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Nein! Doch! Orr!

Erwarte Postpaket. Postfahrzeug vor dem Haus gesehen. Postfahrzeug fährt weiter. 5 Minuten später kommt Mail: "Ihr DHL Paket liegt bei Ihrem Nachbarn".

Nein, meine Klingel ist nicht kaputt. Auch sonst gilt keine Ausrede. Und ja: Ich bin natürlich der Meinung, dass die DHL mehr PostzustellerInnen einstellen sollte und dass die dort Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen müssen.

Was mir heute wichtig erscheint #405

Torten: Sagen manchmal mehr als 1000 Worte. Vor allem aber die unpolitische Reflektion des Anlasses. Nach der Tortung von Sahra Wagenknecht wurde gegen die TorterInnen Anzeige erstattet. Das sagt auch viel aus über die Streitkultur in der Linken. Meine persönliche Meinung? Mit Gleichsetzungen kommen wir nicht weiter, im Gegenteil. Das verharmlost im Grunde die Faschisten.

Wirkungsvoll: Lesenswerter Kommentar des Antifaschisten und Buchautoren Horst Schöppner, der historisch zurückblickt und seine Gedanken in die aktuelle linke Debatte wirft, was wirksam gegen AfD und PEGIDA getan werden könnte. Sein Beitrag ist ein Auftakt zu einer Debatte.

Mobilisiert: Die Bevölkerung unterstützt die Proteste gegen das neue Arbeitsgesetz, das auch durch brutale Polizeieinsätze durchgeprügelt werden soll. "Nach einer Woche mit Streiks und Blockaden bekommt die Bewegung neuen Schwung. Nach zwei landesweiten Demos, v.a. aber nach dem Streik der Eisenbahnerinnen, der Transportarbeiterinnen, der Raffinerien und der Blockade von Kraftstoffdepots durch Streikende, Unterstützer_innen und die Nuit Debout Bewegung hat die Antwort der Regierung nicht lange auf sich warten lassen: sie hat die Polizei ausgeschickt, um die Streikenden auf äußerst gewalttätige Art und Weise anzugreifen. Jetzt ist der Moment, um die Bewegung in anderen Ländern zu unterstützen und "das französische Kapital überall anzugreifen"." Mehr zu einer "Bewegung mit neuem Elan" bei labournet.tv.

Bemerkenswert: In Verden klagt eine Fallmanagerin gegen das dortige Jobcenter.

Verständlich: Das hat wohl kaum mit dem Alter zu tun. In Mannheim wurde ein 85jähriger wegen einer Telefonhotline stinksauer und laut. So laut, daß besorgte Nachbarn die Polizei riefen.

Verschoben: Wegen des alljährlichen Naziaufmarsches in Bad Nenndorf musste jetzt auch noch die Einschulung der Kinder in dem Ort verschoben werden.

Staatswohl: Der Terroranschlag auf das Oktoberfest in München 1980 liegt heute über 35 Jahre zurück, aber die Art und Weise, wie dieser damals „aufgeklärt“ wurde, kann einiges erhellen, was heute im Kontext der NSU-Terror- und Mordserie noch im Dunkel verweilt. Beitrag von Wolf Wetzel bei den Nachdenkseiten.

Polizeisumpf: Was ist nur los mit der Dessauer Polizei? Nach dem Mord an einer chinesischen Studentin droht Sachsen-Anhalt ein neuer Justizskandal. "Die Familie des Verdächtigen F., seine Mutter und sein Stiefvater, hat möglicherweise versucht, die Ermittlungen zu behindern. Beide sind Polizisten: Der Stiefvater Jörg S. leitet das Polizeirevier Dessau-Roßlau. Die Mutter ist Beamtin bei der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost in Dessau."

Whitewashing: "Nach der Einigung der Kreditgeber sah es zunächst gut für die griechische Regierung aus, bis der Blick auf Zusatzvereinbarungen fiel und auf soziale Ungerechtigkeiten." Nun soll ein "mediales besseres Wirtschaftsklima die Menschen von ihren Alltagsproblemen ablenken und zum Vertrauen in die Banken animieren" Beitrag von Wassilis Aswestopoulos bei telepolis: Euro-Krise in Griechenland - der Kater danach

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

ARGENTINIEN
Argentiniens Staatspräsident Mauricio Macri hat gegen ein vom Parlament verabschiedetes „Eilgesetz für Arbeit“, mit dem Jobs für mindestens 180 Tage erhalten werden sollten, sein Veto eingelegt.

BRASILIEN
In Brasilien sind vertrauliche Gespräche zwischen dem bisherigen Planungsminister Romero Jucá und einem hohen Funktionär des Erdölkonzerns Petrobras veröffentlicht worden. Aus diesen geht hervor, dass das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff eingeleitet wurde, um laufende Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder der nun regierenden Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) zu sabotieren.

Brasiliens De-facto-Präsident Michel Temer hat Medienberichten zufolge die neuen Minister angewiesen, Möglichkeiten der Veräußerung staatlicher Unternehmen auszuloten.

CHILE
Bei regierungskritischen Protesten in Chile ist es in der Hafenstadt Valparaíso am Samstag zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen, bei denen ein Mann ums Leben kam.

PERU
Die US-amerikanische Drogenbehörde DEA und ihr peruanisches Pendant Dirandro ermitteln gegen den Generalsekretär der Partei Fuerza Popular von Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori, Joaquín Ramírez Gamarra, wegen Geldwäsche in Millionenhöhe.

VENEZUELA
Die Union südamerikanischer Nationen (Unasur) will zwischen der Regierung und der Opposition in Venezuela vermitteln, um die Krise in dem südamerikanischen Land zu lösen.

Der venezolanische Innenminister Gustavo González veröffentlichte gestern kompromittierende Fotos des Präsidenten der Nationalversammlung Henry Ramos Allup, die diesen mit gewalttätigen Mitgliedern der Opposition zeigen.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 27. Mai 2016

Stuttgart: Solidarität mit den kämpfenden KollegInnen in Frankreich!

Die Stuttgarter Initiative Klassenkampf ruft zur Solidarität mit den Protesten in Frankreich gegen das Arbeitsgesetz auf.

Mitte Mai erließ die sozialdemokratische Regierung Frankreichs unter Präsident Francois Hollande mittels einer Art Notveordnung das neue Arbeitsgesetz. Auch ein damit verbundenes Misstrauensvotum überlebte die Regierung problemlos. Nahezu geschlossen stimmte das Parlament somit dem Gesetz zu.

Offiziell soll das neue Arbeitsgesetz den Unternehmen mehr rechtliche Möglichkeiten einräumen, die Wirtschaft konkurrenzfähiger machen und somit mehr Arbeitsplätze schaffen. Tatsächlich stellt es aber wohl die krasseste Beschneidung von ArbeiterInnenrechten zugunsten von UnternehmerInnen in der vierten französischen Republik dar. So sieht das Gesetz u.a. vor, dass innerbetriebliche Abstimmungen gesetzliche Vorgaben zur Arbeitszeit mit Gewerkschaften ausgehandelte Vorgaben überstimmen können. Die Arbeitszeiten können so von 35 Stunden pro Woche auf 48 Stundenpro Woche bzw. 12 Stunden pro Tag erhöht werden. Weiter soll vor allem der Kündigungsschutz aufgeweicht und betriebsbedingte Kündigungen erleichtert werden. Zudem wird es für Unternehmen noch einfacher Menschen mittels befristeter Arbeitsverträge anzustellen. Gerade letzteres sorgt für Unmut unter SchülerInnen und Studierenden.

Der Widerstand auf der Straße und in den Betrieben
Seit Anfang März gehen in ganz Frankreich hundertausende auf die Straße. Alleine am 9. März diesen Jahren demonstrierten frankreichweitweit über 100 000 ArbeiterInnen, SchülerInnen und Studierende. Neben der Ablehnung des neuen Arbeitsgesetzes treibt sie dabei eine generelle Enttäuschung über die Regierung Hollande an. Schon früh kam es dabei zu massiven Zusammenstößen mit und heftigen Übergriffen seitens der Polizei. Es scheint, als wolle die Regierung nach und nach die Proteste mit Gewalt ersticken bzw. wie es einst Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ausdrückte „wegkärchern“. Derzeit weiten sich die Proteste jedoch noch weiter aus. Zunehmend werden auch Betriebe und Infrastruktur bestreikt oder blockiert. Beispielsweise sorgen die Blockaden von Raffinerien und Treibstoffdepots derzeit für Lieferengpässe.
Solidarität ist unsere Waffe
Mit unserer Kundgebung am Freitag, den 27. Mai auf dem Stuttgarter Schloßplatz, wollen wir unserer Solidarität mit dem Widerstand gegen das neue französische Arbeitsgesetz Ausdruck verleihen. Ähnlich wie beim derzeit geplanten weiteren Rentenkahlschlag hier in Deutschland, werden mit dem neuen Arbeitsgesetz die Interessen der arbeitenden Bevölkerung mit Füßen getreten um gleichzeitig Unternehmen noch größere Profite zu ermöglichen.

Organisierung und Solidarität ist das was wir dem entgegenstellen können und müssen.
Gegen die Diktatur der Banken und Konzerne!

Kundgebung:
Freitag, 27. Mai 2016 | 17 Uhr
Stuttgart Schloßplatz

Alle Roma müssen gehen - die Konsequenzen der Asylrechtsverschärfungen

Eine betroffene Roma Familie aus Erfurt berichtet über den Zwang zur Ausreise und die Behandlung durch deutsche Behörden aber auch vom Rest der Gesellschaft im Mai 2016

In der Ausländerbehörde (ABH) Erfurt haben sie uns Ende April gesagt, wir müssen gehen, da gebe es keinen Spielraum. Die Angestellte der ABH hat uns vor der Wahl gestellt, jetzt die sog. „freiwilligen Ausreise“ zu unterschreiben, ansonsten komme innerhalb von 3 Tagen die Polizei zu uns nach Hause, um uns abzuschieben. Das hat sie gesagt, obwohl für die jüngste Tochter noch keinen Negativbescheid vom Bundesamt da ist, das Asylverfahren in dem Fall also noch nicht abgeschlossen ist.

Alle Ausweisdokumente hat die ABH einbehalten, wir haben von der ABH nur noch ein Blatt Papier, die sog. Grenzübertrittsbescheinigung, bekommen. Manchmal habe sie Angst raus zu gehen, so die Mutter der Familie, weil wir keine Dokumente haben, falls die Polizei kommt und uns nach dem Ausweis fragt. In Mazedonien haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Polizei Rom_nja ohne Grund schlägt, wenn sie sie auf der Straße anhält. Obwohl die jüngste Tochter (6 Monate) Bronchitis hat und Probleme am Herzen, wegen derer sie aus ärztlicher Sicht regelmäßige Kontrollen brauche, hat die Angestellte der ABH gesagt, sie sei nicht wirklich krank, das sei nicht so schlimm.

In Mazedonien haben wir keinen Wohnraum für die 5 Kinder und 2 Erwachsenen. Als Rom_nja, die Asyl in der BRD beantragt haben, werden wir in Mazedonien für 2 Jahre keine Hilfe vom Sozialamt oder einer Krankenkasse erhalten.

Das Sozialamt Erfurt hat uns für den Monat Mai nur die Hälfte des Geldes gegeben, da sie davon ausgehen, dass wir ab Mitte des Monats nicht mehr hier sind. Außerdem haben sie schon Anfang Mai aufgehört, das Essensgeld für unsere Kinder in der Schule zu bezahlen. In der Schule wissen alle, dass wir gehen müssen und daher keine Unterstützung mehr durch das Sozialamt bekommen. Wir haben daraufhin in der Schule gefragt, ob sie etwas für die Kinder schreiben können, damit sie hier weiter in die Schule gehen können, aber sie sagen, sie können nicht helfen, da sowieso alle Kinder aus dem Balkan weg müssen. Das ist für sie Grund genug uns nicht zu unterstützen und nichts zu tun.

In Mazedonien werden die Kinder in der Schule als Rom_nja diskriminiert und nicht gefördert, die Lehrer_innen grenzen sie aus und wollen sie nicht haben und die Eltern der anderen Kinder verbieten ihren Kindern, etwas mit ihnen zu tun zu haben. Viele Kinder gehen daher nicht in die Schule und arbeiten als Müll- und Schrottsammler_innen, genau wie die Erwachsenen, denn obwohl es Jobs gibt, bekommen Rom_nja keine Arbeit, weil niemand sie in der Firma haben will.

Die Mutter der Familie hat eine wachsende Zyste im Gehirn und Migräne, die Ärzt_innen empfehlen dringende regelmäßige Kontrollen und evtl. eine Operation der Zyste. Aber das Sozialamt hat Anfang Mai den Ärzt_innen Bescheid gegeben, dass sie keinerlei ärztliche Hilfen mehr für unsere Familie bewilligt, auch nicht für das Baby. Alle Medikamente müssen wir in der Apotheke selbst kaufen. In der Apotheke hat die Angestellte gesagt, ich muss dringend mit dem Baby zum Arzt, aber das geht nicht, weil das Sozialamt nicht dafür bezahlt –“ so haben sich die Ärzte geweigert, nicht mal im Krankenhaus haben sie etwas gemacht, nur ein Rezept für ein Medikament gegen Bronchitis ausgestellt, aber auch das mussten wir komplett selbst bezahlen. Jetzt schlägt es nicht an und wir machen uns große Sorgen.

Zu Beginn der zweiten Maiwoche haben wir dann unsere Tickets für Mitte Mai nach Skopje von der ABH erhalten und auch unser Pässe wieder bekommen. Dass unsere jüngste Tochter krank ist, hat die Mitarbeiterin der ABH dabei nicht interessiert.

In der Woche vor der Zwangsausreise haben wir noch mal bei unserem Kinderarzt vorgesprochen und er hat sich unsere Tochter angeschaut. Als er hörte, dass wir in ein paar Tagen ausreisen müsse, war er dann auch sehr besorgt um die Gesundheit unseres kleinsten Kindes. Der Arzt rief in der Ausländerbehörde und im Sozialamt an, um mit der zuständigen Sachbearbeiterin der ABH und denjenigen aus dem Sozialamt zu sprechen und noch mal auf die gesundheitsgefährdende Reise hinzuweisen und die Ausländerbehörde davon zu überzeugen, dass das Baby nicht reisefähig ist. Daraufhin zogen die Mitarbeiterinnen der ABH ihren Chef hinzu und das Gesundheitsamt wurde ebenfalls eingeschaltet. Obwohl der Kinderarzt ganz anderer Meinung war, hat die Ärztin des Gesundheitsamtes unsere jüngste Tochter für reisefähig erklärt. Sie hat sie nur kurz gesehen und gar nicht richtig untersucht.

Was mich als Mutter sehr schockiert hat, war, dass laut dem Kinderarzt die zuständige Sachbearbeiterin der ABH Erfurt ihm gesagt hat, er solle doch einfach bestätigen, dass das kleine Kind gesund ist. Dies hat der Kinderarzt verweigert, da unser Baby sehr krank ist.

Wir hatten in dieser letzten Woche vor der erzwungenen Ausreise mehrere Termine in der ABH. Zwischenzeitlich war uns angeboten worden, dass wir noch eine Woche länger bleiben können, damit unsere Tochter wieder etwas gesund werden kann. Dann wieder hieß es, nur die Mutter und das Baby könnten noch bleiben und der Vater und die anderen Kinder müssten in jedem Fall sofort gehen. Wir fragen uns, wie wichtig das Kindeswohl unserer Kinder für die Ausländerbehörde ist, wenn sie sagt, dass unsere Familie sich trennen soll.

Einen Tag vor dem Ausreisetermin war dann wieder alles anders. Wir haben wieder Tickets für alle für den nächsten Tag bekommen und uns wurde wieder gedroht, dass, wenn wir länger bleiben, die Polizei kommen würde. Außerdem haben sie angekündigt, dass wir keine Sozialleistungen o.Ä. mehr erhalten würden. Wir sind deshalb völlig geschockt und müssen nun ganz schnell alles packen. Wir sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Kinder, besonders um das kranke jüngste Kind.Am Nachmittag vor unserer Ausreise war die Sachbearbeiterin aus der Ausländerbehörde noch mal bei uns zu Hause im Lager. Sie ließ sich verschiedene Dokumente von uns unterschreiben. Wir wissen nicht, warum sie bei uns zu Hause war und was sie von uns wollte. Es war sehr komisch, dass sie extra noch mal zu uns nach Hause kam. Auch der Hausmeister kam noch mal, um die Wohnung zu kontrollieren.

Wir haben keine Wahl, wir müssen sofort ausreisen. Wir haben schon mehrere Familien bei der Abschiebung gesehen, das macht uns sehr viel Angst und Stress. Erst Mitte April wurde aus unserer Unterkunft ein Mann in den Kosovo abgeschoben. Er muss regelmäßige Psychopharmaka nehmen und war mehrmals wegen schwerer Traumata in der Psychiatrie. Er hatte ein Attest, dass er nicht reisefähig ist und sein Anwalt sagte ihm, er kann deshalb nicht abgeschoben werden, er brauche keine Angst haben. Ein paar Tage später kam die Polizei früh zwischen 4 und 5 Uhr und sie haben ihn so wie er war mitgenommen, nur mit seinen Klamotten. Er hatte keine Zeit irgendetwas etwas zu packen, sollte nur Schuhe und Jacke anziehen. In Deutschland habe ich viel Sress und viel Angst wegen der Ämter und der Polizei aber auch wegen der vielen Nazis, so die Mutter der Familie. Plötzlich geht alles so schnell und alle wollen uns nur noch weg haben. Niemand tut etwas dagegen oder hilft uns. Nur der Kinderarzt hat es versucht aber nicht mal das hat geholfen. Das ist nicht normal, so dürfen sie nicht mit uns umgehen. Mein jüngstes Kind ist in Deutschland geboren und sehr klein und krank, warum wollen sie nicht ein mal ihr helfen? Unser Leben ist ihnen egal, aber das geht nicht. Wir sind auch Menschen und wir müssen die Möglichkeit haben, gesund zu sein und ohne Angst zu leben!

Quelle: Pressemitteilung von Roma Thüringen

Blogkino: Tabu (1931)

Heute zeigen wir in unserer beliebten Reihe Blogkino mit Tabu den letzten von Friedrich Wilhelm Murnau gedrehten Film. Der Film wurde mit einem Oscar für die Kameraführung ausgezeichnet. Die Südseeballade - eine außergewöhnliche poetische und stimmungsstarke Mischung aus Spielfilm und ethnografischer Studie - ist ein Stück Filmgeschichte und der letzte, den wir in dieser kurzen Murnau Retrospektive zeigen.

"Matahi ist ein Perlentaucher auf der Südsee-Insel Bora Bora. Er begegnet der schönen Reri und verliebt sich in sie. Kurze Zeit später trifft der alte Krieger Hitu auf der Insel ein, der als Abgesandter des Häuptlings von Fanuma dem Häuptling von Bora-Bora eine Nachricht überbringt. Zur Religion der Insulaner gehört es, eine Frau als göttliche Jungfrau zu ernennen. Die derzeitige Jungfrau ist gestorben, und der Häuptling von Fanuma, Oberhäuptling aller Inseln, hat sich für Reri als ihre Nachfolgerin entschieden. Sie wird von Hitu nun mit einem Tabu belegt, womit sie den Göttern geweiht ist. Jeder Mann, der sie begehrt, ist des Todes. Hitu wurde damit beauftragt und steht mit seinem eigenen Leben dafür ein, Reri nach Fanuma zu bringen. (...)" (Wikipedia)

VVN-BdA verurteilt die Vertreibung der Roma aus dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas durch die Polizei

Der Bundesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) erklärt zu den gestrigen Vorgängen bei dem neben dem Berliner Reichstag gelegenen Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas:

"Gestern hat eine Gruppe von Abschiebung bedrohter Roma das Denkmal besetzt, um auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen.

Seit die ethnisch konstruierten Nachfolgestaaten Jugoslawiens zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt wurden, haben sie als „Balkanflüchtlinge“ keine Chance mehr, in Deutschland Asyl zu finden. Was dabei nicht berücksichtigt wird: Serbien, Kroatien oder Kosovo mögen für Serben, Kroaten oder Albaner sichere Herkunftsländer sein, für Roma nicht! Sie fliehen vor Diskriminierung, Ausgrenzung und Entrechtung. Zu Wohnung, Bildung, Gesundheitsfürsorge –“ also zu den minimalsten Voraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens –“ haben sie oft keinen Zugang.

Bereits am 14. September 2012, dem Tag der Einweihung des Denkmals, hatte dort eine Gruppe junger Sinti und Roma Jutetaschen umgehängt, auf denen geschrieben stand: „67 Jahre zu spät“. Das waren 67 Jahre, in denen die Überlebenden von Deportation und Völkermord erleben mussten, dass sie in der postfaschistischen Gesellschaft kein Mitleid zu erwarten hatten, keine Reue, keine Scham. Niemand hat sie je um Verzeihung gebeten.

Geschätzte 100.000 der Ermordeten wurden im besetzten Jugoslawien umgebracht: Tausende von ihnen starben als Geiseln der Wehrmacht, jeweils 100 von ihnen wurden für einen von Partisanen getöteten Soldaten erschossen. Mindestens 30.000 Roma wurden unter deutscher Besatzung allein im KZ Jasenovac von kroatischen Faschisten ermordet. Praktisch keine Familie blieb verschont.

Die heute in Deutschland Schutz Suchenden sind fast alle Nachkommen der Opfer. Wo, wenn nicht am Denkmal für ihre ermordeten Angehörigen, sollen sie die deutsche Gesellschaft daran erinnern, dass Gedenken an die Opfer des Faschismus immer auch Verpflichtung für die Gegenwart bedeutet?

In diesem Sinne bleibt das Denkmal Bezugspunkt für die weitere Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Antiziganismus auch in Deutschland und die polizeiliche Räumung ein weiterer Skandal."

Wer nirgends Mitglied ist, macht sich verdächtig...

Theodor W. Adorno (vorne rechts) mit Max Horkheimer (links) und Jürgen Habermas (hinten rechts) in Heidelberg, 1964
Foto: Jeremy J. Shapiro / CC-BY-SA-3.0
"Key people. - Der Typus des Wichtigmachers, der nur dann etwas zu sein glaubt, wenn er bestätigt wird von der Rolle, die er in Kollektiven spielt, die keine sind, da sie ja bloß um der eigenen Kollektivität willen existieren; der Deputierte mit der Armbinde, der ergriffene Festredner, der den Schlußteil seiner mit gesundem Humor gewürzten Rede durch ein »Möge« einleitet, die Wohltätigkeitshyäne und der Professor, der von einem Kongreß zum anderen eilt - sie alle reizten ehemals als naiv, provinziell und kleinbürgerlich zum Lachen. Unterdessen ward die Ähnlichkeit mit den Fliegenden Blättern abgestreift; das Prinzip aber hat tierisch ernst von den Karikaturen über die ganze Bürgerklasse sich ausgebreitet. Nicht genug, daß deren Mitglieder im Beruf durch Konkurrenz und Kooption der unablässigen gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen sind, wird auch ihr Privatleben absorbiert von den dinghaften Gebilden, zu denen die zwischenmenschlichen Beziehungen geronnen sind. Das hat vorab grob materielle Gründe: nur wer sein Einverständnis durch lobenswerten Dienst an der Gemeinschaft, wie sie ist, durch Eintritt in eine anerkannte Gruppe, und wären es die zu Kegelbrüdern degenerierten Freimaurer, kundgibt, empfängt das Vertrauen, das sich im Fang von Kunden und Klienten und in der Besetzung von Pfründen auszahlt. Der substantial citizen qualifiziert sich nicht allein durch Bankguthaben, ja nicht einmal durch den Tribut an seine Organisationen, er muß sein Herzblut spenden und die freien Stunden, die ihm vom Raubgeschäft übrigbleiben, als Vorsitzender oder Schatzmeister der Komitees zubringen, in die es ihn halb zog, während er halb hinsank. Keine Hoffnung ist ihm gelassen als der obligate Nachruf im Vereinsblättchen, wenn ihn sein Herzschlag ereilt. Wer nirgends Mitglied ist, macht sich verdächtig: bei der Naturalisation wird ausdrücklich verlangt, daß man seine Vereine aufführe. Das aber, rationalisiert als Bereitschaft des Individuums, seines Egoismus sich zu entschlagen und dem Ganzen sich zu weihen, das doch nichts ist als die universale Vergegenständlichung des Egoismus, wird von den Verhaltensweisen der Menschen zurückgespiegelt. Ohnmächtig in der überwältigenden Sozietät, erfährt der Einzelne sich selber nur noch als gesellschaftlich vermittelt. Die von Menschen gemachten Institutionen werden so zusätzlich fetischisiert: indem die Subjekte sich einzig als Exponenten der Institutionen wissen, nahmen diese den Charakter des Gottgewollten an. Man fühlt sich bis ins Mark als Arztfrau, als Mitglied einer Fakultät, als chairman of the committee of religious experts - ich habe davon einmal einen Schurken öffentlich reden hören, und keiner hat gelacht-, so wie man vorzeiten als Teil einer Familie oder eines Stammes sich mag gefühlt haben. Man wird im Bewußtsein nochmals, was man im Sein ohnehin ist. Gegenüber der Illusion der an sich seienden und unabhängigen Persönlichkeit inmitten der Warengesellschaft ist solches Bewußtsein die Wahrheit. Sie sind wirklich nur noch Arztfrau, Fakultätsmitglied und religiöser Experte. Aber die negative Wahrheit wird zur Lüge als Positivität. Je weniger funktionellen Sinn mehr die gesellschaftliche Arbeitsteilung hat, um so sturer klammern die Subjekte sich an das, wozu die gesellschaftliche Fatalität sie bestimmt hat. Entfremdung wird zur Nähe, Entmenschlichung zur Humanität, die Auslöschung des Subjekts zu seiner Bestätigung. Die Sozialisierung der Menschen heute verewigt ihre Asozialität, während doch auch der Asoziale nicht sich schmeicheln darf, er wäre ein Mensch."

Theodor W. Adorno
: Minima Moralia, (Anhang I), aus dem öffentlich zugänglichen Werk (pdf)

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