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Vor Beginn des Militärgerichtsverfahrens gegen Leutnant Ehren Watada gerät die Presse unter Druck

Im ZMag erschien am 29.1.2007 ein Artikel von Dahr Jamail, der auf der Zeugenliste des Staatsanwalts steht und sich darin nochmals mit dem bevorstehenden Prozess beschäftigt. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch das ZMag:

Eine Woche vor Beginn des Militärgerichtsverfahrens gegen Leutnant Ehren Watada gerät die Presse unter Druck
von Dahr Jamail, zuerst veröffentlicht im ZNet am 29.01.2007

Erinnern Sie sich an meine August-Story über 1st Lt. Ehren Watada. Ich berichtete damals über Watadas Entscheidung, sich nicht in den Irak verlegen zu lassen sowie über seine Rede auf der Nationalkonferenz der Veterans for Peace im August (Text in voller Länge unter http://www.dahrjamailiraq.com/hard_news/archives/newscommentary/00453.php)

In den Wochen nach der Rede kontaktierte mich der Staatsanwalt, der für den Fall Watada vor dem Militärgericht zuständig sein wird. Er teilte mir mit, ich stehe auf seiner Zeugenliste. Daraufhin nahm ich Kontakt zu meinem Rechtsanwalt auf. Ich stehe nun zwar weiter auf der Zeugenliste des Staatsanwalts, habe aber keine Vorladung erhalten, um gegen Watada auszusagen. Das Verfahren beginnt am 5. Februar.

Der Fall Watada ist vor allem aus zwei Gründe von entscheidender Bedeutung:

Erstens, sollte Ehren Watada für seine Rede verurteilt werden, bedeutet dies für alle anderen US-Kriegsdienstverweigerer, sie müssen sich darauf vorbereiten, für ihre Reden noch härter bestraft zu werden als für ihre Weigerung, in den Irak zu ziehen. Zweitens, für Journalisten, die über diese Leute berichten wollen, lautet die beunruhigende Botschaft: die Staatsanwaltschaft kann dich als Waffe benutzen, um gegen deine journalistischen Quellen auszusagen.

Der Fall Watada hat das Potential, zum Präzedenzfall zu werden - mit verheerenden Folgen für das Recht auf freie Meinungsäußerung für Angehörige der US-Streitkräfte und mit verheerenden Folgen für die Möglichkeit von Journalisten, über diese Vorgänge zu berichten. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der (von den Demokraten kontrollierte) US-Kongress entschieden hat, sich auf KEINE Seite zu stellen. Der Kongress hätte bei beiden Punkten Einspruch erheben können.

Aber er hat sich anders entschieden - trotz des öffentlichen Aufschreis unzähliger Medienorganisationen und Mainstream-Organisationen, von Militärberichterstattern und Herausgebern. Letztere schreiben in einem Statement:

"Militärstaatsanwälte laden zwei Journalisten, Gregg Kakesako vom Honolulu Star-Bulletin und die freie Journalistin Sarah Olson aus Oakland/Kalifornien, vor. Diese sollen in der Vorverfahrensanhörung gegen einen Armeeoffizier aussagen, der sich gegen den Krieg ausgesprochen hat und sich weigert, dem Befehl, in den Irak zu ziehen, Folge zu leisten. Das Vorverfahren findet im Januar in Fort Lewis/Washington statt. Als Reaktion auf diese Situation stellen Militärreporter und Editorenpräsident James W. Crawley fest: "Der Versuch, Reporter zu zwingen, vor einem Militärgericht auszusagen, ist das falsche Signal an Medien und Militär". Reporter und Fotografen, die über das Militär schreiben, haben sich bei Amerikas kämpfenden Männern und Frauen eine gewisse Ebene des Vertrauens erarbeitet; diese können sich darauf verlassen, dass ihre Geschichten fair, vollständig und ehrlich berichtet werden. Wenn Militärstaatsanwälte dieses Vertrauen aber missbrauchen, indem sie sie (die Reporter) zwingen, über Dinge auszusagen, die durch andere Zeugen und Beweise abklärbar sind, ersticken sie dieses Vertrauen, dieses Verhältnis zwischen Medien und Militär".

Zusätzlich gab der Amerikanische National Press Club folgende Unterstützungserklärung heraus:

"Der Nationale Presseclub gibt heute bekannt, dass er sich gegen die Vorladung der freien Journalistin Sarah Olson aus Oakland/Kalifornien sowie des Reporters Gregg Kakesako vom Honolulu Star-Bulletin durch die US-Armee stellt. Die Zwangsvorladungen fordern von den beiden Reportern, am 5. Februar, bei der Verhandlung gegen Leutnant Ehren Watada, ihre Zeugenaussage vor dem Militärgericht zu machen. Er (Watada) hatte seine Verlegung in den Irak verweigert und mehrere kritische Bemerkungen zur Kriegsführung gemacht. Eine Petition, die die Zurücknahme der Zwangsvorladungen fordert, wurde ins Internet gestellt." Soweit der Nationale Presseclub.

Unterstützer von Sarah Olson und ich haben folgende Website ins Internet gestellt: http://freepresswg.org

Eine Woche vor Beginn des Militärgerichtsverfahrens gegen Leutnant Ehren Watada, bitten wir Sie, folgende Petition zu unterzeichnen http://www.prwatch.org/defendthepress/index.html

Copyright 2007 Dahr Jamail

Wenn Sie Dahr Jamails Arbeit unterstützen möchten, gehen Sie auf http://dahrjamailiraq.com/donate/ Texte, Fotos, Kommentare usw. unter http://dahrjamailiraq.com


Quelle: ZMag

Weitere Berichte zu Ehren Watada

US-Angeklagter des Tages: Ehren Watada

Zur heute beginnenden Militärgerichtsverhandlung gegen Ltd. Ehren Watada schreibt die Tageszeitung "junge Welt" vom 5.2.2007:

US-Angeklagter des Tages: Ehren Watada

Seit den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg sind Angriffskriege als kriminell geächtet. Die Weigerung eigener Soldaten und Offiziere, an einem solchen teilzunehmen, gilt aber den politischen und militärischen Führungen imperialistischer Staaten immer noch als das größte Verbrechen. Das trifft nun den Leutnant der US Army Ehren Watada, dessen Kriegsgerichtsprozeß heute in den USA beginnt. Er hatte als erster Berufsoffizier der Vereinigten Staaten im Juni vorigen Jahres den Marschbefehl nach Irak verweigert (siehe jW vom 24. Juni 2006). Seine Begründung: Die Bush-Administration habe die Kriegsgründe herbeigelogen und führe folglich im Irak einen »illegalen und unmoralischen« Krieg. Wie seinerzeit in Nürnberg verlangt, müsse er seinem Gewissen folgen und die Teilnahme an einem verbrecherischen Angriffskrieg verweigern. Watada wird gegenwärtig in einer landesweiten Kampagne als »Verräter« angefeindet, zumal er die US-Generalität und Präsident George W. Bush als »eine Bedrohung für die (amerikanische) Verfassung« verurteilt.
Watada muß sich wegen zwei Vergehen verantworten, die »eines Offiziers nicht würdig« seien: Erstens, weil er dem Oberkommandierenden der US-Streitkräfte, Präsident Bush, vorwirft, das amerikanische Volk »betrogen« zu haben. Zweitens, weil er den Marschbefehl nach Irak verweigert hat. Die Bedeutung des Prozesses geht inzwischen weit über Watadas Person hinaus: Die Antikriegsbewegung in den USA gewann zunehmend an Kraft und feiert ihn als einen ihrer Helden.
Klar ist bereits, daß Watada nicht freigesprochen werden kann. Gerade unter jungen US-Offizieren gibt es viele scharfe Kritiker des Irak-Krieges und damit potentielle Nachahmer. Watada hat im schlimmsten Fall eine Strafe von vier Jahren Militärgefängnis zu erwarten. »Für mich lohnt sich das Opfer«, meinte er am Wochenende. Über seine Chancen auf einen fairen Prozeß mache er sich keine Illusionen, wolle aber nicht, daß später gefragt werde: »Warum ist kein Amerikaner dagegen aufgestanden?« (rwr)

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