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Papst Ratzinger bedroht nicht nur Muslime

Grafik © Ralf König
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Er kommt also wieder. Der Papst. Vielleicht gegen seinen Willen benutzt, um im Bundestag den Tribut der Ehrerbietung einzutreiben. Schon stehen die Zensoren bereit, um vor aller Welt zu verkünden, wer dem Oberhirten die Ehrerbietung erwies. Und wer schändlich sitzenblieb -oder einfach draußen trotzte.

Darüber hinaus aber - wie immer in Zeiten des erschütternden Ausfalls von Vertrauen in Bank und Behörde - der Papst als Anleiter zum energischen Einsparen von Information. Wissen ist zu kostbar, um es auszuschütten für jedermann.

Deshalb soll hier an die Vorlesung Ratzingers in Regensburg erinnert werden - im Jahre 2006 - in welcher der Papst nur scheinbar den Islam allein angriff. Sein monopolistischer Wissensanspruch im Namen des LOGOS richtete sich gegen alle Bestrebungen der Aufklärung, die irdische Welt einzurichten ohne ängstlichen Aufblick nach dem überirdischen Auge, das uns alle beaufsichtigen will.

Der Papst steht dafür, Aufklärung zurückzunehmen. Und das geht alle an, Christ oder Atheist. Denn - so umwegig dieses Denken auch ausgedrückt sein mag - es dient zuletzt den unverschämtesten irdischen Herrschaftstendenzen. Wie die Sausefahrt des bekenntniswütigen Trittbrettspringers Mattusek - nur als Beispiel genommen - so deutlich dokumentiert:

Es kam, wie es kommen musste. Alles redete über die Vorlesung, kaum einer hatte sie gehört oder gelesen. Die muslimische Gemeinde in Stuttgart geriet in Erregung, viele andere beim Freitagsgebet in Deutschland und der Welt genau so. Verteidiger wie Beleidigte begnügten sich mit Häppchen. Hämisch wird dem türkischen Groß-Hodscha nachgewiesen, dass er die ganze Vorlesung nicht gelesen hat. Wie steht es da mit Merkel und Schäuble? Wollen sie wirklich vorgeben, sie hätten sich in Benedikts thomistische Geheimnisse vertieft?

Gar nicht einfach, den vollen Text zu finden. Bistum München-Freising hat ihn in der vorläufigen Fassung - noch nicht autorisiert vom Redner - dankenswerterweise veröffentlicht.

Offenbar wollte Professor Ratzinger sich vom päpstlichen "Eia Popeia vom Himmel" zu erholen und wieder mal als Hochschullehrer Deutsch mit seinen Kollegen zu reden. Vorlesung- das schoben viele Verteidiger als Entschuldigung vor, als komme es in den Räumen der Uni nicht so drauf an. Ganz im Sinne von Schavans Hochschulreform, Input-Output- nach Wahrheit wird nicht gefragt.Vorlesung erhebt nach alter Vorstellung, die Prof. Ratzinger sicher teilt, einen höheren Anspruch an Überlegung und Gültigkeit als ein Segens-Toast beim Volks-Hallelujah!

Der Vatikan wird gewiss in den nächsten Tagen um das relativ Entschiedene Ratzingers einige hüllende Weihrauch- Schwaden aufsteigen lassen. Um die Reise nach Konstantinopel doch noch zu retten.

Liest man aber das Ganze, wird deutlich, dass der vom Papst aus der Vergessenheit gezogene Kaiser Manuel mit seinem Zitat ihm wirklich nur den Aufhänger bot für etwas Tieferes, weitaus Gefährlicheres.

(Der Vergleich mit den fremdenfeindlich gehässigen dänischen Karikaturen auf dem dumpfesten Niveau ist völlig abwegig). Der Hinweis Manuels auf die Gewalt, mit der -angeblich- Mohammed seinen Glauben verbreiten wolle, dient nur der Entfaltung von Ratzingers Logos-Theorie. Logos- deutsch etwas verkürzt mit Vernunft übersetzt- nämlich sei das Wesen Gottes und der menschlichen Seele. Gewalt- korrekt im Sinn des Zugriffs auf den leidensfähigen Körper gedacht- könne diese Seele nicht erreichen, nur menschliche Rede, belehrend, überzeugend.

Auf diesen Logos kommt es Ratzinger an. Damit wird dann weiter die -vorsehungshafte- Bindung der christlichen Überlieferung an das Griechische verbunden.

Griechisch- das ist für Ratzinger gleichbedeutend mit platonisch, genauer: neuplatonisch. Denn in dieser Geistesschule wurde der Logos-Begriff entwickelt.

Platonismus für Benedikt: Vernünftige Regelung der menschlichen Angelegenheiten durch die Wissenden. Das Wissen muss das Nicht-Wissen dirigieren, in Schranken halten, wenn es geht,zum Wissen bringen. Sonst aber eisern lenken.

Thomas von Aquin hat das über Aristoteles weitgehend übernommen, den er übrigens in lateinischer Übersetzung aus arabischer Überlieferung kannte.( Ohne Araber hätte er traurig in die Röhre geguckt) Menschliche Vernunft reicht weit- sie bedarf der helfenden Offenbarung nur wie der Kaffee des Sahnehäubchens. In diese thomistische Tradition stellt sich Professor Ratzinger.

Von da aus die Polemik Ratzingers gegen alle Gottesvorstellungen, die Gott völlig ins Jenseitige, Unbegreifliche verbannen. Mit Recht fallen ihm dabei nicht nur islamische Theologen, sondern auch die Nominalisten ein- jener Occam etwa, den Eco im "Namen der Rose" hochleben ließ. Diese Schule, gewöhnlich als Wurzel des neuzeitlichen Denkens angesehen, retteten die Berechenbarkeit der irdischen Welt, indem sie die Theologie aus ihr hinauskomplimentierten. Gott hat seine Sicht, über die wissen wir nichts- und leise gesagt: wir wollen nichts darüber wissen- wir haben unsere Ansichten. Und bei deren Ausbau dulden wir keine Störung.

Ratzingers Platonismus bejaht genau die Position, die Foucault darstellt und immanent kritisiert. Wissen ist eine Form der Machtdisposition. Wir können nur das wissen, was die Macht schon vororganisiert hat. Der Erkenntnis auf dem Büfett sortiert angeboten. Umgekehrt: das sich durchsetzende Wissen bedeutet aktive Anordnung der Erscheinungen, die in einer vordefinierten Welt vorkommen dürfen.

Was fehlt bei diesem Weltbild.? Vor allem Kenntnis des zweiten und dritten Satzes aus dem Eingang des Johannes- Evangeliums. Der erste lautet- von Ratzinger zitiert- "im Anfang war das Wort(Logos), und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort". Dann aber fährt der Evangelist fort: "Das Wort ist in die Welt gekommen, und die Seinigen haben es nicht erkannt".

Den Fall des Logos, seine Ohnmacht im Verkanntsein, gibt Ratzinger nicht zu. Das noch viel Schlimmere als das Nicht-Haben- es Gehabt-zu-Haben und wieder verloren- das negiert der Professor als Papst.

Damit aber auch die Möglichkeit des Falls, die Erinnerung an den geschehenen, die Gewissheit des künftigen. Erich Auerbach, der Romanist, hat in dem Buch MIMESIS wunderbar gezeigt, wie dieses Bewußtsein des möglichen Einbruchs alle Geschichten des "Alten und Neuen Testaments" (katholisch gesprochen) durchzieht: Abraham, der den einzigen Sohn unbegreiflicherweise opfern soll, David, der der Sünde erliegt, Petrus, den die Angst übermannt, der ungläubige Thomas, der auf den verlangten körperlichen Beweis der Auferstehung verzichtet, der Schrei des Zusammenbruchs Jesu–™ am Kreuz- die ganze jüdische Tradition, wie sie auch die jesuanische Lehre begründete und ermöglichte, ist für den vernunftstolzen Professor ausgefallen.

Ratzinger sieht sich als jemand, der die bloß "instrumentelle Vernunft" nicht anders angreift als Horkheimer-Adorno seinerzeit. Er berührt damit den vergessenen Punkt der Terrorismus- Diskussion. Allenthalben zeigt sich Entrüstung: die haben doch bei uns nahtlos Ingenieur studiert, oder Chemie, haben alles bekommen, sind nirgends aufgefallen Und jetzt stürmen sie die Twin-Towers! Niemand kommt in den Sinn, dass gerade die Erfahrung des blinden Funktionierens im Westen, das fraglos als selbstverständlich vorausgesetzt wird, denjenigen aufs innerste verstört und empört, der -aus religiöser Herkunft irgendeiner Art- sich nicht abgewöhnen kann: nach dem Warum und Wozu zu fragen. "Die Herren machen das selbst, dass der gemeine Mann ihnen feind ist" wie ein Fundamentalist christlicher Herkunft -Thomas Müntzer- in den Bauernkriegen kurz vor der Hinrichtung schrie. Es müsste statt "die Herren" heute eher: "die Verhältnisse" heißen, "die leerlaufende Struktur". Nicht anders als aus der Erfahrung der tiefsten Entleerung ist der falsche Weg der selbstaufopfernden Zerstörung zu verstehen.

Nur, dass der Ausweg Benedikts keiner ist. Er erinnert zwar in der Rede mit Recht an die unausrottbare Frage nach dem “Warum– und “Wozu– - aber er stoppt das Weiterfragen als Monopolist des Wissens. Er hat immer schon die Antwort. Benedikts Weg ist trotz entgegenstehender Beteuerung ein Rückweg. Appell an das übergeordnete Wissen, das das Recht verlangt, die Unwissenden zu zwingen.

Kein Wunder, dass der Satz "coge intrare" - " Erzwinge den Kircheneintritt" von dem bei Ratzigner auch erwähnten Augustinus von Hippo stammt. So eindringlich dieser in den Bekenntnissen das Plötzliche des Falls, die Nacht der Seele ausmalte, so sehr besteht der zuletzt doch unveränderte Platoniker gegenüber anderen auf der vernunftgestützten Zwangsgewalt der Kirche.

Woytila, Benedikts Vorgänger, wirkte- mit eigenem Willen- als Dampfwalze gegen den Kommunismus in Osteuropa. Benedikt- vielleicht gegen seinen Willen- steht in Gefahr, zu ähnlichem Zweck benutzt zu werden gegen das Gespenst des Weltislamismus, wie Bush und die seinigen es aus durchsichtigen Gründen brauchen. Ratzingers Platonismus dient dem guten Gewissen der Wissenden, die Herrschaft auszuüben. Als Vorsitzender der Glaubenskongregation, Nachfolger der Heiligen Inquisition, hat er seine Vorstellung von vernunftgeleiteter Herrschaft über die Irrenden gezeigt. Das einjährige Strafschweigen, das er Boff, dem Sprecher der “Theologie der Befreiung– in Südamerika auferlegte, war freilich “nur– Macht, zunächst nicht den Körper bedrückende Gewalt. Aber auch im Mittelalter überließ die Kirche reiner Hand die endgültige Exekution der weltlichen Gewalt. Der Henker mit der Fackel am Scheiterhaufen der Jeanne d–™Arc war englischer Kriegsknecht. Heute nicht viel anders. Wer ein Jahr bußschweigt, den schweigen die Medien ein Leben lang tot. Wer kennt heute noch Boff? Und nach den Medien die Staatsgewalt, Militärherrschaft bis hin zu den Todesschwadronen in El Salvador, die den Bischof Romero vor dem Hochaltar umlegten, nicht anders, als es einst Thomas Beckett geschah.

Professor Ratzinger als Papst Benedikt ist gefährlich für alle -nicht nur für Muslime. Das subtile gute Gewissen, das er auf höchstem Niveau den Herrschenden anliefert, wird sich aufs äußerste verdünnt über die Merkels und Schäubles, die jetzt schon ahnungslos Hurrah schreien- bis hin zu den Exekutoren der Meinungspolizei in Zeitung und Ordnungsamt verbreiten. “Nur nicht zaghaft bei der Verteidigung des europäischen Geistes- der Papst hat es auch gesagt– wird man dann hören bei jeder Kritik an der walzenden Obrigkeit.

Was geht das alles uns als hartgesottene Atheisten an? Gestehen wir, dass wir innerhalb der Kirche einem Reinhold Schneider immer noch am nächsten stehen, der am Ende des Lebens in seiner Müdigkeit auf Gewissheit und ewige Seligkeit verzichtete. Nichts geht uns an, der interne Streit der Kirche um Zölibat und Frauenpriesterschaft geht. Alles, wenn wir uns eingestehen, dass wir sämtlich - Christ oder Atheist- in einer Einheits-Suppe gängiger Meinungen schwimmen, die keine Grenzen kennen. Woytila wurde zugeprostet von ausgepichten Agnostikern,

Benedikt wird gestützt von Evangelen, Kirchenfeinden, und Aufklärungs- Fetischisten. Deshalb: Professor Ratzinger auf die Segensfinger schauen- auch wenn es von außerhalb geschehen muss

Quelle: Papstvorlesung Regensburg - n. Veröffentlichung Bistum München-Freising

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