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Liebe, Frieden, Volksverräter

Zustandsbericht und Analyse zu rechten und verschwörungsideologischen Strategien während der Corona-Pandemie und antifaschistischen Interventionen

Das Jahr 2020 wurde von einem großen Thema bestimmt: COVID-19. Für die radikale Linke bedeutete diese Pandemie vor allem, sich mit alten Problemen, in durch eine globale Krise verschärfter Form, auseinanderzusetzen. Wirtschaftskriege, soziale Ungerechtigkeiten, Klimawandel, Migration, Kapitalismus, staatliche Repression, Gentrifizierung und Kampf um Freiräume –“ kein Bereich war nicht direkt oder indirekt betroffen durch den dunklen Schatten, den das SARS-CoV-2 Virus ab spätestens Februar über die gesamte Welt warf. Schnell gab es aber auch erste Ansätze, linke Antworten auf die sich weiter verschärfenden Kämpfe in allen Teilen der Welt zu finden. Die Kampagnen „Leave No One Behind“ und „Nicht auf unserem Rücken“ seien hier nur als zwei Beispiele genannt.

Zeitgleich mit diesen ersten linken Reaktionen auf die Krise, formierte sich aber ausgehend von Städten wie Berlin und später Stuttgart auch eine ganz andere Bewegung, die sich das Thema Corona für Forderungen und Positionen zunutze machte, die zunächst deutlich schwerer zu erkennen waren. Dass es bei dieser neuen Bewegung allerdings nicht um „Liebe“ oder „Frieden“ ging, sondern sich hinter den neuen Namen wie „Nicht ohne uns“ und „Hygiene Demo“ ein altbekanntes Querfront-Konzept zu verstecken versuchte, das immer wieder in neuen Formen und Themenbereichen auftaucht und mal mehr, mal weniger erfolgreich dazu dient reaktionäre, autoritäre bis faschistische Konzepte für ein neues, breiteres Publikum anschlussfähig zu machen, war spätestens nach den ersten Demonstrationen auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz im April 2020 klar.

Dennoch tat sich die Linke lange schwer, dieser neuen rechten Massenmobilisierung eine angemessene antifaschistische Antwort auch auf der Straße entgegenzusetzen. Bis zum Sommer verschärfte sich diese Situation soweit, dass es teilweise den Anschein machte, es hätte sich eine gefährliche Ohnmacht gegenüber dieser Bewegung breit gemacht. Doch spätestens ab dem Herbst 2020 zeigten sich erste deutliche Erfolge im Umgang mit der neuen rechten Corona-Verschwörungserzählung. Mit Querdenken und allen daran angeschlossenen Organisationen und Kampagnen schuf sich diese verschwörungsideologische Szene ein eng geflochtenes Netzwerk, in dem gemeinsam mit Akteuren der gesamten deutschen Rechten nicht nur massiv mobilisiert werden konnte, sondern auch enorme finanzielle Mittel abgeschöpft wurden. Aus der rechtsoffenen bis offen rechten Inszenierung einer „Bürgerbewegung gegen die Corona-Diktatur“ wurde eine lukrative kleine Event-Industrie, die ihrer meist bürgerlichen Klientel gleichzeitig das Geld aus den Taschen zog und sie, mit beeindruckender Geschwindigkeit, weit nach rechts radikalisierte.

Neben den „Mahnwachen für den Frieden“ 2014 und später „PEGIDA“, stellt die rechte Mobilisierung im Schatten der Corona-Pandemie ein weiteres Beispiel eines erfolgreichen rechten Mobilisierungs-Projekts dar, das sich einen gesellschaftlichen Themenbereich so geschickt zu eigen gemacht hat, dass es binnen kurzer Zeit gelang, viele tausend Menschen hinter bekannten Gesichtern und Parteien des rechten bis neofaschistischen Spektrums zu vereinen. Dieses Projekt zu analysieren und Strategien für seine Bekämpfung, sowie den Kampf gegen zukünftige ähnliche Projekte zu entwickeln, ist für uns als Antifaschist*innen eine zentrale Aufgabe. Um hierzu einen Beitrag zu leisten, haben wir uns entschlossen, diesen Text zu veröffentlichen. Unser Text richtet sich zum einen an Menschen, die sich einen groben Überblick über den aktuellen Zustand der sogenannten „Corona-Proteste“ und ihre wichtigsten Akteure sowie die dahinterstehenden Verschwörungserzählungen verschaffen möchten. Zum anderen richtet sich der Text an Antifaschist*innen, die aktuell zunehmend den Umgang der Linken mit dieser Bewegung und den, durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen, Krisen und Verwerfungen analysieren und mit uns gemeinsam Gegenstrategien diskutieren wollen. Wir haben den Beitrag daher in vier Teile aufgeteilt, die auch unabhängig voneinander gelesen werden könne. Wir hoffen damit einen konstruktiven Beitrag zur anstehenden Analyse und Debatte leisten zu können.

Zum Dossier der North East Antifa, Dezember 2020

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