee–, muss nicht weiter ausgeführt werden. Es sind genau die Behauptungen, gegen welche sich Broders “Achse des Guten– - dieses eine Mal mit Recht - erbittert wenden würde und müsste.

Am Ende seiner Eröffnungen überbietet Broder Sarrazin um einiges. Er schüttet den Trog Jauche, den er stets in Vorrat hält, aus über die ganze Religion des Islam. Es muss wohl sein, um vor aller Welt den markigen Kerl zu markieren, der “Unbequemes offen ausspricht–.

Broder mag an der ihm von Sarrazin freundlich zugedachten angeborenen Intelligenz durchaus teilhaben. Geltungssucht und der Hang zur Angeberei hindern ihn immer öfter, diese Intelligenz produktiv einzusetzen. Und zwar ihn als langjährig zu studierende und bekannte Einzelperson, ohne weitere Schlussfolgerungen aufs Angeborene oder Antrainierte.

Sarrazin als Mauerbrecher ist unangenehm, aber auch auffällig ungeschickt. Zum Parteiführer wird es nicht reichen. Wirklich Abscheu erregend ist die Heerschar, die durch die Bresche nachkriecht, und - unter mehr oder weniger strenger Absetzung vom Vorbild - dieses überbietet.

Parkschützer beenden Probebohrungen für Stuttgart 21

Das BSK in Aktion
Heute Morgen um 6:30 wurde die S21 Baustelle einer Tiefenbohrung im Schlosspark vom "BSK 21" (Baustopkommando 21) besetzt, aufgeräumt und das Baumaterial eingepackt.

Die Stuttgarter Polizei war nach etwa 20 Minuten vor Ort, das SEK läßt nach wie vor auf sich warten. Dazu eine
Pressemitteilung via Bei Abriss Aufstand:


Stuttgart, 9. September 2010: Aktivisten der Parkschützer demontieren heute den Bauzaun um ein Bohrgerät im Oberen Schlossgarten. Außerdem verpacken sie das Bohrgerät mit Folie und bereiten es damit für den Abtransport vor. Sie tragen Warnwesten mit der Aufschrift „BSK 21 –“ Ihr Baustoppkommando“, auf ihrem 3 m breiten Banner steht „Finger weg vom Mineralwasser –“ Bohrungen stoppen!“ Mit dieser Aktion beenden die Parkschützer symbolisch die Probebohrungen, welche die Bahn AG derzeit für das geplante Grundwassermanagement durchführen lässt. Im Rahmen der Bauarbeiten für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 soll das Grundwasser auf der einen Seite der Baugrube abgepumpt werden, im Bereich des ehemaligen Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) gereinigt und anschließend auf der anderen Seite der Baugrube wieder in den Boden gepresst werden. Die Probebohrungen sind vorbereitende Schritte für diese Grundwasserabsenkung, unter welcher zahlreiche Bäume in der weiteren Umgebung des Schlossgartens leiden würden, die Stuttgarter Mineralquellen wären massiv bedroht.

„Wasser ist ein sehr wertvolles Gut. Woanders werden Kriege um Wasser geführt und hier in Stuttgart gefährden Bahn und Politik achtlos unsere Mineralquellen. Das ist im höchsten Maß verantwortungslos“, begründet Parkschützer Carsten Bisanz die Aktion. „Die Grundwasserabsenkung stellt einen erheblichen Eingriff in den Stuttgarter Wasserhaushalt dar, doch alle Warnrufe der Experten werden seit Jahren missachtet. Daher sehen wir uns heute gezwungen, die Stuttgarter Mineralquellen mit einer direkten Aktion vor der weiteren Gefährdung zu bewahren und die Probebohrungen selbst zu beenden.“

Stuttgart ist nach Budapest die Stadt mit dem größten Aufkommen an Mineralquellen in Europa. Das Mineralwasser verläuft unter dem Stadtgebiet, nicht sehr tief in nordöstlicher Richtung. Da das Einsickerungsgebiet höher liegt, steht das Mineralwasser unter starkem Druck. Eine über dem Verlauf des Mineralwassers liegende schützende Schicht verhindert, dass es an der Oberfläche austritt. „Hier ist zu berücksichtigen, dass durch die Lage des Tiefbahnhofs in die das Mineralwasser schützende Schicht eingegriffen wird“ (Planfeststellungsbeschluss PFB). „Es ist nachgewiesen, dass die Mineralwasser führenden Schichten in einer hydraulischen Verbindung zu den höheren Grundwasserschichten stehen“ (PFB), die sich aber im Gleichgewichtszustand nicht vermischen. Um die Baugrube trocken zu halten, muss jedoch der Grundwasserspiegel abgesenkt werden, wodurch das sensible Gleichgewicht gestört wird. Es kann also sein, dass „das unter Druck stehende Mineralwasser in andere geologische Schichten aufsteigt und dann dem Zustrom der Quellen in Bad Cannstatt und Berg fehlt“ (PFB).

Dieses Gleichgewicht wird ebenfalls gestört, wenn das abgepumpte Grundwasser an anderer Stelle wieder in das Grundwasser eingeleitet wird. „Die Nutzung der Heil- und Mineralquellen in den Bädern Berg und Bad Cannstatt könnte deshalb durch schadstoffhaltige Baustoffe und verunreinigte Infiltrationswässer qualitativ beeinträchtigt werden“ (PFB). Die Reinigung des wieder eingeleiteten Grundwassers macht Reinigungsanlagen erforderlich, „die teilweise sogar über den derzeitigen Stand der Technik hinausgehen“ (PFB).

Vortrag von Ernst Klee "Die Innere Mission und die NS-Behindertenmorde"

Vortrag von Ernst Klee "Die Innere Mission und die NS-Behindertenmorde"

Freitag, 10. September 2010
20 Uhr
"La Salle" im Schloss Stetten
Stetten im Remstal (Gemeinde Kernen)

Der Kranken- und Behindertenmord, schönfärberisch mit dem griechischen Wort "Euthanasie" (für "sanfter Tod") umschrieben, ist das nationalsozialistische Verbrechen, aus dem sich die nachfolgenden Gräueltaten entwickelten: Hier werden erstmals Gaswagen und Gaskammern eingesetzt, hier beginnt der Holocaust mit der Ermordung aller in Anstalten lebenden Juden, hier erfolgen die ersten Massentötungen von KZ-Häftlingen in den Gaskammern der "Euthanasie"-Anstalten, hier werden die Funktionäre für die späteren Vernichtungslager geschult.

Die fast vollständige Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen ist ein weltweit einmaliges Verbrechen. Gleichwohl sind die Opfer - die zwangsweise Sterilisierten wie die ermordeten PatientInnen - bis heute gesetzlich nicht als NS-Verfolgte anerkannt.

In seinem Vortrag berichtet Ernst Klee über die Rolle evangelischer Einrichtungen (wie die Innere Mission, zu der die damalige Anstalt Stetten gehörte) bei der Sterilisierung und Ermordung Behinderter und seine Erfahrungen bei der Aufarbeitung der Vergangenheit.

Ernst Klee, Jahrgang 1942, lebt in Frankfurt am Main und hat in den 1970er Jahren mit seinem Engagement und dem Buch Behindertenreport die bundesdeutsche Behindertenbewegung revolutioniert. 1983 veröffentlichte er das bahnbrechende Buch zu den NS-Kranken- und Behindertenmorden, das im November 2010 unter dem Titel "Euthanasie" im Dritten Reich. Die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" neu erscheinen wird.

Eintritt: 5 Euro

Stetten ist mit öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar: S2 oder S3 bis Waiblingen oder Fellbach oder U1 bis Fellbach. Anschließend weiter mit Bus 211 oder 212 (Fa. Schlienz) bis Stetten, Haltestelle "Diakonie". Der letzte Bus von Stetten zurück Richtung Waiblingen/Fellbach (Stuttgart) fährt um 23.10 Uhr.

Veranstaltung zur aktuellen Situation in Kurdistan, Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes und zur Repression gegen kurdische AktivistInnen in der BRD

In Kurdistan herrscht Krieg. Geführt wird dieser Krieg auch mit Waffen und finanzieller Unterstützung aus Deutschland. Am 1. September 2010, dem Weltfriedenstag, fanden deshalb in 12 deutschen Städten Aktionen der Kampagne "Tatort Kurdistan" statt, getragen von einem Bündnis aus friedenspolitischen und antifaschistischen Gruppen, Parteien und kurdischen Vereinen. In Berlin wurde im Rahmen eines kostenlosen OpenAir Konzertes mit Kundgebung gegen deutsche Waffenlieferungen in die Türkei protestiert.

In Stuttgart gibt es in dem Zusammenhang eine Veranstaltung zur aktuellen Situation in Kurdistan, den Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes und zur Repression gegen kurdische AktivistInnen in der BRD

Am 9. September, 19:00 Uhr, Linkes Zentrum Lilo Herrmann (Böblingerstr. 105, 70199 Stuttgart, U1 und U14 Haltestelle Schreiberstraße)

In der Veranstaltung mit Brigitte Kiechle (Rechtsanwältin und Publizistin) wird es um die aktuelle Situation in Kurdistan, die Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes und um die Repression gegen kurdische AktivistInnen in der BRD gehen.

Am 1. September findet eine bundesweiter Aktionstag unter dem Motto "TATORT Kurdistan" statt. In vielen Städten werden daher Protestaktionen gegen die deutsche Unterstützung für den Krieg in Kurdistan organisiert. Dabei soll es darum gehen, ein deutliches Zeichen des Protestes gegen deutsche Rüstungsexporte in die Türkei zu setzen und für eine politische Lösung der "kurdischen Frage" auf die Straße zu gehen. Außerdem soll sich der Tag gegen staatliche Repression und Abschiebungen kurdischer AktivistInnen in der BRD richten.

Seit Frühjahr dieses Jahres eskaliert die Situation in den kurdischen Gebieten der Türkei. Die militärischen Operationen befinden sich auf einem neuen Höhepunkt. Die Initiative der türkischen Regierung, die sogenannte "demokratische Öffnung" zur Lösung der kurdischen Frage, bewies sich als Lippenbekenntnis. Die pro-kurdische Partei DTP wurde im Dezember 2009 verboten, die seit April 2009 andauernde Verhaftungswelle reißt nicht ab. Morde an politischen AktivistInnen, Dorfverbrennungen und Vergewaltigungen stehen wieder auf der Tagesordnung. Unter diesem schmutzigen Krieg und den Menschnrechtsverletzungen des türkischen Staates leidet vor allem die dortige Zivilbevölkerung und selbst Kinder bleiben davon nicht verschont: über 4000 Minderjährige sitzen aktuell in türkischen Gefängnissen.

An diesem Krieg ist jedoch nicht nur die Türkei beteiligt: Während in der Region Kurdistan seit Jahrzehnten Widerstand geleistet wird, ziehen deutsche Unternehmen und die Regierung in Form von Rüstungsexporten oder der Finanzierung von in der Bevölkerung ungeliebten Bauprojekten nahezu unbehelligt ihre Profite aus diesem Krieg. Auch arbeitet die Bundesregierung mit der türkischen Regierung zusammen, wenn es um Auslieferungsanträge und daraus resultierende Abschiebungen kurdischer Flüchtlinge geht. Und auch die BRD selbst wird die kurdische Linke mit dem seit 1993 geltenden PKK-Verbot für ihre politische Tätigkeit kriminalisiert.

Keine Waffenlieferungen in die Türkei und weltweit!

Stoppt den Krieg in Kurdistan! Auf die Straße für Frieden und Freiheit!

Gegen Krieg und Unterdrückung - Hoch die internationale Solidarität!

UnterstützerInnen:

Mesopotamischer Kulturverein Stuttgart e.V.

Revolutionäre Aktion Stuttgart

Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart

Kampagne TATORT Kurdistan


Von Rüstungsexporten, Kreditvergaben bis hin zu Giftgas und anderen Aktivitäten deutscher Unternehmen in Kurdistan

Der Kampagne "TATORT Kurdistan" geht es darum, die Rolle deutscher Unternehmen und der deutschen Regierung im Krieg in Kurdistan deutlich zu machen. Thematisiert werden z.B. Rüstungsexporte, Abschiebungen von Flüchtlingen, oder Investitionen in Energieprojekte. Ziel der Kampagne ist es darüber hinaus, sowohl die Kriegssituation in Kurdistan nach jahrelangem Schweigen wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, als auch verschiedene Akteure antimilitaristischer linker Politik zu diesem Thema zusammenzubringen.

Auf der Seite www.tatort-kurdistan.blog.de sind Hintergrundinformationen zur deutschen Beteiligung an Rüstungsexporten, sogenannten Infrastrukturprojekten, am Giftgasangriff in Halabja, zur Situation kurdischer Flüchtlinge in Deutschland und zur Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung

Nach Merkels Vertragsbruch: Verschiebung der Fronten!

Merkel möchte vor allem Ruhe einziehen lassen. Ihre Unterwerfung unter die Ansprüche der Energie-Monopole soll Überleben sichern. Wenigstens noch drei Jahre. Mit ihrer jetzigen Imitation der Machtsprüche eines Schröder hat Merkel einen Schritt getan, den sie bald bereuen wird, aber nicht leicht wieder zurücknehmen kann. Schon der erste Vertrag zugunsten der Energie-Monopole unter der Diktatur Schröder war gegen den Willen einer Mehrheit durchgedrückt worden. Immerhin konnten die Schröder / Trittin damals noch die Illusion verbreiten, mit diesem Vertrag sei Verlässlichkeit eingezogen für künftige Zeiten...

Dass die eiskalte Lügnerin, die bei uns das Kanzleramt wahrnimmt, für ihren neuesten Trick wieder gelogen hat, wird für sich allein niemand schocken. Ihre Behauptungen und die des Hilfsphantasten Brüderle über Arbeitsplätze, Strompreise und Versorgungsqualitäten erstaunten deshalb wenig. Wer schon einmal an der Besichtigung eines KKW teilgenommen hat, wird sich an fast menschenleere Katakomben erinnern. Energieproduktion verlangt weniger Einsatz lebendiger Arbeit als jede andere Produktion. Rührend die Sorge um den Strompreis. Monopolen muss man nicht sagen, wie sie die Gewinne erhöhen. KKW weiß es. Und die Versorgung der Aluminiumwerke mit Energie? Reden wir nicht davon. Die kriegen, was sie brauchen.

Neu an der gegenwärtigen Stufe der Vergewaltigung ist nicht die Lüge. Es ist der endgültige Verzicht auf die Theatralik der Gerechtigkeit. Viele hielten- mehr oder weniger aus Verzweiflung- immer noch an der Illusion fest, die gütige Landesmutter kümmert sich um alle. Das ist inzwischen vorbei. Jeder Vertragsbruch gilt ab jetzt als automatisch gerechtfertigt, wenn nur den großen Monopolen geopfert wird. Das Wort der jeweils letzten Bundesverwalter gilt nicht mehr. Änderungs-Schneiderei nach Bedarf.

Nur: Wer soll da auf die weitere Zukunft bauen? Warum nach der letzten Frist nicht wieder ändern? Wie Eon es nötig hat! Wie es RWE gefällt!

Damit greift Merkel bedenkenlos das letzte Fundament des heutigen Staatslebens an, das in bürgerlichen Kreisen noch trägt. Bürgerlich im eigentlichen Sinn ist vor allem eins: Vertrauen auf eine Sicherheit und Berechnung, die durch Gesetz und Vertrag verbürgt werden . Wird das verletzt, ist alles möglich.

Zwar haben die Atom-Werke ihre Angestellten wohl angetrieben, bei den Umfragen in ntv noch einmal Hurra zu brüllen. Aber das wird nicht vorhalten.

Merkel teilt offen mit: letzter Imperativ ist “deutscher Aufschwung– - das heißt die Zusammenfassung der Interessen der wichtigsten Monopole.

Damit bekennt sie zugleich in wünschenswerter Offenheit: Der Staat kennt keine bürgerlichen Einzelinteressen mehr. Er kennt nur noch die der Gesamtwirtschaft. In der gegebenen Situation: des Exports.

Damit werden auch solche niedergetrampelt, die ihren subjektiven Wünschen nach eigenheimhungrig, aufstiegsgeil und ruhebedürftig sein mögen. Nur: sie kriegen das nicht mehr, was sie begehren. Und finden keine Methode mehr heraus, das möglicherweise noch Erreichte zu sichern.

Bisher regten sich vor allem die Leute um Fessenheim oder Neckarwestheim wegen der Atomgefahr auf. Leute, die weiter weg lebten, konnten sich immer auf die Hoffnung zurückziehen: vielleicht bin ich schon tot vor dem nächsten Tschernobyl. Das geht nicht mehr, wenn die Grundlagen der Gesamtordnung aufs billigste verramscht werden. Insofern ist es nicht unmöglich, dass ganz andere Schichten - weit weg von der unmittelbaren Gefahr- in Bewegung kommen. Gerade solche, die bisher sich immer noch zur Nachtrabkompanie Merkels meldeten. Damit könnte es bald vorbei sein.

Es kommt eins hinzu: auch die Kunst des Lügens erschöpft sich. Allein Merkels Bild der “Brückentechnik– ist- genau betrachtet- hals-und beinbrecherisch. Brücke- ja- aber wohin? Nur wer die bescheidenste Ahnung vom anderen Ufer hat, kann sie betreten.

Brave Schülerinnen und Schüler erinnern sich noch an Christian Fürchtegott Gellert's Geschichte von Vater und Sohn. Der Sohn lügt her, er hätte eine Fabrik gesehen, größer als Papas Dorf. Der Vater drauf: Gibt überall erstaunliche Dinge. Die Brücke vor uns zum Beispiel hat die Eigenheit, dass unweigerlich diejenige sich dort das Bein bricht, die am selben Tag gelogen hat. Für eine Angela deswegen: Unbetretbar.

Die Fabel endet:

“Sie gingen noch ein gutes Stücke;
Der Merkel schlägt das Herz. Wie konnt es anders sein?
Denn niemand bricht doch gern ein Bein.
Sie sah nunmehr die richterische Brücke,
Und fühlte schon den Beinbruch halb.
.....
Die Brücke kömmt. Wie, Merkel, wird dirs gehen!
Der Vater geht voran; Angela hält geschwind.
»Ach Vater!«, spricht sie, »seid kein Kind,
Und glaubt, daß ich ein technisch Wunderwerk gesehen.
Denn kurz und gut, eh wir hinüber sind.
Das Werk strahlt eben so, wie alle : tödlich und blind.–


(Winzige Veränderungen an Gellert's Grundtext vorgenommen.)

Sind wir schon zu alt, um für unsere Lebenszeit Merkels Letztgeständnis erwarten zu dürfen? Abwahl allein wird dazu wohl noch nicht reichen.

Was mir heute wichtig erscheint #226

Schottern: "Der nächste Castor-Transport wird von Seiten der Anti-AKW-Bewegung in der ersten oder zweiten Novemberwoche erwartet, ein genauer Termin ist allerdings noch nicht bekannt. Mit der Aktion des “Schotterns– sollen von der Schienenstrecke viele Schottersteine entfernt werden, damit der Castor-Zug seinen Endbahnhof nicht erreichen kann. Mit dieser Aktion wollen in diesem Jahr viele Menschen den Schritt vom Protest zum Widerstand wagen." Beitrag im Blog von Robin Wood zu den Protesten gegen den nächsten Castor Transport.

Unilateral: Gestern erklärte die ETA (Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit), bereits seit Monaten auf bewaffnete Angriffe zu verzichten und machte damit unilateral und unbefristet eine Waffenruhe bekannt. Zur deutschsprachigen Übersetzung der Erklärung bei den Freunden des Baskenlandes

Antirepressionskongress:  Für den vom 08. bis 10. Oktober in Hamburg stattfindenden Antirepressionskongress konnten die Veranstalter "kritische WissenschaftlerInnen, Medienschaffende sowie VertreterInnen politischer Organisationen und sozialer Bewegungen aus den USA, Israel, Großbritannien, Österreich, der Schweiz und BRD gewinnen –“ u.a. den Historiker Moshe Zuckermann, den Journalisten Will Potter, den Philosophen Wolfgang Fritz Haug, den Friedensforscher Tobias Pflüger, den Politikwissenschaftler Georg Fülberth gewinnen. Sie werden in Vorträgen, Seminaren und einer Podiumsdiskussion den Zusammenhang zwischen Totalitarisierungstendenzen des globalisierten Kapitalismus, der sich zunehmend im autoritären Staat offenbarenden Klassenherrschaft, der wachsenden Herausbildung bellizistischer, xenophober u.a. Ideologeme und der rücksichtslosen Ausbeutung von Natur und Tieren erörtern. (...)" Beitrag aus der Graswurzelrevolution via RaceTheBreeze

Treckerfahren: Heute morgen gab es eine tolle Blockadeaktion am Nordflügel des Stuttgarter Bahnhofes: Mehrere Landwirte blockierten die Zufahrt zur Baustelle. In einer Presseerklärung stellen sie heraus: Der Widerstand ist auch auf dem Land angekommen! Ebenfalls bemerkenswert: Die Pfarrerin Guntrun Müller-Enßlin fordert die Kirche in einem offnen Brief auf, endlich Partei zu ergreifen und sich auf die Seite der Gegner des Projektes zu stellen. Inzwischen wurde noch ein zusaetzlicher großer Bagger auf die Baustelle gebracht. Daran zeigt sich der ehrliche Wille von Grube & Konsorten an einem Dialog mit den S21 GegnerInnen. Bis zu dem am Freitag geplanten Gespräch wird am Nordflügel wohl kaum noch ein Stein auf dem anderen stehen...

Unvollständig: Wie in jeder Woche haben einfach Übel und RedBlog wieder einen "unvollständigen Wochenrückblick" über die Entwicklung in Lateinamerika gemacht.

Daneben:
Der Herr hat bekanntlich genügend Hirn vom Himmel geworfen. Er hat nur leider nicht getroffen. Warum das nicht nur in Bayern so ist und sich Gedanken über das Auswandern zwangsläufig einstellen überlegt sich der Herr Preiselbauer.

Verständlich: Kurz-Klaus erklärt Sarrazzin.

Ungeduldig: "Wir haben lange genug analysiert und kritisiert. Wir haben genug gemahnt und gewarnt. Wir haben demonstriert und gefordert. Jetzt ist das eingetreten, was alle nicht anders erwartet haben. Es wird höchste Zeit, nicht länger in eine andere Richtung zu zeigen, sondern sie selbst zu ändern, nicht länger etwas –ºbesseres–¹ zu fordern, sondern selbst dafür zu sorgen, dass es eintritt. [...]" kompletter Text von Wolf Wetzel, der inzwischen als von Ronja Stern produziertes Video vorliegt.

Tatort: Der Kampagne "TATORT Kurdistan" geht es darum, die Rolle deutscher Unternehmen und der deutschen Regierung im Krieg in Kurdistan deutlich zu machen. Thematisiert werden z.B. Rüstungsexporte, Abschiebungen von Flüchtlingen, oder Investitionen in Energieprojekte. Ziel der Kampagne ist es darüber hinaus, sowohl die Kriegssituation in Kurdistan nach jahrelangem Schweigen wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, als auch verschiedene Akteure antimilitaristischer linker Politik zu diesem Thema zusammenzubringen. Auf der Seite www.tatort-kurdistan.blog.de sind Hintergrundinformationen zur deutschen Beteiligung an Rüstungsexporten, sogenannten Infrastrukturprojekten, am Giftgasangriff in Halabja, zur Situation kurdischer Flüchtlinge in Deutschland und zur Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung zu finden.

Abschalten: Die Spitzen von Union und FDP haben sich mit den verarmten Energiekonzernen auf längere Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke verständigt. "Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das neue Energiekonzept mit den längeren Atomlaufzeiten als “Revolution– bewertet. Es sei ein weitreichendes und umfassendes Konzept für die nächsten Jahrzehnte vereinbart worden, sagte sie am Montag in Berlin. “Unsere Energieversorgung wird damit die effizienteste und umweltverträglichste weltweit.–" Aus dem Anlass wiederholen sich die Blogrebellen.

Meinungsfreiheit: pantoffelpunk setzt sich mit  dem Boulevard Gen der “Man wird ja wohl noch sagen dürfen–-Kampagne der BILD Zeitung auseinander. Max Brym bei Scharf-Links ebenso wie Commander Shree stardust in der jungen Welt.

Behindert:  In Dortmund demonstrierten am 4. September über 10.000 Menschen gegen den sogenannten Nationalen Antikriegstag der Nazikameradschaften. Ungefähr 400 Nazis beteiligten sich an einer Kundgebung auf einem Parkplatz am Hafen. Mehrere hundert Nazis versuchten es einen Aufmarsch in Richtung Innenstadt durchzuführen. Etwa 2.000 GegendemonstrantInnen blockierten den Dortmunder Hauptbahnhof, es kam zu Auseinandersetzungen. Mehr bei der Autonomen Antifa Freiburg und bei NRW Rechtsaußen: "Ernüchterung nach braunem Antikriegstag"

Onlineduchsuchung: Das data:recollective, das u.a. die Kampagne “Reclaim your data from European Police Authorities– ins Leben gerufen hat, ruft für kommenden Donnerstag alle dazu auf, beim Bundeskriminalamt eine “Online-Durchsuchung– durchzuführen. Mehr bei netzpolitik.org

Wortklauberei: Die Bundesregierung plant offensichtlich den alten Begriff Hartz IV Regelsatz durch den Begriff "Basisgeld" auszutauschen. Damit soll eine "differenzierte Berechnung" suggeriert werden. Genaue Einzelheiten zur Höhe der Sätze machte das Bundesarbeitsministerium nicht.

Bestrafen der Armen

Loïc Wacquant, Soziologieprofessor in Berkeley und Wissenschaftler am Centre de sociologie européenne in Paris untersucht im Buch "Bestrafen der Armen: Zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit" die transatlantisch explodierende Ausweitung des Strafrechtsstaats und dessen untrennbarer Zusammenhang zum Abbau des Sozialstaats und Ausweitung sozialer Unsicherheit.

Der Autor, der bereits mit "Armut hinter Gittern" (Universitätsverlag Konstanz, 2000) einen beeindruckenden Einblick in ein Panoptikum einer überbordenten Gefängnispopulation in den USA lieferte, bezieht diesmal Europa mit ein, wozu er als Franzose der auf beiden Seiten des Atlantiks forscht natürlich prädestiniert ist. Die Zahlen der Inhaftierungen stiegen seit den 1970er Jahre kontinuierlich, um schließlich nach der „Reform“ des Sozialstaats durch die Clintonregierung 1996, welche starke Einschnitte für die Ärmsten zur Folge hatte, bei gleichzeitiger Verschärfung des Strafrechts, bis hin zur Ausgangssperre für Jugendliche, Kriminalisierung von Bagatelldelikten wie z.B. das öffentliche Urinieren bei Obdachlosen, regelrecht aus den Fugen geriet. Sicherheitsfirmen, private Gefängnisse und ein florierender Gefangenen-Import-Export zwischen den Bundesstaaten seien die Folge, Manpower sei heute der größte Arbeitgeber des Landes. All diese staatliche Massnahmen - der Autor benennt sie ausdrücklich und analysiert ihre Auswirkungen auf die einzelnen Länder- tragen den Geist der späteren Hartz-Gesetze (Agenda 2010) der Schröderregierung in Deutschland. Sie implizieren ausdrücklich die Unterscheidung in einen „würdigen“ und „unwürdigen Armen“, erinnern durch ein komplexes Sanktionssystem nicht ohne Grund an Skinners Drillphantasien. Eine wachsende Unsicherheit mache sich auch in Frankreich breit, wo diese Wegsperrmentalität besonders grob kopiert wurde: „So stieg der Anteil der Arbeitskräfte in prekären Beschäftigungsverhältnissen –“ Beschäftigte mit Kurzzeitverträgen, Zeitarbeitskräfte, Beschäftigte auf subventionierten Stellen und in staatlich finanzierten Ausbildungsprogrammen –“ von eins zu elf im Jahre 1990 (oder 1,98 Millionen Menschen) auf eins zu sieben im Jahre 1999 (3,3 Millionen)“ (Seite 250). Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen von 19,9% auf 25,6%, die derer aus den verschämt als „sensibel“ bezeichneten Stadtbezirken gar von 28,5% auf fast 40%. Entsprechend hätte 2003 die Zahl der Gefängnisinsassen die 60.000-Marke –“ bei 48.000 vorhandener Plätze –“ überschritten, die höchste seit Ende des zweiten Weltkriegs. Dies könne auch als Grund für die hohe Selbstmordrate dort, Häftlingsrevolten und die aktuellen Streiks des Gefängnispersonals gelesen werden. Hier hätte man gerne auch eine Schallplatte nennen können, was allerdings nicht Aufgabe einer soziologischen Studie wäre: Johnny Cash at San Quentin etwa, mit seinem eindringlichen Folsom Prison Blues. Oder Ghosts ...of the Civil Dead (1989), ein Film der im Hochsicherheitsgefängnis Marion, Illinois spielt, einem Knast in der Wüste. Nick Cave führt einen Gefangenenaufstand an, die Filmmusik stammt ebenfalls zum Teil von ihm. Wacquant legt dagegen an Hand von Statistiken dar, dass wegsperren mit den tatsächlichen Zahlen der Kriminalitätsstatisiken rein gar nichts zu tun habe, sondern politisch gewollt sei. Diese Wegsperr-Verirrungen seien in den USA, in England wie auch à la française flankiert von reisserischen Fernsehprogrammen, die in Serien zu besten Vorabendzeiten dem voyeuristischen Zuschauer wahre Höllenszenarien liefern, die mit der Realität rein gar nichts zu tun hätten. Die auch in Europa so begeistert aufgenommene „Broken-Windows“-Theorie, die besagt, dass jedes zerbrochene Fenster unwillkürlich ein neues nach sich ziehe, sei in Wahrheit eine populistische Polizei-Mythologie, was in den USA von ihren Protagonisten längst eingeräumt wurde. Sie wirke allerdings wie eine „weltweite Abschussrampe für einen intellektuellen Schwindel und eine Übung in politischen Taschenspielertricks, die, indem sie einem extensiven Polizeiaktivismus eine pseudo-akademische Beglaubigung erteilen, massiv zur Legitimierung der Wende zum strafrechtlichen Management der sozialen Unsicherheit beitragen, die der Staat durch seinen sozialen und ökonomischen Rückzug allerorts erzeugt“ (Seite 273).

Loïc Wacquant wäre kein guter ehemaliger Schüler und Ko-Autor von Pierre Bourdieu gewesen, wenn er nicht noch als theoretischen Schlusspunkt einen „Abriss des neoliberalen Staates“ formulieren würde, die ausführlich auf die zum Teil verkürzten, manchmal oberflächlichen, meist aber linken Interpretationen des modernen Staates eingeht. „Der Staat zieht sich zurück“, allerdings nur bei seiner ureigensten Aufgabe einer gerechten Sozialpolitik und bei der Ahndung der zunehmenden Wirtschaftskriminalität. Für aufmüpfige Arme dagegen gibt es einen hochaufgerüsteten Polizeistaat. Mit das Beste, was die letzen Jahre an soziologischen Studien geliefert wurde.

Quelle: Buchbesprechung von Adi Quarti auf StattWeb
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