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Krise: Die Medizin ist die Krankheit

Andrang von Sparern vor der Sparkasse der Stadt Berlin am Mühlendamm nach dem Zusammenbruch der Darmstädter- und Nationalbank, 1931
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-12023 / CC-BY-SA
Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0
Krise
Es wurde tagelang verboten, sie beim Fernsehen beim Namen zu nennen. Sobald am Montag - 8.8. - die Rede auf die Erscheinungen an den Börsen kam, wurde bis spät abends - erzieherisch wertvoll - wiederholt, dass man sich alles viel schlimmer vorgestellt hätte - und das, was sich wie Crash anfühlt, das sei gar keiner. Worauf dann detaillierte Mitteilungen folgten, die sämtlichen gerade aktiven Börsen genau den Fall bescheinigten, der nicht stattgefunden haben durfte. Offenbar ist  den zahlreichen Experten entfallen, dass auch die allerberühmteste Krise - die vom Oktober 1929 - sich keineswegs so vollzog, dass da ein Strich senkrecht auf der Wertetafel niederfuhr - als Blitzschlag. Sondern das Ganze verlief in Treppchenart, mit kleinen Pausen dazwischen. Sogar minimalen Aufschwüngen.

Was allerdings nichts daran änderte , dass sich nach Tagen und Wochen herausstellte, dass Milliarden immer noch umherschwirrender Geldzeichen nichts mehr im irdischen Leben entsprach: kein anfassbares Gut, keine wohltuende Dienstleistung. Einfach nichts. Alles wie weggepustet.

Damals wie heute waren die wenigsten dem bösen Zauber im Begreifen gewachsen.Es musste doch an einem liegen, der schuld wäre. Die wurden auch reichlich vorgeführt in Blitzlicht und Kommentar-Gewittern.

Als erster der Heilsbringer von vor gerade drei Jahren: Obama. Er klappte die Segensflügel an die Hosennaht und stellt kurzfristig das Umarmen ein. Ärmlicher nichts als seine zerrupften Varianten von "Yes we can". Natürlich sind seine Gegenspieler im Repräsentantenhaus  giftige kleine Kläffer. Und wahrscheinlich wird das Wesen mit den struppig gewordenen Flügeln über weitere vier Jahre eine klägliche Weitermacher-Wirtschaft betreiben. Mangels Alternative.

Aber ganz falsch die Vorstellung, ein anderer Präsident mit einer andersartigen Opposition hätte ganz andere Ergebnisse erzielen können in der jetzigen Katastrophe. Und mit den gegenwärtig gehandelten Methoden.

Entsprechend die Aufzählung anderer Schuldiger. Da musste Barroso herhalten, der offen ausgesprochen hatte, dass alles bisher angebotene Geld den Euro nicht retten könne, wenn es - wie sicher zu  erwarten - hart auf hart kommen würde. Oder die schlimmen Rating-Diktatoren. Die hatten 2008 zwar wirklich den windigsten Manövern der amerikanischen Banken noch ihren Segen gegeben - und waren auf die Nase gefallen. Nur dieses Mal? Dieses Mal wurden sie verhauen für die schlechten Noten, die sie ihren Aufsichtsobjekten gaben. Wie üblich: der Messende wird beschuldigt, wenn einem das Ergebnis der Messung nicht gefällt. Die Spekulanten mussten als nächste herhalten. So widerlich dieses Geziefer sein mag, es könnte nicht aasen, wenn keine Leichen herumlägen. Dann - sehr fein - das Aktienkäufervolk selbst. Alle unvernünftig. Der Panik verfallen. Allerdings: Warum soll es unvernünftig sein, ein sinkendes Schiff so schnell wie möglich verlassen zu wollen? Wenn es nur mehr andere sichere Frachter gäbe. Nur noch rührend die Tröstungen. In der FR riet ein Wohltäter, eine Woche lang gar nichts zu machen.Hilfsmittel dazu: kein Internet, kein Fernsehen, und - am wichtigsten - das Mittel gegen sich selbst: KEINE ZEITUNG!

In der FAZ schaute einer sehr milde von weit oben auf die braven deutschen Facharbeiter. Die kümmern sich um gar nichts, schuften weiter und schauen, dass die Lager immer schön voll stecken. Dieser Ratgeber wurde allerdings sogar vom Morgenmagazin wieder auf den Boden geholt. Dort gestanden Arbeiter in einer Fabrik für Spezialglas in Deutschland ohne weitere Ermunterung, dass sie sich Sorgen um ihre Jobs machten. Das Glas war ausschließlich  für den Export bestimmt. Vielleicht liegt diese Unbotmäßigkeit der Angesprochenen daran, dass sie sich pflichtwidrig an der Lektüre der FAZ nicht beteiligen.

Und so weiter. Alles muss herhalten, um den eigentlichen Grund nicht besprechen zu müssen. Die Geldzeichenlawine wächst.

Krise= Aufschub des eingestandenen Untergangs

Denn aller Jubel über Schirme  und andere Aushilfen gegen die Auswirkungen der Krise können eines nicht verdecken: das Übel, das beseitigt werden soll, wächst durch jeden gereichten Löffel Medizin nur noch mehr.Das Übel: Schulden. Die erzielte Wirkung in jedem Fall: Noch mehr Schulden. Ob das praktisch kostenlose Geldzufuhr über die Zentralbank in den USA bedeutet, oder erweitertes Gelddrucken durch die EZB durch Ankauf wertloser Gutscheine von Spanien und Italien. Es läuft immer auf eines hinaus - Vermehrung von Zeichen, denen auf der ganzen Welt nichts mehr entspricht, das jemand - nicht einfach haben wollte - aber tauschmäßig erwerben könnte.

Schulden weg!

Wobei der Begriff der Schuld noch einmal besonders untersucht werden müsste. Wäre einer von uns vor hundertdreißig Jahren Nachbar des fleißigen Mechanikers Benz gewesen- und hätte dem ausgeholfen mit Barem gegen Beteiligung am Gewinn: das wäre nicht nur eines der lohnendsten Geschäfte geworden, sondern auch eines, das die Produktion einer damals ganz neuen Sache mit riesigen Aussichten befördert hätte.  Trotzdem: zunächst mal in den Kontobüchern als Schuld auszuweisen.

Das Brutale in der jetzigen Schuldenbekämpfung - wohlgemerkt immer an anderen wie z.B. Griechenland - liegt darin, dass technisch überhaupt kein Unterschied gemacht werden kann zwischen Geldaufnahme zur Förderung produktiver Anlagen und Bankschuld - zur Deckung früherer Ausgaben. Wohin die Merkel-Methode des Spar-Appells "an sich" führt, lässt sich eben die Woche nächtelang an den Nachrichten aus England studieren. Schulen geschlossen, Ausbildungsräume und Treffpunkte in den ärmsten Gegenden weg, Aneignung produktiver Fähigkeiten in Lehrwerkstätten gestrichen - und schon sammeln massenhaft sich die Eintreiber einer Schuld an ihnen, den Arbeitslosen, Unausgebildeten, Herumhängern - und nehmen mit Zins und Zinseszins alles zurück.

Als Prinzip herrschte das schon immer: an den Unteren sparen, damit die Oberen weniger gehemmt sind. Als offene Praxis wurde es betrieben seit der Doppelära Thatcher und Reagan. Gerade Reagan entwickelte das System bis zur blendenden Sichtbarkeit. Mit der Absage an Keynes begann es. Die Chicago-Boys schon predigten das Sparen. An andern. Bekanntlich traf es damals die Chilenen. Nach der organisierten Zugrunderichtung der Regierung Allende.

Fürs Inland bekämpfte Reagan erbittert alle staatliche Förderung privater Unternehmen. Diese hatte bisher zu annähernder Vollbeschäftigung geführt. Zugleich allerdings den Gewerkschaften die Macht verliehen, Lohnsteigerungen zu erzwingen und sogar einen gewissen Aufstieg für die gelernten Arbeiter zu ermöglichen. Diese Gewerkschaftsmacht sollte gebrochen werden und wurde gebrochen.
Damit das Kapital aber nicht mit den Gewerkschaften zusammen unterging, erhöhte Reagan in Wirklichkeit das "deficit spending"- die Wirtschaft der nur noch durch Kredit gedeckten Ausgaben. Es wurde also nicht weniger, sondern mehr ausgegeben. Über Staats-Schulden. Nur dass all das Geld an den Betrieben der Massengewerkschaften vorbei vor allem fürs Militär und neue militärische Erfindungen hinausgeworfen wurde. Wer erinnert sich nicht gern an den jahrelang betriebenen "Krieg der Sterne", der Milliarden kostete und angeblich die Niederlage des Sowjetsystems einbrachte. Die Schulden von damals liegen der heutigen Pleite der US-Wirtschaft immer noch zu Grunde.

Export: Mühlrad des Fortschritts? Inzwischen: Mühlstein am Hals!
Die große Rettungslehre: Mehr für den Export produzieren! Griechenland, Portugal, Irland - das holt euch aus der Grube!
In den Jahren nach 1980/ 1990 - begannen die Sparkassen mit Kursen für die wissbegierige Schülerin, den gewinnorientierten Schüler. Bald kamen Jugendliche in die Schule zurück, gemästet von Gewinnen beim imaginären Investitions-Spiel, und sahen sich mit 25, spätestens 30 als Millionäre im Liegestuhl. Und schwärmten alle schon damals vom Export. Natürlich gibt es Fälle, in denen Importeur und Exporteur gleichermaßen vom Handel profitieren. Z. B. Ananas aus einem Tropenland werden immer billiger kommen als heimgezüchtete aus dem Treibhaus. Und Holz aus den finnischen Wäldern  könnte in einem Wüstenstaat produktiv verwertet werden. Nur: wie ich damals schon bescheiden anmerkte und als Supppenspucker von der vereinigten Schülerschaft verachtet wurde, wenn alle nur exportieren wollen - und niemand importieren: muss da nicht ziemlich schnell bei sehr vielen Abnehmern der Boden der Schüssel sichtbar werden? Das traurige Ende des freudigen Mahls.

Keine schnelle Hilfe denkbar!
Die Forderung von  ATTAC und vieler anderer Organisationen ist sicher berechtigt: Umverteilung von unten nach oben umkehren! Besteuerung der Reichen!

Aber das wird nicht ausreichen. Es muss hinzukommen die  Abkehr von der ausschließlichen Export-Orientierung.  So lange es mit Recht heißt, dass Europa im Keuchhusten liegt, wenn die USA Schnupfen melden, kann das Grundübel der jetzigen Form von Globalisierung nicht behoben werden. Dass nämlich immer externe Faktoren wichtiger genommen werden müssen, auf die man wenig bis keinen Einfluss hat.  Umkehrung der Orientierung nach innen! Das bedeutet natürlich nicht Verzicht auf Importe.Auch nicht auf Exporte. Aber eine Ausrichtung auf das Vorhandene. Das, was man in Deutschland selbst aus- und anbauen könnte.

Das wird sicher zunächst zur Senkung des allgemeinen Lebensstandards führen. Und - trotz aller Steuerpläne - die Unteren in der ersten Zeit schärfer treffen als die oberen. Und die Einsicht in die Notwendigkeit der Umkehr der Blickrichtung wird sich vermutlich erst durchsetzen nach Aufstandsbewegungen, die überraschender einschneiden werden als alles, was sich jetzt in Griechenland, Spanien, England ereignet. Aber es ist wichtig, sich jetzt schon darauf einzustellen. Damit dann bei uns sich allererst Erkenntnis durchsetzt, anstatt - wie jetzt in England - bloß das Knüppelgerede und der polizeiliche Telespkop-Schlagstock.

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