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Berlin: Nur die allerdümmsten Kälber,ermächtigen ihre Scharfrichter selber

Castor 2011: Un frente llamado Monte Göhrde
Quelle: Libertinus rebelArte
Lizenz: Creative Commons 3.0
Die junge Welt meldet in ihrer heutigen Ausgabe folgendes:

"Berlin. Der Bundestag hat mit den Stimmen von Koalition, SPD und Grünen die Immunität von vier Abgeordneten der Linken aufgehoben. Dies berichtete Spiegel Online am Donnerstag. Den Parlamentariern Jan van Aken, Inge Höger, Sevim Dagdelen und Diether Dehm wird vorgeworfen, sich 2010 beim Castor-Transport in Niedersachsen an einem Aufruf zum »Schottern« beteiligt zu haben. Gemeint war das Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett entlang der Strecke, um die Weiterfahrt des Zuges unmöglich zu machen.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg will gegen die Abgeordneten einen Strafbefehl wegen »öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat« erwirken. Mehreren Unterzeichnern war die Einstellung des Verfahrens angeboten worden, wenn sie an gemeinnützige Organisationen spenden würden. Insgesamt wurde gegen rund 1750 Personen ermittelt. Etwa 450 der Verfahren seien inzwischen eingestellt worden, hieß es. Wegen der Proteste waren zunächst gegen rund 20 Abgeordnete aus Landtagen und dem Bundestag Ermittlungen aufgenommen worden".

Die Forderung nach Immunität von Abgeordneten ist meiner Kenntnis nach zuerst in England entwickelt worden, um zu verhindern, dass nach einer vielleicht kraftvollen Ansprache im Parlament hinter seinen Türen ein königlicher Policeman bereit steht, der den allzuberedten Mund zum Schweigen bringt.

Die Forderung hat ihr Recht behalten, um auch heute noch eine freie und offene Diskussion im Parlament zu ermöglichen. Muss mit administrativen Maßnahmen der Obrigkeitsparteien gerechnet werden, ist keine durchdringende Kritik der Obrigkeit mehr möglich.

Weiter gedacht wären dann nämlich Aufforderungen zu Streiks als Maßnahmen gegen die Regierung nicht möglich. Schließlich hätte nach den gegenwärtig herrschenden Bräuchen ein Liebknecht seinen Knast mit vollem Recht erhalten.

Was muss in den Köpfen der parlamentarischen Mehrheit plus SPD und Grün vorgefallen sein, dass sie offenbar unisono die Immunität der Kollegen aufhoben? Verteidigung der Immunität bedeutet ja keineswegs eine Zustimmung zur Aussage der Verfolgungsbedrohten selbst. Sie muss - geschichtlich betrachtet-gesehen werden als Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen aller Parlamentsangehörigen. Die Arbeit im Parlament besteht notwendig im Reden. Und zwar innerhalb wie außerhalb des "Hohen Hauses", wie man in Augenblicken der Rührung und des unerlässlichen Pathos zu sagen pflegt. Also ließe sich an Aufhebung der Immunität nur denken, wenn es sich um ein schon laufendes Verfahren wegen körperlicher Angriffe usw. handelt. Wer aber - auch bei abweichender Gesinnung- Kollegen im Parlament das Reden schwer und gefährlich macht, der untergräbt seine eigene Position. Selbst einem CSU-Mitglied könnte es unter anderen Umständen passieren, dass ihn eine Strafbedrohung zum noch peinlicheren Flaumachen als üblich bringt.Wenn er dann von einem feindlich gesonnenen Regierungsunterworfenen angegangen wird, wie will er sich da wehren.(Staatsanwälte sind weisungsgebunden und damit im Prinzip auf jeden Fall regierungsabhängig) Und wenn die Schere im Kopf schon vorher zugeklappt ist, mit welcher Ausrede kann er sich dann vor seinen verbliebenen Anhängern herausreden? Mit Berufung auf seine eigene Immunität kann er nach dem gegenwärtigen Umfall auf keinen Fall mehr kommen.

Jeder Protest gegen die Aufhebung der vier Abgeordneten, die sich nicht auf kleine Deals mit der Staatsanwaltschaft eingelassen haben, ist also nicht nur gerechtfertigt. Er ist dringend notwendig, um die Reste freier Parlamentstätigkeit zu retten. Wie mickrig die sich inzwischen auch ausnehmen.

Nachschlag: Ein unvollständiger Wochenrückblick

ARGENTINIEN
Aasgeier über Argentinien. Der Hedgefondskönig Paul Singer ist ein alter Gläubiger Argentiniens. Seit Jahren fordert er 1,3 Milliarden Dollar Staatsschulden zurück und schreckt dabei auch vor rabiaten Mitteln nicht zurück. Jetzt hat er sich vor einem US-Gericht durchgesetzt - ein Urteil mit Folgen.

BRASILIEN
Brasilien hat offenbar eine größere Rolle bei der südamerikaweiten Verfolgung von Diktaturgegnern gespielt, als bisher bekannt. Das sagte der Menschenrechtler Jair Krischke am Montag (Ortszeit) vor der brasilianischen Menschenrechtskommission zur Aufarbeitung von Diktaturverbrechen, wie die Nachrichtenagentur Agência Brasil berichtete.

MEXIKO
In Mexiko geben die Familien vermisster oder ermordeter Mädchen und Frauen oftmals ihr gesamtes Vermögen für die Suche nach ihren Töchtern beziehungsweise die Aufklärung der Verbrechen aus.

Mehre zivile Gruppen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) haben Protestaktionen bei der Amtseinführung des neuen mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto am 1. Dezember angekündigt.

KOLUMBIEN
Kolumbiens Regierung und die Farc-Guerilla wollen die Zivilgesellschaft an ihren Friedensverhandlungen beteiligen. In ihrem ersten gemeinsamen Kommuniqué vom Verhandlungstisch in Havanna schlagen sie ein "Forum über eine integrierte Agrarentwicklungspolitik" vor, das vom 17. bis 19. Dezember in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá stattfinden soll, ohne dass Vertreter der Regierung oder der Guerilla daran teilnehmen.

KUBA
Zum Fall der »Cuban Five« ist ein international besetztes Tribunal in London geplant. Ein Gespräch mit Jan Fermon.

Nach Raubkopien von Havana-Club-Rum und Cohiba-Zigarren wollen Geschäftemacher in Miami jetzt auch vom Erfolg des seit 1938 in Kuba und der Welt gefeierten »Orquesta Riverside« profitieren. Sie planen die Vermarktung einer Band unter dem gleichen Namen.

PARAGUAY
Der Nationale Bauernverband Paraguays (FNC) hat eine gestiegene Anzahl von Fehlgeburten und Krankheiten bei Landarbeiterinnen durch die Verwendung von gesundheitsschädigenden Pflanzengiften auf den Sojafeldern beklagt. Nach Angaben des FNC, der 30.000 Bäuerinnen und Bauern vertritt, zwingt die gegenwärtige Situation viele Familien dazu, ihre Arbeit aufzugeben, um ihre Kinder zu schützen.

VENEZUELA
Beamte der Nationalgarde Venezuelas haben im Hafen von Maracaíbo im nordwestlich gelegenen Bundesstaat Zulia einen Container mit 18.000 Stück Munition unterschiedlichen Kalibers beschlagnahmt. Nach Informationen des Pressesprechers des venezolanischen Innen- und Justizministeriums, Jorge Galindo, kam die Schiffsladung aus Miami, USA, und war als "elektronische Haushaltsgeräte" deklariert.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog. Ausgabe vom 30.11.2012.

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