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Vergehen: Antifaschismus

Baden-württembergische Justiz mißbraucht das Strafrecht, um gegen
Antifaschisten vorzugehen. Rote Hilfe geißelt Vorgehen als
»anti-antifaschistisch«

Wenn es um die Kriminalisierung antifaschistischer Gruppen und Personen
geht, scheint die Phantasie bundesdeutscher Behörden keine Grenzen zu
kennen. In mehreren Fällen wurden in den vergangenen Wochen
Antifaschisten nach Paragraph 86a des Strafgesetzbuches verurteilt, der
die »Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen«
unter Strafe stellt. Das Vergehen der Antifaschisten bestand einzig
darin, auf Ansteckern durchgestrichene Hakenkreuze verwendet zu haben.
Damit wollten sie öffenlich deutlich machen, daß sie Aktionen und
Propaganda von Neofaschisten ablehnen.

Gerade dies sieht die Justiz in Baden-Württemberg jedoch völlig
anders. So eröffnete die Staatsanwaltschaft kürzlich ein Verfahren
gegen einen Versandhandel aus Leutenbach, dem vorgeworfen wurde,
Aufnäher herzustellen und zu vertreiben, auf denen Hakenkreuze im
Verbotsschild oder im Mülleimer zu sehen sind. Der Vertrieb derartiger
Accessoires ließ die Staatsanwaltschaft argwöhnen, der
antifaschistische Versand verfolge mit der Verwendung
nationalsozialistischer Symbolik kommerzielle Ziele. Das Gericht
verurteilte den Betreiber des Versandhandels zu 30 Tagessätzen à 50
Euro.

Ähnlich erging es einem Tübinger Studenten in der Nacht zum 1. Mai
vergangenen Jahres. Der junge Mann wurde im Anschluß an einen
antifaschistischen Protest, der sich gegen rechtsextreme
Burschenschafter richtete, bei einer polizeilichen Durchsuchung eines
Buttons entledigt. Auf dem Anstecker war ein Hakenkreuz,
durchgestrichen mit einem roten Balken, in einem Verbotsschild zu
erkennen. Der Student wurde am 6. November vom Amtsgericht Tübingen zu
einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen à 15 Euro plus 50 Euro Spende
an einen gemeinnützigen Verein verurteilt.

Auch andere baden-württembergische Antifaschisten fielen den
staatlichen Kriminalisierungsversuchen zum Opfer. So konfiszierte die
Polizei eine Broschüre, die bei Aktionswochen vorwiegend in denjenigen
Orten Baden-Württembergs verteilt wurde, die besonders von
faschistischer Straßengewalt geprägt sind. Als Grund für die
Beschlagnahme nannten die Beamten eine im Heft abgedruckte Zeichnung,
die einer Zeitschrift der IG Metall entnommen war. Unter der
Überschrift »Vorsicht Falle« ist dort eine Mausefalle zu sehen, in
der sich ein Hakenkreuz verfangen hat, an dem kleine Parteifähnchen
mit den Aufschriften DVU, NPD und REP hängen.

Das Vorgehen der »Ordnungshüter« rief unterdessen die linke
Solidaritätsvereinigung Rote Hilfe e. V. auf den Plan. »Wenn
Minderjährigen, die am Beginn einer linken Politisierung stehen und
ihre emanzipatorische Orientierung mit eindeutig antifaschistischen
Aufnähern an ihren Jacken symbolisieren wollen, diese Aufnäher auf
offener Straße von Polizisten abgerissen werden, dann wird klar, daß
sich die staatlichen Exekutivorgane zu einschüchternden Handlangern
faschistischer Kreise machen und linkes Engagement im Keim ersticken
wollen«, erklärte Mathias Krause für den Bundesvorstand der
Organisation gegenber junge Welt.

Die Rote Hilfe wird nach seinen Angaben gemeinsam mit den Angeklagten
versuchen, »über die Schaffung von Gegenöffentlichkeit ein
politisches Klima herzustellen«, in dem es der Justiz »nicht mehr so
einfach gemacht wird, Menschen zu kriminalisieren, nur weil sie ihrer
antifaschistischen Gesinnung deutlichen Ausdruck verliehen haben«.
Krause wies in diesem Zusammenhang auf Urteile des Bundesgerichtshofs
und des Oberlandesgerichts Stuttgart hin. Diese hatten Anfang der 80er
Jahre die Strafverfolgung von »Handlungen aus dem Tatbestand des §
86a StGB« ausgeschlossen, wenn sich diese als »von der Allgemeinheit
gebilligte und daher in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben
gänzlich unverdächtige Verhaltensweisen darstellen und somit den
Schutzzweck der Norm nicht verletzen«.
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