»Fremdartig, grünlich«
Die Ernährung der Menschen ist eine Profitwirtschaft ohnegleichen. Wenn es so viel Fleisch gibt stellt sich die Frage, warum seit Jahren die Preise steigen, wo doch angeblich der Markt die Preise diktiert. Seit einiger Zeit gibt es auch bei den Discountern "Frischfleischtheken", womit auf die immer weiter sinkenden Einkommen der Bevölkerung reagiert wird.
Während auf der einen Seite nach wie vor Menschen hungern müssen, gibt es andererseits es riesige Überkapazitäten, werden ganze Länder wie Argentinien zu Fleischfabriken umfunktioniert, mit verheerenden Folgen für Mensch und die Natur.
Die Profiteure dieses Skandals gehören ausnahmslos hinter Gitter. Frau Höhn, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz, von den Grünen, regt jetzt eine "schnelle Einsatztruppe" an und beklagt, daß der "Fall nicht durch staatliche Prüfungen ans Licht gekommen" sei. Existierende staatliche Kontrollen hatten jedoch in 2005 ebenfalls nicht verhindert, daß Gammelfleisch in die Kochtöpfe gelangte. Auch blieben die Gammelfleischfälle der Vergangenheit für die verantwortliche Industrie weitestgehend ohne Folgen, eventuelle Kosten wurden auf den Verbraucher abgewälzt. So kritisierte Edda Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), im Gespräch mit der Netzeitung schon im vergangenen Jahr, daß "Verstöße gegen das Lebensmittelrecht mit Strafen geahndet würden, die so gut wie nie das Maß von bis zu fünf Jahren Haft ausschöpften".
Im Zuge der Föderalismusreform wittern jetzt einige Geschäftemacher wohl erneut Morgenluft. In einer aktuellen Presseerklärung des VZBV heißt es:
In dem vom vzbv veröffentlichten Verbraucherschutzindex der Bundesländer gibt es bei der Lebensmittelkontrolle eine erhebliche Streuung: So erreicht die Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen gerade mal ein Fünftel (21,2 Prozent) der maximal erreichbaren Punktzahl. Nur wenig bessere Ergebnisse erzielt die Lebensmittelüberwachung in Schleswig-Holstein und Berlin (24,2 und 30,3 Prozent).
Wie beim letzten Gammelfleischskandal zeigt sich wohl auch hier nur wieder die Spitze des Eisberges. Mahlzeit.
Die Tageszeitung "junge Welt" vom 2.9.2006 berichtet:
Skandal von »nationalem Ausmaß«: Mehr als 70 Tonnen Gammelfleisch bei Firma Bruner in München beschlagnahmt
»Ranzig, muffig, alt und fremdartig, grünlich und ekelerregend«, so beschrieb ein Sprecher des Münchner Kreisverwaltungsreferates am Freitag Fleischproben, die am Vortag in zehn bayrischen Gaststätten, türkischen Lokalen und Asia-Shops genommen worden waren. Mit den Proben wurde der Nachweis erbracht, daß ein Münchner Großhändler, bei dem tonnenweise verdorbenes Fleisch beschlagnahmt wurde, solche Ware auch ausgeliefert hatte. Am Donnerstag konnte die Polizei 30 Tonnen Dönerspieße sicherstellen, deren Haltbarkeitsdatum teilweise um vier Jahre überschritten war. Am Freitag folgte die Beschlagnahme von 40 Tonnen ungenießbaren Entenfleischs.
Nach einem anonymen Hinweis hatte die Lebensmittelüberwachung des Kreisverwaltungsreferates zusammen mit dem staatlichen Veterinäramt bereits am 24.August mit Kontrollen bei der Firma Bruner, Groß- und Einzelhandel für Wild, Geflügel und Fisch im Münchner Vorort Johanneskirchen, begonnen. Die Staatsanwaltschaft München ließ am Donnerstag die Firmenunterlagen beschlagnahmen und die Betriebsräume versiegeln. Eine achtköpfige Kripo-Sonderkommission »Kühlhaus« muß jetzt ermitteln, wo verdorbene Ware in den Verkehr gekommen ist. Dazu werden alle 16 Mitarbeiter der Firma vernommen. »Wir haben in dem Betrieb Lieferadressen von Kunden in ganz Deutschland sichergestellt«, erklärte Polizeisprecher Markus Dengler. Das Verwaltungsreferat befürchtet einen Lebensmittelskandal »nationalen Ausmaßes«. Es gebe Anhaltspunkte, daß nicht nur Betriebe in der bayerischen Landeshauptstadt und dem gesamten Bundesgebiet, sondern auch im nahen Ausland von der Münchner Firma beliefert wurden. In zwei Mainzer Betrieben und einem Unternehmen in Kaiserslautern wurden am Freitag bereits verdorbene Lebensmittel aus Bayern gefunden. Wie das Verbraucherschutzministerium in Mainz mitteilte, handelt es sich unter anderem um Hähnchenflügel und Putenbrustfilets.
Während sich der 74jährige Firmeninhaber Georg Karl Bruner zu den Vorwürfen nicht äußern wollte, packte ein ehemaliger Aushilfsarbeiter aus. Peter Kehrer war 1999 vom Arbeitsamt für einen Monat an das Kühllager vermittelt worden. »Schon damals mußten wir Produkte umetikettieren«, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Auch »Edelprodukte wie Muscheln aus Frankreich und Huhn aus Tschechien« seien betroffen gewesen. Das bis zu dreimal umetikettierte Fleisch sei auch an namhafte Münchner Restaurants geliefert worden.
Unterdessen erhob die Staatsanwaltschaft Essen Anklage gegen einen Metzgermeister in Gelsenkirchen, der »in betrügerischer Absicht« 390 Tonnen verdorbenes Fleisch aufgekauft und als genießbar weitervertrieben haben soll. Die Großmetzgerei hatte zudem 315 Tonnen sogenanntes Stichfleisch an weiterverarbeitende Betriebe wie Dönerspieß-Hersteller verkauft. Derartige Schlachtabfälle dürfen laut Gesetz nur für Hundefutter oder die Herstellung technischer Fette verwendet werden. Der Gelsenkirchener Gammelfleischbetrug war im November 2005 aufgeflogen.
Im Deutschlandfunk mahnte die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz, Bärbel Höhn (Grüne), strengere Kontrollen an. Es sei nicht hinzunehmen, daß der jüngste Fall nicht durch staatliche Prüfungen ans Licht gekommen sei. Es sei ein Fehler gewesen, im Rahmen der Föderalismusreform den Ländern die Verantwortung über die Lebensmittelkontrolle zu überlassen. So habe Bayern in diesem Bereich Stellen abgebaut. Höhn regte eine bundesweit tätige »mobile Einsatzgruppe« an.
Quelle: »Fremdartig, grünlich« Skandal von »nationalem Ausmaß«: Mehr als 70 Tonnen Gammelfleisch bei Firma Bruner in München beschlagnahmt, Artikel von Ludwig König in Junge Welt 2.9.2006
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Gerald Mann on :
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