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Presseerklärung der hungerstreikenden Asylsuchenden in Stuttgart, 29.07.2013

Wir, Geflüchtete aus dem Main-Tauber-Kreis, befinden uns seit 12 Tagen auf der Straße vor dem Integrationsministerium in Stuttgart.

Wir verweigern die Annahme der Essenspakete, um unserem Recht auf freie Wahl der Nahrung Ausdruck zu verleihen und um gegen die anderen unmenschlichen Bedingungen, denen wir Geflüchtete ausgesetzt sind, zu protestieren. Es ist der 12. Tag an dem wir uns außerhalb unserer Lager befinden, um auf der Straße Widerstand gegen die isolierenden Zustände dieser Gesellschaft zu leisten.

Um Antworten auf unsere Forderungen zu bekommen (die wir in unserer ersten Erklärung benannt haben), gehen wir nun einen nächsten Schritt:

Wir, die kämpfenden Asylsuchenden in Stuttgart, begreifen uns als Teil der deutschlandweiten Proteste von Geflüchteten und sind  heute, Montag 29.07.2013, in einen feuchten Hungerstreik getreten.

Dieser Entscheidung liegt unsere Enttäuschung zugrunde: Die Verantwortlichen des Landkreises hatten uns Geflüchteten für den 25. Juli ein Gespräch angeboten, an dem auch Repräsentanten des Integrationsministerium teilnehmen sollten. Die erwartete Diskussion stellte sich jedoch als Pressekonferenz heraus, die von den Verantwortlichen lediglich genutzt wurde, um die gegenwärtige Situation zu rechtfertigen und in keiner Hinsicht eine Lösung für unsere Probleme brachte. Wir, die protestierenden Geflüchteten, sind sehr enttäuscht und fühlen uns getäuscht, sodass wir uns deshalb zu diesem Hungerstreik entschlossen haben, um unsere grundlegenden Rechte einzufordern.

Wir wollen uns nicht mehr vor Abschiebungs-Albträumen fürchten müssen; wenn wir am Morgen aufwachen, wollen wir uns nicht eingemauert in den isolierten Lagern wiederfinden müssen. Wenn wir uns auf den Straßen bewegen, genau wie jede andere Person dieser Gesellschaft, weigern wir uns, die unterdrückende Residenzpflicht zu akzeptieren.

 Wir die Geflüchteten im Hungerstreik fordern die Achtung unserer Würde:

1) Die Abschaffung des Sachleistungsprinzips
2) Arbeitserlaubnis für alle!
3) Die Abschaffung der Lagerpflicht
4) Uneingeschränkte medizinische Behandlung
5) Die Möglichkeit die deutsche Sprache zu lernen
6) Stopp aller Abschiebungen!
7) Asyl für alle, da jede Flucht politische Gründe hat.
8) Die Diskiminierung von Geflüchteten muss aufhören!
9) Die Abschaffung der Residenzpflicht!

Kontakt: refugeesmaintauber@yahoo.com
facebook.com/RefugeeProtestStuttgart

Nachtrag: Muslimbrüder gegen Militär! Einfach zwei Verirrungen?

Karikatur: Carlos Latuff
Die meisten Presseberichte über Ägypten argumentieren so: Militär und Muslimbrüder sind zwei Verirrungen. Die richtige Methode wäre die der "Säkularen". Die haben leider im Augenblick wenig Chancen.

Das scheint mir nicht richtig. Zum einen gibt es seit Jahren kein Beispiel, dass das Militär jemals einen Staatsladen für sich selbst hochgebracht hat. Auch das Chile unter den Putschisten nach Allende hat nichts getan, als die Ausfuhr zu erhöhen, die Verhältnisse im Inland aber entsprechend erniedrigt. Wer also für das Militär sich einsetzt, der erliegt einer bedenklichen Erinnerungstrübung. Vor allem in Ägypten, wo dieselben Massen vor zwei Jahren genau das verflucht haben, was sie jetzt herbeisehnen. Sind die Gelder der östlichen Staaten aufgebraucht, die aus sehr durchsichtigen Gründen jetzt die Diktatur unterstützen, wird man genau an der selben Stelle wieder aufbegehren.

Und die Muslimbrüder? Natürlich möchte niemand fünfmal am Tag zum Gebet gezwungen werden- oder den Weisungen eines Mullah gehorchen müssen. Nur: ist das ein so einmaliges Ereignis? Ich erinnere mich noch - nach 1945 - als das Katholische sich breit machte, dass ein Pfarrer von der Kanzel herunter schrie: Glauben ist wieder modern. Oder heute: die gleichen Blätter, die sich von den Muslimbrüdern sachte distanzieren, verherrlichen die Ansprache des Papstes Franziskus. Drei Millionen Andächtige. Wenn das nicht sogar die Offensive des Woytyla-Papstes gegen den Kommunismus übertrifft. Das alles zeigt nur: auch die ganz Säkularen müssen auf Religion zurückgreifen,wenn sonst nichts mehr zieht.

Was freilich not täte: eine Glaubenshaltung, die sich wirklich auf Gott selbst bezieht  - ohne den Umweg von Mullahs oder sonstigen Gottesgelehrten. Ein Weg des Suchens, nicht des Besitzes von Vorgefundenem.
Wäre das möglich,würde sich ein ganz anderer Weg eröffnen der Anerkennung der verschiedenen Zugänge zum Herrn. Dann wäre auch ein anderer Zugang zu den Christen möglich. Wie - um ein kleines Beispiel zu erwähnen - die bei uns ansässigen Aleviten - nicht zu verwechseln mit den Alawiten Syriens - das beispielhaft tun. All denen gelingt dann auch ein Aufgreifen der sozialen Bewegungen über das Religiöse hinaus.

Deshalb: Immer noch lieber mit den zu Recht aufbegehrenden Muslimbrüdern gegen das allbekannte Totschießargument des ewigen Militärs.

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