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Was mir heute wichtig erscheint #233

Friedensinsel: "Mit der Logik des kolumbianischen Bürgerkrieges will die Friedensgemeinde von San José de Apartadó nichts zu tun haben. Seit über 13 Jahren beharrt die Dorfgemeinschaft auf ihr Recht auf Neutralität. Zwar wird das von den Krieg führenden Akteuren kaum respektiert, doch die internationale Solidarität hat den einfachen Bauern neue Perspektiven eröffnet. (...)" Weiterlesen im Beitrag von Knut Henkel beim womblog (via binsenbrenner)

Aufmarsch: Das "Münchner Bündnis gegen Naziaufmärsche" hat einen Flyer veröffentlicht, mit dem gegen den geplanten Naziaufmarsch am 13.11. mobilisiert wird.

Freikörperkultur: "Oben ohne im Leuze 21" statt Stuttgart 21!

Brandstiftung: "Ein Brandanschlag hat in der Nacht zu Mittwoch den linken Szeneladen M99 in Kreuzberg getroffen. Vor dem "Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf" brannten Auslagenkästen lichterloh. Nur mit Glück konnte ein Übergreifen der Flammen auf den Laden und das Wohnhaus Manteuffelstraße 99 verhindert werden." Die taz berichtet. Am gleichen Abend gingen mehrere hundert Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen rechte Gewalt. Bilder von beschädigten M99 und von der Spontandemo. Am Tag zuvor "haben Beamte der Berliner Staatschutzbehörde um 11:15 die Buchläden Schwarze Risse im Mehringhof/Gneisenaustraße und der Kastanienalle, den Buchladen oh21 und den Infoladen M99 durchsucht. Zum sechsten Mal in diesem Jahr! Die Beamten präsentierten wechselnde Begründungen: Mal geht es um die Beschlagnahmung der linken Szenezeitschrift Interim, mal um ein antimilitaristisches Flugblatt, mal um die Unschädlichmachung eines Aufrufs zu Demonstrationen gegen die Einheitsfeiern in Bremen." (unzensiert-lesen.de)

Verfassungsfeindlich: Der Landtag in Baden-Württemberg hat einen landesweiten Volksentscheid über das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ abgelehnt. Mit der CDU/FDP-Mehrheit wurde gegen einen Antrag der oppositionellen SPD gestimmt. Begründung: Das Wahlvolk hat nichts zu sagen.  Ein Volksentscheid widerspricht der Verfassung. Trotz gegenteiligem Rechtgutachten.

Wasserwerferdemokratie: Die deutsche Bereitschaftspolizei und die Bundespolizei hält in der Bundesrepublik mehr als 100 Wasserwerfer für den Einsatz bei Versammlungen bereit. Seit Jahrzehnten findet trotz verletzter Demonstranten eine weitere Aufrüstung statt. gulli beleuchtet anlässlich der Geschehnisse in Stuttgart die Geschichte und Wirkung der Wasserwerfer im Detail.

Folgeerkrankung: Im "Land of the free and home of the brave" werden selbige immer weniger mit den kapitalistischen Realitäten fertig. Am schlimmsten trifft das offenbar die jüngeren Menschen: "Etwa die Hälfte der US-Teenager erfüllt die Kriterien ein psychischen Störung, und fast ein Viertel der Untersuchten leidet nach Aussagen von US-Forschern so stark unter Stimmungsschwankungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Angstzuständen, dass ihr tägliches Leben beeinträchtigt ist. Bei 51 Prozent der Jungen und 49 Prozent der Mädchen im Alter von 13 bis 19 Jahren wurden starke Stimmungsschwankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Angstzustände oder Drogenmissbrauch festgestellt; das ergab eine Studie, die im Journal of the American Aca­demy of Child and Adolescent Psychiatry (im Journal der US-Akademie für Kinder- und Ju­gendpsychiatrie) veröffentlicht wurde.  (...)" Die "Linke Zeitung" hat eine Übersetzung eines Beitrages auf Raw Story veröffentlicht.

Definitionsfrage: Hinter der Jubelpropaganda über das angebliche Sinken der Arbeitslosenzahlen setzt sich ein Beitrag der "tagesschau" kritisch mit den Zahlen auseinander. Siehe auch: "Langzeitarbeitslose profitieren nicht" bei "Scharf Links"

Checkpoint: Das Flüchtlingslager Nahr al-Bared hat sich bis heute nicht vom verheerenden Krieg 2007 erholt. Die ibanesische Armee hält das Camp und die 20.000 zurückgekehrten PalästinenserInnen nach wie vor fest im Griff. Die militärische Belagerung behindert den wirtschaftlichen Wiederaufbau Nahr al-Bareds stark, da der Zugang enorm restriktiv ist und das Gebiet zur Militärzone erklärt wurde. a-films hat eine sehenswerte Dokumentation über die Folgen gedreht. Das Video ist frei verfügbar.

Unverdrossen: In Frankreich gehen die Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenreform und die Regierung Sarkozy unvermindert weiter. Heute steht der nächste Aktionstag an, bei dem sich erneut mehrere Millionen Menschen beteiligen werden. Seit Wochen laufen Gewerkschaften und ArbeiterInnen gegen die Regierung Sturm, besonders die Petroindustrie, Briefzentren, große Wirtschaftsunternehmen und Häfen sind betroffen. Nach zahlreichen Blockaden und Sabotageaktionen an der Energieversorgung, sowie steigender Beteiligung von Bewohnerinnen der Banlieues, SchülerInnen, Studierenden und Arbeitsloseninitiativen, wird eine zunehmend systemumfassende Kritik spürbar. Die autonome Antifa Freiburg verweist auf 3 Communiques: Communiqué aus Paris | Communiqué aus Lyon | Communiqué aus Rennes. Siehe auch die umfassende Übersicht zum Generalstreik in Frankreich.

Zusammenfassung: Ab 01. November ist der elektronische Personalausweis (Marketingsprech: neuer Personalausweis) da. Pro-Tip: Bis Freitag kann man noch den alten Personalausweis zum vergünstigten Tarif ohne Abgabe von biometrischen Daten beantragen. Netzpolitik hat die zehn wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Parlamentarier stören! Parlamente - weg!

Szene aus dem Bundestag. Foto: Wikipedia
Wie man seit Dienstag Abend zu vernehmen hatte, sind im Ausschuss für "Umwelt" und so weiter Greuel unerhörter Art vorgefallen. Nach Meinung der Regierungsparteien wurde Dauerklamauk verübt, eines Kindergartens würdig, wie Herr v. Essen dem Bundestag betrübt mitteilen musste. Die Opposition verwies darauf, dass eine Stunde zur Beratung eines Gesetzes im Ausschuss etwas karg bemessen war, wenn man bedenkt, dass damit für das nächste halbe Jahrhundert die Gesamtenergieversorgung des Landes geregelt werden sollte. Unbestreitbar bestand der "Klamauk" der Opposition darin, eines der bisher unbestrittenen Rechte des Bundestags wahrzunehmen: Änderungsanträge zu stellen.

Das konnten die Mehrheitsvertreter nicht zulassen. Mit einfacher Mehrheit wurde beschlossen, dass das ab jetzt nicht mehr zulässig sein sollte. Klar: Merkel und ihr Apportierdackel haben nur noch wenig Zeit. Nach den nächsten Landtagswahlen wird sich peinlich herausstellen, dass es für die FDP nirgends mehr reicht. Dann muss - rechtzeitig - Merkel für Nachschub sorgen. Wer darf dann den Zustimmungskläffer machen? Im selben Augenblick wird die FDP im Verzweiflungsstrudel strampeln - und muss außer Verkehr gesetzt werden. Bis dahin aber wird die Merkel-Gefolgschaft mit vollem Zug den Kelch der Noch-Mehrheit ausschlürfen. Bis dahin: alles mal durchdrücken, was noch geht. Ist ein Gesetz mal durch, dauert es lang, bis das Verfassungsgericht in seiner Langmut es für die nächste und übernächste Wahlperiode zur Korrektur anmeldet. Was man hat, das hat man. Ein elementares Gesetz der schwäbischen Hausfrau.

Das Verfahren der Entmachtung des eigenen Parlaments ist natürlich nicht von Merkel erfunden. Schröder ging entschlossen voran. In den Nachbarländern unter Sarkozy und Berlusconi ist so etwas schon gewohnter. Merkel arbeitet nach.

Dass der Bundesrat bei der jetzigen Gesetzesänderung ausgespart werden soll, gehört genau in die Richtung der Abschaffung und Behinderung der parlamentarischen Balance-Rechte, die derzeit betrieben wird. Das Argument der Regierung - zunächst überzeugend: unter Schröder wurde das doch genau so gemacht. Kennzeichnend, dass der vorige Parlamentsfeind -doch immerhin nominell von der Oppositionspartei - in diesem einen Fall als Autorität herhalten darf. Inhaltlich steckt eine zusätzliche Unverschämtheit in der Begründung. Wie wenn ein Mafiahäuptling sich rechtfertigen wollte: Mein Vorgänger hat beim Skalpieren auch niemand gefragt. Wieso soll ich jetzt bei der Schädeldachabdeckung Umstände machen?

Ergebnis: Die klassische Konzeption des Parlaments als eines Systems von Gewicht und Gegengewicht hat in Deutschland spätestens seit Schröder ausgedient. In fast allen großen Ländern Europas tendiert das Regierungsgeschäft zur Diktatur. Verstärkt durch das rechtsstaatliche Gesetzesverständnis,welches das einmal Geregelte privat- und staatsrechtlich privilegiert. Um ein idiotisches Beispiel heranzuziehen: Unsere Sektsteuer verdanken wir der vor dem ersten Weltkrieg vom deutschen Kaiser und seinen Untertanen tief empfundenen Notwendigkeit, die Aufrüstung unserer Kriegsflotte zu sichern. Wir haben schon eine Zeitlang keinen Kaiser mehr, auch angeblich keine Kriegsflotte - aber die Steuer hat unangegriffen ein Jahrhundert überlebt. Leider gilt genau das gleiche auch für viel einschneidendere Maßnahmen der jeweiligen Geschäftsführer des gemeinsamen Büros, auch Regierung geheißen, von welchem Karl Marx einst sprach.

Das Parlament hampelt und humpelt. Um so wichtiger die Organisation von breiten Massenbewegungen - wie derzeit in Stuttgart, aber auch bei der Bekämpfung der Castor-Züge - um dem Übermut der jeweiligen Amtsinhaber überhaupt etwas engegenzusetzen.
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