Vor 30 Jahren: Bombenanschlag der RAF in Weiterstadt
Heute vor 30 Jahren, um 05:14 Uhr explodierte eine Bombe des Kommandos Katharina Hammerschmidt der Roten Armee Fraktion (RAF) an der Justizvollzugsanstalt in Weiterstadt. Aus dem Anlass einige Dokumente, die die Bedeutung des Anschlags für die Repressionsbehörden bis heute einerseits und die der kritischen Erinnerung an einen Teil der linken Bewegung in Deutschland unterstreichen.
Der Fall Katharina Hammerschmidt und ihre Behandlung im Knast ruft alleine schon beim Lesen auch heute noch Entsetzen hervor und war Anlass für die RAF, ihre letzte größere Aktion nach ihr zu benennen: "(...) Bei Katharina Hammerschmidt, seit Ende Juni 1972 in West-Berlin isoliert, wurde im August 1973 routinemäßig eine Röntgenaufnahme der Lungen gemacht. Schon in dieser Aufnahme ließ sich eine Wucherung erkennen. Ende September 1973 begab sich Katharina Hammerschmidt erneut mit erheblichen Brustschmerzen, Heiserkeit und einem geschwollenen Hals zum selben Anstaltsarzt. Obwohl zwei Anstaltsärzte, unter ihnen ein Internist, sie untersuchten, neue Röntenaufnahmen angefertigt und Blutproben analysiert wurden, erhielt sie die Auskunft, es sei alles in Ordnung. In den folgenden sechs Wochen verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand zusehends; die zunehmende Atemnot und die Halsschwellung wurden vom Anstaltsarzt mit der Teilnahme an dem im Juni 1973 beendeten Hungerstreik und mit Rufen aus dem Fenster erklärt. Ihr Anwalt Otto Schily erzwang schließlich mit einem Gerichtsurteil eine eingehende Untersuchung. Sie fand am 12. November statt. Trotz des von den anstaltsexternen Spezialisten festgestellten angegriffenen Gesundheitszustands wurde Katharina Hammerschmidt erst Ende November 1973 nach einem schweren Erstickungsanfall in ein Krankenhaus gebracht. Das war zu spät. Sie starb kurz nach ihrer Einlieferung.
Der sie behandelnde Spezialist erklärte nach ihrem Tod, "mit normalem medizinischem Verstand hätte seit langem eine Erkrankung festgestellt werden müssen", und "seinerzeit sei der inzwischen kindskopfgroße Tumor möglicherweise noch zu operieren gewesen". Eine von 131 Ärzten unterzeichnete Anzeige gegen die fünf beteiligten Anstaltsärzte wegen versuchten Mordes ("Dies läßt sich nicht mit ungenügenden medizinischen Kenntnissen erklären") wurde niedergeschlagen. Dafür mußte sich Schily später in öffentlicher Verhandlung wegen Verleumdung der Anstaltsärzte, die Anzeige gegen ihn erstattet hatten, verantworten. Er wurde freigesprochen. (...)" Aus: Pieter Herman Bakker Schutt, Politische Verteidigung in Strafsachen: Eine Fallstudie des von 1972 bis 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geführten Strafverfahrens gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Holger Meins, Jan Carl Raspe. Neuer Malik Verlag. Kiel 1986, S. 88 (Promotionsschrift, PDF)
Der Fall Katharina Hammerschmidt und ihre Behandlung im Knast ruft alleine schon beim Lesen auch heute noch Entsetzen hervor und war Anlass für die RAF, ihre letzte größere Aktion nach ihr zu benennen: "(...) Bei Katharina Hammerschmidt, seit Ende Juni 1972 in West-Berlin isoliert, wurde im August 1973 routinemäßig eine Röntgenaufnahme der Lungen gemacht. Schon in dieser Aufnahme ließ sich eine Wucherung erkennen. Ende September 1973 begab sich Katharina Hammerschmidt erneut mit erheblichen Brustschmerzen, Heiserkeit und einem geschwollenen Hals zum selben Anstaltsarzt. Obwohl zwei Anstaltsärzte, unter ihnen ein Internist, sie untersuchten, neue Röntenaufnahmen angefertigt und Blutproben analysiert wurden, erhielt sie die Auskunft, es sei alles in Ordnung. In den folgenden sechs Wochen verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand zusehends; die zunehmende Atemnot und die Halsschwellung wurden vom Anstaltsarzt mit der Teilnahme an dem im Juni 1973 beendeten Hungerstreik und mit Rufen aus dem Fenster erklärt. Ihr Anwalt Otto Schily erzwang schließlich mit einem Gerichtsurteil eine eingehende Untersuchung. Sie fand am 12. November statt. Trotz des von den anstaltsexternen Spezialisten festgestellten angegriffenen Gesundheitszustands wurde Katharina Hammerschmidt erst Ende November 1973 nach einem schweren Erstickungsanfall in ein Krankenhaus gebracht. Das war zu spät. Sie starb kurz nach ihrer Einlieferung.
Der sie behandelnde Spezialist erklärte nach ihrem Tod, "mit normalem medizinischem Verstand hätte seit langem eine Erkrankung festgestellt werden müssen", und "seinerzeit sei der inzwischen kindskopfgroße Tumor möglicherweise noch zu operieren gewesen". Eine von 131 Ärzten unterzeichnete Anzeige gegen die fünf beteiligten Anstaltsärzte wegen versuchten Mordes ("Dies läßt sich nicht mit ungenügenden medizinischen Kenntnissen erklären") wurde niedergeschlagen. Dafür mußte sich Schily später in öffentlicher Verhandlung wegen Verleumdung der Anstaltsärzte, die Anzeige gegen ihn erstattet hatten, verantworten. Er wurde freigesprochen. (...)" Aus: Pieter Herman Bakker Schutt, Politische Verteidigung in Strafsachen: Eine Fallstudie des von 1972 bis 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geführten Strafverfahrens gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Holger Meins, Jan Carl Raspe. Neuer Malik Verlag. Kiel 1986, S. 88 (Promotionsschrift, PDF)
- Meldung der Tagesschau vor 30 Jahren
- Erklärung der RAF vom 30. März 1993
- Erklärung der RAF zum Anschlag als Scan des Originals
- Wikipedia Beitrag zum Anschlag
- Wikipedia Beitrag zu Katharina Hammerschmidt
- Der Spiegel zur medizinischen "Behandlung" von Katharina Hammerschmidt
- Meldung der Süddeutschen zur vermuteten Täterschaft des Anschlages
- Jungle World Beitrag "Stillstand und Volksempfinden" zu den Forderungen nach härteren Strafen
- Beitrag der Tageszeitung "junge Welt": Der letzte Knall