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Prozessbericht zur Berufungsverhandlung gegen den Stuttgarter Antifaschisten Chris

Foto: Solikreis
Am heutigen Mittwoch, dem 29. Februar, fand vor dem Stuttgarter Landgericht die Berufungsverhandlung im Verfahren gegen den Antirassisten Chris statt. Der ursprünglich auf drei Termine angesetzte Prozess endete mit einem Vergleich zwischen Anklage und Verteidigung. Die Haftstrafe wurde letztlich um vier Monate auf ein Jahr und drei Monate erhöht und im Gegenzug zur Bewährung ausgesetzt.

Kundgebung vor dem Landgericht
Wie bereits bei den vorherigen Prozessen wurde auch dieses Mal auf eine Kundgebung vor dem Prozess hin mobilisiert. Diese fand ab acht Uhr in der Urbanstraße statt. Anwesend waren ca. 30 Personen, die sich mit Chris solidarisch zeigten und durch Parolen, Transpis, etc. den wahren Charakter des Prozesses und der Klassenjustiz entlarven wollten.

Es gab verschiedene Reden, u.a. von der Ver.di Jugend, vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschafter, der MLPD und uns als Solikreis. Außerdem gab es einen Infotisch mit Materialien zum Prozess, Solishirts und Pullis, die im Voraus für die Verhandlung gemacht wurden.

Prozessverlauf
Aufgrund der peniblen Kontrollen vor dem Gerichtssaal konnte die Gerichtsverhandlung erst mit 15 minütiger Verspätung, mit der Feststellung der Personalien des Angeklagten, beginnen. Anschließend wurde das Urteil des Amtsgerichts auszugsweise verlesen. Der vorsitzende Richter Helwerth stellte anschließend die Position des Gerichtes dar: „Ich teile die Rechtsauffassung ihres Verteidigers, nach aktuellem Wissensstand, nicht“ und stellte klar, dass nach seiner Ansicht das „Urteil des Amtsgerichtes nicht nach einem Freispruch schreit“. Nachdrücklich wirkte er auf eine Einigung hin und betonte in Richtung Verteidigung, dass es „manchmal auch auf Schadensbegrenzung“ ankomme.

Bereits nach 15 Minuten wurde die Verhandlung unterbrochen, damit Staatsanwaltschaft und Verteidigung sich absprechen können.

Gegen 10 Uhr schloss sich der Richter den Gesprächen über eine mögliche Verständigung an. Knapp 45 Minuten später wurde die Verhandlung fortgesetzt. Richter Helwerth fasste die Ergebnisse zusammen, dass man zu dem Ergebnis kam, dass die Verteidigung ihre Berufung auf die Rechtsfolgen beschränkt und im Gegenzug die Staatsanwaltschaft einer Aussetzung zur Bewährung zustimmt.

Im Anschluss wurde Chris zu seiner Person befragt und der Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen. Aufgrund von Erheiterung im Publikum, stellte Richter Helwerth klar, dass er in dieser Hinsicht „vielleicht ein alter, repressiver Sack“ sei und forderte die Prozessbeobachter auf, sich ruhig zu verhalten.

Plädoyers
In seinem Plädoyer stellte Staatsanwalt Dr. Friedrich klar, dass man seiner Ansicht nach „den moralischen Zeigefinger nicht zu einer Faust“ machen dürfe und betonte: „Wir haben hier einen politisch engagierten Menschen (…), dessen Engagement strafrechtlich nicht zulässig ist“.

Neben einer Bestrafung im Rahmen des vereinbarten Strafrahmens, regte er für die Bewährungsauflagen an, „dass das Gericht sich Gedanken macht, wie der Kontakt zu bestimmten Gruppierungen untersagt“ werden könne. Dies begründete er damit, dass sein angeblich gewalttätiges Verhalten durch sein politisches Umfeld bedingt sei.

Der Verteidiger des Angeklagten hielt sich in seinem Plädoyer eher kurz und verwies darauf, während der Verständigungsgespräche bereits seinen Standpunkt dargelegt zu haben und dies zu Protokoll gegeben zu haben. Er sprach sich jedoch gegen ein politisches Betätigungsverbot aus und betonte, dass dies willkürlich sei und auch „nicht realisierbar wäre“.

Urteil
Nach einer 30 minütigen Unterbrechung verkündete das Gericht um 12 Uhr das Urteil: „1 Jahr und 3 Monate auf Bewährung.“ Diese wurden auf drei Jahre Bewährungszeit festgelegt. Zusätzlich wurden 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, ein Antiaggressionstraining sowie das Verbot sich an „gewalttätigen Aktionen der Antifaschistischen Aktion oder ähnlichem zu beteiligen oder diese zu planen“ auferlegt. Desweiteren wurde ihm aufgetragen, sich von Demonstrationen, die sich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zu entwickeln drohen, sofort zu entfernen.

Der Richter betonte während der Urteilsbegründung ebenfalls, dass man lernen müsse, dass die Polizei nicht immer gleich der Feind sei, „zumindest nicht der wahre Feind“. Außerdem konnte er nicht davon absehen, über die Charaktereigenschaften des Stuttgarter Antirassisten zu urteilen und meinte, dass Chris ein „Heißsporn sei, der geneigt ist schnell um sich zu schlagen“. Dies ginge aus dem vorgelesenen Auszug des Bundeszentralregisters hervor. Wenn innerhalb einer Woche keiner der beiden Seiten Revision gegen das Urteil einlegt, so wird dieses rechtskräftig.

Politische Einschätzung des Urteils
Das heutige Urteil stellt aus Sicht des Solikreises keinen Sieg dar, aber einen Teilerfolg, der ohne den politischen Druck nicht zustande gekommen wäre. Die mediale Öffentlichkeit von Naziumtrieben durch das Auffliegen des Terrors der NSU und der momentan ebenfalls im Landgericht Stuttgart stattfindende Prozess wegen des Mordversuchs vonseiten der Nazis in Winterbach haben hierbei ebenso eine Rolle gespielt, wie die spektrenübergreifende Solidaritätsarbeit in Stuttgart.

Es gibt sicher keinen Grund, dem Richter oder der Stuttgarter Staatsanwaltschaft dankbar zu sein. Vielmehr ist die Bereitschaft auf eine Haftstrafe zu verzichten, als Resultat der politischen und juristischen Arbeit zu betrachten. Der entschlossene Verfolgungswille gegen antifaschistisch und links Engagierte konnte durch eine Welle der Solidarität nich ausgebremst, aber zumindest abgefedert werden.

Weder dem Gericht noch der Staatsanwaltschaft ging es um die Klärung der “Schuldfrage”. Der Prozess wurde von Anfang an von beiden Seiten als politischer Prozess geführt. Die Verurteilung von Chris kann und muss letztendlich als Resultat im Spannungsfeld von Druck und Gegendruck bewertet werden. Es ist uns gelungen, hier als Akteur deutlich wahrnehmbar zu sein und Zugeständnisse zu erzwingen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Tatsache dass es weder vom Angeklagten noch seiner Verteidigung zu einer politischen Distanzierung von den vorgeworfenen Taten kam werten wir dabei als Selbstverständlichkeit.

Vorläufige Nachbereitung unserer Solidaritätsarbeit
In den vergangenen sieben Monaten haben wir als Solikreis versucht Öffentlichkeit zu schaffen und Druck aufzubauen. Es war schön für uns zu erleben, wie diese Arbeit spektrenübergreifend von vielen Akteuren aufgegriffen und unterstützt wurde. In den kommenden Wochen werden wir das Verfahren gegen Chris und unsere Arbeit intensiv nachbereiten.

Doch auch mit der Beendigung des Verfahrens gegen Chris ist die Kriminalisierung von Antifaschistinnen und Antifaschisten weiterhin ein aktuelles Thema. Die Verurteilung des Antifaschisten Smily am 17. Februar durch das Amtsgericht Stuttgart zu einer zehnmonatigen Haftstrafe, die hierzu anstehende Berufungsverhandlung, aber auch die vielen „kleinen“ Verfahren fordern weiterhin unsere Solidarität. In welcher Form wir als Stuttgarter Solikreis hierfür einen Rahmen darstellen können, werden wir ebenfalls in den kommenden Wochen diskutieren.

Stuttgarter Solikreis, 29. Februar 2012

Solidaritätserklärung mit den AktivistInnen von NO TAV

Am vergangenen Montag, 27.02.2012, räumte die italienische Polizei in den frühen Morgenstunden die Mahnwache an der Baustelle Clarea der Protestbewegung NO TAV, die seit über 22 Jahren gegen eine Hochgeschwindigkeitsstrecke im Susatal in Norditalien Widerstand leistet.

Durch das Susatal ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon-Turin geplant. Sie ist Teil der Südalpen-Magistrale des TIN (Trans Europäisches Netz) und hat ein Investitionsvolumen von ca.20 Milliarden Euro.

Die bereits bestehende Strecke soll dabei nicht mehr genutzt werden und eine völlig neue Trasse entstehen. Zur Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecke sollen Tunnel u.a. durch asbest- und uranhaltiges Gestein gebohrt werden und der Aushub im Tal verbleiben. Die Natur- und Kulturlandschaft des Susatal wäre damit unwiderbringlich zerstört. Zudem wird es bei diesem unnützen Grossprojekt zu großflächigen Versiegelungen kommen.

Bei diesem Projekt wurden ebenfalls die Fahrgastzahlen und Streckenauslastungen künstlich in die Höhe getrieben und schöngerechnet. Die Bevölkerung wurde nie in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Bei Demonstrationen gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke kam es bereits im Dezember 2005 in Venaus und Juli 2011 an der Clarea und Chiomonte zu massiven Polizeieinsätzen mit viel Gewalt, Tränengas und sogar CS-Gas Einsätzen gegen die Bevölkerung.

Auch wird die Widerstandsbewegung von NO TAV mit einer Kriminalisierungskampagne überzogen und erst im Januar 2012 wurden landesweit 32 NO TAV Aktivisten verhaftet und unter Hausarrest gestellt.

Die Presse wird auch hier als Instrument zur Einschüchterung und Abschreckung eingesetzt und die NO TAV Bewegung pauschal verunglimft und denonziert. Erst letzte Woche war in der Zeitung "La Stampa" zu lesen, dass die Bewegung im "Visier der Polizeibehörden steht, da sie zum Habitat für Neoterroristen geworden ist ". Auch sollen Wasserwerfer mit Reizmittelzusätzen zum Einsatz kommen gegen den "Black Block der anarcho- antagonistischen Szene, die zum Töten bereit sei".

Wir verurteilen den Polizeieinsatz aufs schärfste und drücken den Aktivistinnen und Aktivisten von NO TAV unsere Solidarität aus. Unser besonderes Mitgefühl und Genesungswünsche gelten dem schwerverletzten Aktivisten Luca Abbà, der bei einem Fluchtkletterversuch an eine Stromleitung gelangte und aufgrund seiner schweren Verbrennungen in ein künstliches Koma versetzt werden musste.

Wie in Stuttgart dient auch dieses Projekt im Susatal nicht den Nutzern der Eisenbahn, sondern allein den Macht- und Kapitalinteressen Einzelner aus der Finanz- und Bauwirtschaft. Die Interessen der dort lebenden Bevölkerung werden wie in Stuttgart auch bei diesem unnützen Großprojekt übergangen und Alternativen wurden bewusst ignoriert. Die Baustelle wurde bereits zur "Nationalen Baustelle" erklärt, was zur Folge hat, dass sie offiziell militärisch gesichert und bewacht wird. Auch im Susatal wird die Polizei und sogar das Militär dazu benutzt ein unnützes Großprojekt zu sichern, anstatt dass sie die Bevölkerung vor den Spekulanten und Umweltzerstörer schützt.

Wir möchten den Aktivisten im Susatal signalisieren, dass sie nicht alleine im Kampf gegen Korruption, Machtmissbrauch und verbrecherischen Kapitalinteressen sind und sind mit ihnen auch in diesen schweren Stunden solidarisch.

Wir fordern die Verantwortlichen in Italien und anderswo auf, alle Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke im Susatal und anderswo umgehend und endgültig einzustellen und die Polizeieinsätze sofort zu stoppen.

A SARA DURA („es wird hart“)

Wenn Du mit den Menschen im Susatal solidarisch sein möchtest, kannst Du diese Erklärung unterschreiben. Wir werden diese an die MitstreiterInnen gegen unnütze Großprojekte ins Susatal weitergeben.

Via Arbeitskreis “Stuttgart 21 ist überall –“ S21 international–


Siehe auch unsere weiteren Beiträge zum Val di Susa:

Links zu verschiedenen Initiativen gegen den TAV:

Blogkino: War of the Robots (1978)

In unserer Reihe Blogkino zeigen wir heute einen Film, der deutlich macht, wohin Modernisierungs- und Automatisierungswahn führen kann: "War of the Robots" (La guerra dei robot) aus dem Jahre 1978. Die sog. "Handlung": Eine fortschrittliche außerirdische Zivilisation, die jedoch vom Aussterben bedroht ist, entführt zwei berühmte, auf Gentechnik spezialisierte Wissenschaftler von der Erde. Sogleich kommt die Standardlösung zur Anwendung:

Ein Trupp Soldaten wird entsandt, um die humanoiden Roboter zu bekämpfen und die Opfer zu retten.

Aktionskonsens 2.0 - Ein Vorschlag an die S21 Bewegung

Blockade des TGV am "Tag X" ,Mittwoch, 25. August 2010
Diskussionsbeitrag von Wolfgang Hänisch, aktiv im Bündnis für Versammlungsfreiheit und AK S21 ist überall!

"Denn der so diszipliniert gelebte Protest, dieser geradezu devot vorgetragene Verzicht auf Gewalt, stieß ihn immer mehr ab..." (Heinrich Steinfest: Wo die Löwen weinen, S.93)

Nicht nur Steinfests Romanfigur Tobik hat so seine Schwierigkeiten mit der "unbedingten Gewaltlosigkeit" (Hannes Rockenbauch), die doch schon sehr nach "unbedingtem Gehorsam" klingt.

Die, die damit Schwierigkeiten haben, halten nichts davon, mit Steinen zu schmeißen oder mit Züfles geschickt platzierten Molotow-Cocktails herum zu zündeln.

Sie fragen sich aber, ob es nicht von einem sehr eingeschränkten Verständnis des zivilen Ungehorsams zeugt, wenn die Besetzung von Baustellen ,sei es am Nordflügel oder am GWM, regelmäßig zu wahren Distanzierungsorgien der "Häuptlinge" der Bewegung führt. Das "Fußvolk" denkt anders darüber: von "Befreiungsschlag" war die Rede, davon, dass die "Würde des Widerstands" wieder hergestellt wurde.

Die Besetzung des Bauplatzes oder der Versuch dazu, ist die ultima ratio jeder Protestbewegung, die sich gegen unnütze Großprojekte richtet:
• Von Wyhl bis Brokdorf, von Wackersdorf bis zur Startbahn West, vom Susatal bis zum Baskenland (Widerstand gegen Hochgeschwindigkeitstrassen) - überall war und ist diese Form des zivilen Ungehorsams als völlig legitim anerkannt.
• In Stuttgart scheinen sich die "Häuptlinge" nicht entscheiden zu können, was sie eigentlich wollen: Das Projekt stoppen oder eine gute Presse. Nach dem 14./15.2. hatten wir eine tolle Presse, von Züfle bis Kretschmann gab es Schulterklopfen und Lobeshymnen auf die Friedlichkeit der S21-Gegner.

Aber leider sind jetzt eben die Bäume weg. "Wenn der Gegner uns lobt, haben wir einen Fehler gemacht !?"

Um diese längst fällige Diskussion zu führen, ist es vielleicht sinnvoll, den schon in die Jahre gekommenen Aktionskonsens der aktiven Parkschützer im Lichte der gemachten Erfahrungen auf seine Tauglichkeit zu überprüfen.

Deshalb hier ein Vorschlag, wie ein Aktionskonsens aussehen kann, der versucht, diese Erfahrungen zu verarbeiten: (Die fett gedruckten Passagen sind jeweils die Änderungen bzw. Ergänzungen)

Aktionskonsens 2.0
Stuttgart21 steht dem Willen und dem Interesse der Bevölkerung entgegen. Deshalb sehen wir uns in der Pflicht, alle gewaltfreien Mittel zu nützen, um dieses Projekt zu stoppen.
Gesetze und Vorschriften, die nur den reibungslosen Projektablauf schützen, werden wir nicht beachten.
Durch Einschüchterungsversuche , mögliche Demonstrationsverbote und juristische Verfolgungen lassen wir uns nicht abschrecken.
Wir werden offensiv politisch und juristisch dagegen vorgehen.
Bei unseren Aktionen des Zivilen Ungehorsams sind wir gewaltfrei und achten auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Diese Mittel werden wir gegen alle Einrichtungen, die nur den ungehinderten Projektablauf schützen, entschlossen zum Einsatz bringen.
Unabhängig von Meinung und Funktion respektieren wir unser Gegenüber und erwarten selbstverständlich denselben Respekt gegenüber uns. Insbesondere ist der einzelne Polizeibeamte nicht unser Gegner. Wir verkennen aber nicht, dass die Polizei als Institution des Staates den einzelnen Polizeibeamten durch vielerlei Abhängigkeiten als Werkzeug seiner Machtausübung missbraucht und wir uns dieser Machtausübung erwehren müssen.
Bei polizeilichen Maßnahmen werden wir besonnen und ohne Gewalt handeln.
Wir werden entschlossen unter Einsatz unsrer physischen Präsenz diesen Maßnahmen entgegentreten und durch geeignete Vorkehrungen unsere körperliche Unversehrtheit verteidigen.
Bei Einstellung des Bauvorhabens Stuttgart21 werden wir unsere Blockade- und Behinderungsaktionen sofort beenden.

Die Basis des S21 Widerstands erweitern!

Besetzung des Nordflügels am "Tag X", Mittwoch, 25. August 2010
Diskussionsbeitrag von Wolfgang Hänisch, aktiv im Bündnis für Versammlungsfreiheit und AK S21 ist überall!

Die OB-Wahl zu einer "Oben-Bleiber Wahl" machen will Hannes Rockenbauch, mit einem "Bürgerkandidaten" zu "neuen Mehrheiten" kommen.

Was aber macht der "Bürgerkandidat" im zweiten Wahlgang? Zurückziehen zu Gunsten des grünen Kandidaten, um einen CDU-OB zu verhindern?

Dann wäre der S21-Widerstand wieder dort gelandet, wo er bei der Landtagswahl war - als Wahlhelfer der Grünen. Diesmal mit dem "Umweg" über einen Bürgerkandidaten.

Und was sollte ein grüner OB bezüglich S21 anders machen als ein grüner Ministerpräsident ?

Seien wir realistisch: "Es ist keine etablierte politische Kraft in Sicht, die Willens und in der Lage wäre, diese gefährlichen Prozesse ( Stadtzerstörung, Demokratieabbau) zu stoppen. Die Bürger, die citoyens, werden es wohl selbst richten müßen." (mcmac in freitag vom 23.11.2011)

Der S21-Widerstand sollte sich als das verstehen, was er tatsächlich ist: eine außerparlamentarische Protestbewegung. Auch in anderer Hinsicht ist eine Weiterentwicklung des Selbstverständnisses von Nöten:

Die soziale Frage muss stärker herausgearbeitet werden: S21 ist ein gigantisches Umverteilungsprojekt, bei dem es kurz gesagt darum geht, wie 10 Milliarden € oder mehr Steuergelder in den Taschen von Großkonzernen und Immobilienhaien landen. Das Geld wird also nicht einfach "vergraben", sondern von unten nach oben umverteilt.

Die Vernachlässigung dieser Frage hat zu der grotesken Situation geführt, dass diejenigen, die von steigenden Steuern und Abgaben im Zuge von S21 in besonderem Maße betroffen sind, die auf kommunale Dienstleistungen, die dann wahrscheinlich gestrichen werden,z.T. existenziell angewiesen sind, nämlich ArbeiterInnen, Erwerbslose, MigrantInnen, noch gar nicht von der S21-Bewegung erfasst worden sind bzw. leichte Beute der Projektbetreiber bzw. ihres politischen und medialen Anhangs geworden sind.

Die Stadtgesellschaft ist eben nicht nur deutsch, wohlhabend und kreativ tätig, sondern auch türkischer Herkunft, arm und Fließbandarbeiter.

Weiter gilt es die Bewegung gegen S21 zu verbinden mit dem Widerstand gegen alle anderen Formen der Stadtzerstörung, für das Recht auf Stadt,für die Befreiung der Daseinsfürsorge aus den Fängen der neoliberalen Privatisierung.

Auf der einen Seite wird mit dem gesamten Repertoire polizeilicher und gerichtlicher Repression gegen die S21-Bewegung vorgegangen, auf der anderen Seite erleben wir, wie die Projektbetreiber quasi diktatorisch unter Mißachtung geltenden Rechts, geschützt durch eine willfährige Justiz, schalten und walten können, wie es ihnen beliebt.

"Etwas scheint hier in Richtung eines neuen Totalitarismus mit benutzerfreundlicher, bunter I-Pad-Oberfläche zu driften, nicht sicht-und greifbar das Darunter, kopflos und anonym auf den ersten Blick, ohne aber ( und das scheint der Trick zu sein) das Auge zu beleidigen. Am Ende könnte eine Art schwer durchschaubarer, netzwerkartiger Designer-Faschismus in hellen Pastelltönen stehen (...)" (mcmac s.o.)

Diese Entwicklung läuft auf vielen Ebenen, denken wir nur an die aktive und passive Förderung neonazistischer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz, was nicht etwa zur Trockenlegung dieses Sumpfes geführt hat, sondern zu Verbotsdrohungen gegen die Linkspartei(!). Orwell lässt grüßen.

Diese Entwicklung muss stärker thematisiert werden, insbesondere die Repression gegen S21-Gegner muss politisch und juristisch offensiv bekämpft werden. Eine - wen auch gut gemeinte - "Märtyrer-Haltung" oder der bloße Verweis auf den Rechtshilfe-Fonds verkennt die Brisanz der Entwicklung.

Den Blick über den Tellerrand des Stuttgarter Talkessels weiten:

Ob in München oder Frankfurt, in der Bretagne, im italienischen Susatal oder im Baskenland - überall leisten Menschen Widerstand gegen unnütze Großprojekte. Die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, der Erfahrungsaustausch, die Organisierung landes - und europaweiter Aktionen, erweitert den Horizont und stärkt den Widerstand insgesamt.

Die organisatorische Struktur , die bisher hauptsächlich nach Berufsgruppen und aktionsbezogenen Bezugsgruppen stattfindet, sollte ergänzt werden durch Gruppen, die nach Stadtteilen organisiert sind. Diese existieren z.T. schon (Vaihingen, Cannstatt etc.) , in anderen Stadtteilen gibt es Schwabenstreich - Stammtische und ähnliches.

Die Vorteile dieser Struktur liegen auf der Hand:

- der Widerstand kann in der Masse der Bevölkerung geerdet werden
- sie bietet die Möglichkeit, neue Schichten der Bevölkerung ( im Sinne der oben angesprochenen inhaltlichen Schwerpunktsetzung) für den Widerstand zu erschliessen
- mehr Menschen können sich aktiv einbringen, die "Hemmschwelle" ist niedriger, die Aufgaben übersichtlicher
- die Möglichkeit dezentraler Aktionen wird verbessert
- die basisdemokratischen Strukturen innerhalb der Bewegung können weiterentwickelt werden.

Solidarität mit den Aktivisten von NO TAV!

Proteste gegen den TAV im Val di Susa am 6. November 2005
Foto: Ocelon1444 / wikipedia.it
Lizenz: GNU Free Documentation License, Version 1.2
Vergangenen Samstag fand im Val di Susa eine Solidaritätsdemonstration mit ca. 50 000 Menschen statt. AktivistInnen aus ganz Italien nahmen teil, ebenso wie Delegationen aus Griechenland und aus Stuttgart. Auf der Hauptkundgebung in Susa hielt die Stuttgarter Delegation einen Redebeitrag. Gestern vormittag konten sich die Stuttgarter AktivistInnen an der Mahnwache Clarea über die aktuelle Situation ein Bild machen, die Angespanntheit war bereits deutlich sprübar. Auf dem Plenum der italienischen AktivistInnen, kristallisierte sich heraus, dass der Polizeieinsatz auf diese Nacht vorgezogen würde. Bei diesem wurde der NoTAV Aktivist Luca Abbà schwer verletzt. Abbàs Zustand ist offenbar ernst, er liegt auf der Intensivstation des CTO Krankenhaus in Turin, wo er in ein künstliches Koma versetzt wurde.

Zu den Ereigissen im Susatal erhielten wir folgende Erklärung:

"wir aus Stuttgart erklären uns mit der NO TAV-Bewegung aus dem Susatal/Italien solidarisch und verurteilen auf schärfste die heutigen gewaltsamen Übergriffe seitens der Polizei.

In den frühen Morgenstunden wurde das Gebiet um die Mahnwache Clarea am Bauzaun mit einem Grossaufgebot der Polizei gewaltsam geräumt. Die Vorfälle beklagen bereits einen schwerverletzen Aktivisten, der mit schwersten Verbrennungen in eine Turiner Klinik eingeflogen wurde.

Seit 22 Jahren kämpfen die Einwohner des Susatal im Piemont gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon - Turin. Die Südalpen- Magistrale ist Bestandteil des TIN (Trans Europäische Netz) und hat ein Investitionsvolumen von ca. 20 Milliarden Euro.

Die bereits vorhandene Verbindung soll dabei nicht mehr genutzt werden, sondern eine völlig neue Trasse entstehen.

Zur Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecke sollen Tunnel durch asbest - und urangestein gebohrt werden. Die Natur- und Kulturlandschaft des Susatal wäre unwiderbringlich zerstört. Ebenfalls wird es bei diesem unnützen Grossprojekt zu grossflächigen Versiegelungen kommen.

Fahrgastzahlen und Streckenauslastungen wurden künstlich hoch- und schöngeredet.

Die Bevölkerung im Susatal wurde nie in die Entscheidungsprozesse eingebunden, ebenso wurde alternative Vorschläge nie in Betracht gezogen.

Die Erschliessung und Ausweitung des Baugeländes am Tunnelmund der Clarea seitens der Projektbetreiber führten heute ab 7 Uhr zu den schweren Ausschreitungen um das Gebiet um die Clarea.

Der schwerverletzte Aktivist Luca Abba wurde mittlerweile aufgrund seiner schweren Verbrennungen in ein künstliches Koma versetzt. Er stürzte aus ca 10 Meter von einem Masten ab nachdem er dort bei einen Fluchtkletterversuch vor der Polizei mit einer Hochspannungsleitung in Kontakt kam.

Auch heute kam es wiederholt zum Einsatz von Tränengas gegen die Aktivisten von NO TAV.

Sie haben sich aus dem Gebiet um die Clarea zurückgezogen und besetzen zur Stunde die Landstrassen und Autobahn in ihrem Tal und treffen sich ab 18 Uhr zu einem offenem Plenum in Bussoleno.

Bereits ab heute Abend 17 Uhr wird in allen italienischen Grosstädten zu Solidaritätsdemonstrationen aufgerufen.

Bei unserer Montagsdemonstration in Stuttgart werden wir heute Abend auf die aktuellen Ereignisse im Susatal eingehen und unseren Protestmarsch solidarisch für die NO TAV Bewegung nutzen.

Wir fordern Baustopp in Stuttgart und im Susatal.

a sara dura"


Die 113. Montagsdemo findet heute um 18 Uhr auf der Schillerstraße vor dem Hauptbahnhof statt.


Siehe auch unsere weiteren Beiträge zum Val di Susa:

Links zu verschiedenen Initiativen gegen den TAV:

Berufungsprozess gegen Stuttgarter Antirassisten

Kundgebung vor dem Amtsgericht
Am 29. Februar beginnt der Berufungsprozess gegen einen Stuttgarter Antirassisten vor dem Landgericht in Stuttgart. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im Rahmen antirassistischer Protestaktionen gegen ein Aktionswochenende der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pax Europa e.V.“ und „PI - Politically Incorrect News“ Anfang Juni 2011 in Stuttgart einfache Körperverletzungsdelikte begangen zu haben. Zwei Monate nach den Ereignissen, am 4. August 2011 wurde er unvermittelt auf offener Straße durch LKA-Beamte festgenommen und über vier Monate in Untersuchungshaft in der JVA-Stammheim einbehalten.

Im September letzten Jahres wurde er vor dem Stuttgarter Amtsgericht zu 11 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Verteidigung forderte einen Freispruch und legte Berufung gegen das Urteil ein.

Im gesamten Verfahren und während der Zeit der Untersuchungshaft unterstützten zahlreiche linke und antirassistische Gruppierungen den Angeklagten. Mit Kundgebungen und Solidaritätserklärungen traten die Aktivisten für die Freilassung des Angeklagten ein und warfen der Staatsanwaltschaft eine politisch motivierte Prozessführung zu seinen Lasten vor. Felix Schneider, der Sprecher des „Solikreis Stuttgart“, der sich zur politischen Unterstützung des Angeklagten gegründet hat, kommentiert dazu: „Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat in diesem Verfahren ein weiteres Mal ihren Willen zur Kriminalisierung linker und selbstbestimmter Bewegungen unter Beweis gestellt. Eine unzureichende Beweislast und zahlreiche widersprüchliche Zeugenaussagen, hatten keinen Einfluss auf das harte Strafmaß der ersten Verurteilung. Dieses Vorgehen reiht sich nahtlos in politische Verhandlungen der letzten Jahre ein: Die Kriminalisierung durchgestrichener Hakenkreuze, massenhaft schikanöse Kleinprozesse gegen Stuttgart-21 Gegner und willkürliche Haftstrafen für kurdische Linke sind nur die hervorstechendsten Beispiele.“
Der Angeklagte wurde am 19. Dezember 2011 auf richterlichen Beschluss des Stuttgarter Landgerichts hin gegen eine Kautionszahlung und diverse Auflagen vorläufig aus der Haft entlassen. In drei Prozesstagen am 29. Februar, sowie am 7. und 15. März soll der Fall jeweils ab 9:00 Uhr erneut vor dem Landgericht verhandelt werden.

Der „Solikreis Stuttgart“ mobilisiert erneut zur Unterstützung des Angeklagten. Mit Kundgebungen vor dem Gericht ab jeweils 8:00 Uhr werden die beteiligen Gruppierungen an allen drei anberaumten Prozesstagen weiter ihren Protest gegen die Verfahrenspraxis der Stuttgarter Staatsanwaltschaft artikulieren. „Was im anstehenden Prozess verhandelt werden soll, ist der legitime Widerstand gegen rassistische Umtriebe. Wir werden jedoch nicht zulassen, dass wichtiges gesellschaftliches Engagement zu kriminellen Handlungen umgedeutet wird.“, so die Ankündigung von Felix Schneider

kritisch-lesen.de Nr. 14 Kapitalismus, Märkte, Krisen

Foto: © Jörg Möller
Krisenzeiten sind Zeiten der Veränderung. Veränderung, nicht notwendig hin zum Guten und zur Linken. Wenn Bundeskanzlerin Merkel für ihre Politik weithin Zustimmung erntet, und wenn die SPD von Austeritätspolitik nicht lassen will, dann ist die Frage durchaus berechtigt, ob die Menschen in diesem Land die Tragweite der aktuellen Ereignisse wirklich erkannt haben. Und doch zeichnet sich ein Wandel ab, zwar nur sehr sanft und sicher nicht weitreichend genug, aber doch deutlich: Das neoliberale und marktradikale Konzept des Kapitalismus ist gescheitert. Liberale, die Steuersenkungen fordern, werden nicht mehr ernst genommen, Teile der SPD gefallen sich in exzessiver Selbstbezichtigung und selbst Merkel und Sarkozy sprechen sich für eine Finanztransaktionssteuer aus. Der Beispiele gäbe es noch sehr viel mehr. Zeit also, über Krise, Kapitalismus und Neoliberalismus nachzudenken. Diese Ausgabe von kritisch-lesen.de hat einen wirtschaftspolitischen, einen polit-ökonomischen Schwerpunkt. Er setzt an der aktuellen Krise an, geht aber auch darüber hinaus und stellt grundsätzlicher die Frage nach vermeintlichen polit-ökonomischen Wahrheiten und deren Entzauberung.

Das Scheitern des Neoliberalismus stellt Patrick Schreiner in seiner Rezension von John Cassidys How Markets Fail in den Mittelpunkt. Dabei macht er deutlich, dass selbst ohne eine klare linke Positionierung des Autors diese Analyse des modernen Kapitalismus mit Gewinn gelesen werden kann – und dies gerade auch vor dem Hintergrund der bis weit ins bürgerliche Feuilleton reichenden Debatte um das Scheitern bestimmter Schulen der Wirtschaftswissenschaften. In ähnlicher Weise zeigt Martin Koch in seiner Besprechung von Elmar Altvaters Krisenanalyse Der große Krach auf, dass und wie der Neoliberalismus gescheitert ist. Altvaters Buch zeigt detailliert die Ursachen und den Verlauf der aktuellen Finanzkrise auf. Ein Vergleich beider Rezensionen macht dabei das fruchtbare Spannungsverhältnis deutlich, das zwischen der Analyse des linksliberalen US-Journalisten Cassidy und des linken deutschen Politikwissenschaftlers Altvater besteht. Kai Eicker-Wolf stellt anschließend in seiner Rezension von Georg Fülberths kleinem Bändchen Das Kapital kompakt einen Versuch vor, das Marxsche Denken in einführender Form als Alternative zu gängigen Kapitalismusanalysen wie auch zum wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream (wieder) in Stellung zu bringen. Auch Fritz Güde zeigt in seiner Besprechung von David Harveys Der neue Imperialismus auf, dass ältere Begriffe und Theorien linker Kapitalismusanalyse keineswegs eingemottet gehören. Gerade der Imperialismusbegriff, von Harvey neu und in erfrischender Weise reaktiviert, zeige sich als erklärungsstarkes Instrument. Der Schwerpunkt schließt mit zwei Rezensionen, die spezifische Erscheinungsformen eines vermeintlich alternativen Wirtschaftens unter die Lupe nehmen – und bei denen von einer Krisenanalyse im engeren Sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Ismail Küpeli zeigt anhand von Gerhard Klas kritischer Analyse der Mikrofinanz-Industrie, dass Kleinkredite keineswegs ein gelungenes Instrument zur Armutsbekämpfung darstellen. Patrick Schreiner setzt sich in seiner Rezension von Irmi Seidls und Angelika Zahrnts Postwachstumsgesellschaft kritisch mit den aktuellen wachstumskritischen Debatten auseinander. Er versteht diese als „gefährlichen Wolf im (manchmal antikapitalistischen) Schafspelz“, was auch Seidls/Zahrnts Sammelband einmal mehr deutlich mache.

Außerhalb des Schwerpunkts rezensiert Gabriel Kuhn Und wir bewegen uns noch von Robert Foltin zu jüngeren sozialen Bewegungen in Österreich. Das Buch sei eine „Fundgrube an Information zu linken Diskussionen und linkem Widerstand“. Sebastian Friedrich stellt anschließend das Buch Rassismus von Wulf D. Hund vor, das zwar hervorragend die historischen Zusammenhänge und Kontinuitäten bei der Konstruktion von Stereotypen darstelle, aber in der vorgeschlagenen Rassismustheorie zu kritisieren sei. Sebastian Kalicha nimmt abschließend die Darstellung von Rebellionen von Heugabel bis Kalaschnikow in dem Buch „Der große Traum von Freiheit“ genauer unter die Lupe.

(Pro)feministischen Leserinnen wird nicht entgangen sein, dass in dieser Ausgabe weiblich sozialisierte oder identifizierte Autorinnen nicht vertreten sind. Selbstkritisch müssen wir dazu anmerken, dass dies nur die Zuspitzung einer Tendenz zu unausgewogenen Geschlechterverhältnissen unter den Rezensent_innen von kritisch-lesen darstellt – eine Tendenz, die wir in Zukunft ändern wollen und verstärkt berücksichtigen werden.

Hier gehts zur kompletten Ausgabe

Val di Susa: Rede von Stuttgarter AktivistInnen

Zwischen Turin und Lyon soll für 20 Milliarden Euro eine Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut und in die Alpen hinein geschlagen werden, obwohl die bestehende Bahnstrecke überhaupt nicht ausgelastet ist. Was in Stuttgart der Gipskeuper, ist im Val di Susa asbest- und uranhaltiges Gestein, das durch den Tunnelbau freigesetzt würde.

Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort und leisten Widerstand. Am heutigen Samstag findet eine von Bussoleno nach Susa führende Grossdemonstration gegen die Kriminalisierung der Widerstandsbewegung von NO TAV statt. Mit dabei sind mehrere AktivistInnen der Stuttgarter S21 Bewegung und überbringen Solidaritätsgrüsse aus Stuttgart. Am 26.01.2012 hat die italienische Polizei landesweit 32 Verhaftungen vorgenommen und weitere Ermittlungsverfahren u.a. wegen Körperverletzung und Widerstand gegen die öffentliche Ordnung eingeleitet. Die AktivistInnen der NO TAV Bewegung werden zu den Vorkommnissen vom 03.08.2011 in Chiomante als Kriminelle entdeckt, sowie als Extremisten verunglimpft, ohne einen Bezug auf eine kriminelle Tat.

Sämtlichen Beschwerden und Einsprüche seitens der NO TAV Bewegung ihrerseits gegen den Einsatz vom 03.08.2011 an die Justiz prallen an den Institutionen ab, es werden ausweichende Antworten gegeben und Anhörungen auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die von den AktivistInnen heute gehaltene Rede:

"Hallo liebe Aktivistinnen und Aktivisten von NO TAV
Wir sind für Euch den langen Weg aus Stuttgart gekommen um Euch unsere Solidarität gegen die Kriminalisierung der NO TAV Bewegung zu überbringen. Es ist auch für uns nicht hinnehmbar, dass Aktivisten einer Bürgerbewegung die sich für ihr Land, für ihre Kultur, für ihre Natur und ihre Zukunft einsetzen inhaftiert und unter Hausarrest gestellt werden.

Es ist nicht hinnehmbar, dass eine Bewegung kriminalisiert wird, und gleichzeitig die Justiz auf dem Auge der Projektbetreiber blind ist.

Es ist nicht hinnehmbar, dass illegale Baustellen gegen die Interessen der Bevölkerungen geschützt werden.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Konzerne und Parlamente freie Berichterstattungen einschränken und behindern.

Wir sind empört, dass die Regierungen, unter Verweis auf leere Kassen und Staatsverschuldung diese unnützen Grossprojekte weiter vorantreiben.

Wir sind empört, dass die Bürgerinteressen und Bürgerrechte den Spekulanten aus Finanz- und Bauwirtschaft untergeordnet werden.

Wir verurteilen die Verfolgung von NO-TAV Aktivisten und fordern die sofortige Einstellung aller Verfahren.

Auch wir in Stuttgart erleben fast täglich die Kriminalisierung unserer Bewegung. Bei uns gibt es mittlerweile mehr als 4500 Verfahren gegen uns, gleichzeitig werden Strafverfahren gegen Verantwortliche der Polizeigewalt vom 30.09.2010 aus dem Stuttgarter Schlossgarten verschleppt und eingestellt.

Wir erleben auch wie die Pressefreiheit eingeschränkt wird und wir eigene Medien aufbauen mussten um unsere Themen zu transportieren.

Bei den jüngsten Ereignissen in Stuttgart, mit dem Beginn des Abrisses des Südflügels von unserem Bahnhof vor 1 Monat, wie auch der Schlossgartenräumung vor 10 Tagen gab es sogenannte “inbeded Journalists“, das heisst eine von Regierung und Polizei handvoll ausgelesene Anzahl an Journalisten durften dann in Polizeibegleitung “freie Pressearbeit– ausführen, andere Journalisten wurden nicht zugelassen.

Das Gebiet um unseren Bahnhof und um unseren Schlossgarten herum wurde mit Polizei-Überwachungskameras übersäät um jeden Schritt von uns genauestens zu beobachten.

In der Nacht vom 14. auf 15.2.2012 sind wir der Parkräumung durch die Polizei mit einer Besetzung von 2.000 Aktivisten zuvor gekommen. Die Polizei hat 12 Stunden gebraucht, um den Platz zu räumen. Danach wurden unsere wunderschönen bis zu 200 Jahre alten Parkbäume abgeholzt und geschreddert.

Aber sie bekommen uns in Stuttgart und Euch im Susatal und alle anderen Bürgerbewegungen nicht klein.

Am Samstag nach der Abholzung des Schlossgartens hat es wieder eine Demonstration von 5.000 gegeben unter dem Motto "Ihr macht alles kaputt - uns nicht". Und bei der Montagsdemo diese Woche sind wieder 4.000 auf die Straße gegangen.

Und Eure heutige Demo zeigt, auch im Susatal geht der Widerstand weiter.

Wir fordern Baustopp in Stuttgart und im Susatal

Wir kämpfen weiter für unsere Rechte, für die Umwelt, für unsere Kultur.

Wir legen unsere Zukunft und unsere Umwelt in die eigenen Hände.

Wir stärken uns untereinander und stützen uns durch Solidarität, durch Vernetzung in Italien, in Deutschland und in ganz Europa.

Immer mehr Menschen sind Teil dieser Bewegungen in ganz Europa und wir in Stuttgart sagen immer : "Ihr kriegt uns nicht los - wir Euch schon."

Liebe Grüsse aus Stuttgart, a sara düra und OBEN BLEIBEN!"


Infos unter stuttgart21international.wordpress.com

Siehe auch unsere weiteren Beiträge zum Val di Susa:

Links zu verschiedenen Initiativen gegen den TAV:

Frauentag 2012: Frauenkampf heißt Klassenkampf

Flyer zum Frauenkampftag 2012 (Downloadlink siehe Text)
Wir dokumenrtieren den diesjährigen Flyer der Frauengruppe Stuttgart:

„Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden und ihrer willfähigen Dienerschaft, der Regierung ist.“ Clara Zetkin

Frauen die kämpften – waren Frauen die lebten!

Der Internationale Frauenkampftag geht auf die Kämpfe der Textilarbeiterinnen in den USA zurück. Bereits 1857 kam es am 8. März in New York zu einer Demonstration gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit. Im Jahr 1909 kam es während einem Streik von Textilarbeiterinnen zu einem Massaker, bei dem diese in der Fabrik eingesperrt wurden und 129 Frauen durch ein vorsätzlich gelegtes Feuer starben.

Ausgehend von den internationalen Arbeiterinnenprotesten in Textilindustrie und Tabakfirmen kam die Initiative zum Internationalen Frauenkampftag von der Sozialistin Clara Zetkin, die den Antrag zur Einführung eines jährlichen internationalen Kampftages der Frauen bei der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen im Jahr 1910 einbrachte.

Die damaligen Forderungen waren vielfältig: Frauenwahlrecht, Arbeitsschutzgesetze, Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt, höhere Löhne, Senkung der Lebensmittelpreise, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, 8-Stunden-Tag, Mutter- und Kinderschutz, Festsetzung von Mindestlohn und der Kampf gegen imperialistische Kriege.

Am ersten Internationalen Frauentag 1911 demonstrierten alleine in Deutschland alleine mehr als eine Million Frauen. Seitdem ist der Tag für Frauen weltweit ein wichtiger Bezugspunkt, denn nach wie vor wurden die gesetzten Forderungen nicht erfüllt und ist kein Ende von patriarchalen Verhältnissen in Sicht!

Weil 100 Jahre nicht genug waren!

Jahrzehntelang haben Frauen ihre Rechte erkämpft, gewonnen und verteidigt. Doch bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass wir von der Erfüllung der gesetzten Ziele noch weit entfernt sind und gerade die ökonomischen Forderungen auf dem Arbeitsmarkt haben sich nur partiell erfüllt.

Nach wie vor verdienen Frauen durchschnittlich weniger als Männer: In der BRD liegt der Unterschied bei 23% - damit befindet sich die BRD im unteren Viertel im europäischen Vergleich (Durchschnitt 17,4%). Wenn wir zu dem Niedriglohnsektor Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte dazu zählen, so liegt der Anteil von Frauen bei insgesamt 70%. Von allen Vollzeitbeschäftigten ist nur ein Drittel weiblich.

Frauen sind genauso wie Männer dazu gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, dies jedoch unter deutlich schlechteren Bedingungen. Niedrige Stundenlöhne, Billig- und Teilzeitjobs, sowie befristete Verträge verhindern ein sicheres Einkommen und erschweren dazu eine Einflussnahme auf die eigenen Arbeitsverhältnisse.

Frauen und Männer gemeinsam gegen Kapitalismus und Patriarchat!
Schluss mit doppelter Unterdrückung und Ausbeutung der Frau!

Frauen dienen der herrschenden Klasse als billige und flexible Arbeitskräfte und Lohndrückerinnen. Mit der schlechten Entlohnung der Frau bekommt gleichzeitig der Mann immer weniger Lohn. Somit werden Frauen benutzt um den kapitalistischen Verhältnissen entsprechend Profit weiter zu steigern.

Damit nicht genug, fällt nach wie vor in der heutigen Gesellschaft die Reproduktionsarbeit mehrheitlich der Frau zu. Das bedeutet, dass sie sich um die Kindererziehung und Hausarbeit kümmert. In diesem Sinne unterliegt die Frau einer doppelten Ausbeutung – der ökonomischen, der auch das andere Geschlecht unterliegt, und der frauenspezifischen.

Nach all dem wird klar, dass der Frauenkampf unbedingt mit dem revolutionären Kampf der Arbeiter_Innen gegen den Kapitalismus verbunden sein muss. In diesem Sinne kämpfen wir für eine Gesellschaft, in der die kapitalistische Ordnung, die Herrschaftsverhältnisse und die Frauenunterdrückung überwunden sind und Menschen unabhängig von Profit und irgendwelchen Geschlechterrollen ihr Zusammenleben organisieren können.

Heraus zum Internationalen Frauenkampftag 2012!

Wir werden nicht weitere 100 Jahre auf die Befreiung von patriarchalen Herrschaftsverhältnissen und kapitalistischer Ausbeutung warten. Im Rahmen des Internationalen Frauenkampftages am 8. März rufen wir alle Frauen und Männer auf, sich an dem Kampf für eine Gesellschaft ohne Sexismus, Rassismus, Krieg, patriarchalen und kapitalistischen Strukturen zu beteiligen.

Lasst uns gemeinsam für einen weltweiten Kampf aller Frauen und stellvertretend für die unzähligen namenlosen Frauen, die sich mit ihrem Herz, ihrem Verstand und oft mit ihrem Leben gegen Patriarchat, Faschismus und Imperialismus und für eine revolutionäre Perspektive jenseits der kapitalistischen Ordnung eingesetzt haben, dem Patriarchat, den Herrschafts- und Ausbeutungsstrategien entgegensetzen und für eine andere Gesellschaftsordnung auf die Straße gehen.

Make riots not diets! Sexsimus bekämpfen!

Als Teil des kapitalistischen Systems, welches die Unterdrückung der Frau permanent reproduziert, kommt häusliche und sexualisierte Gewalt von Männern gegen Frauen hinzu. Jede dritte Frau hat sexualisierte Gewalt erlebt, somit sind Vergewaltigung und Missbrauch Bestandteil des patriarchalen Alltags. Erst 1997 wurde in der BRD die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.

Mit Hilfe von Werbung werden Frauen sexualisiert als Ware dargestellt und wird ein Schönheitsideal kreiert, wovon einzig und alleine die Industrie profitiert hergestellt.

Menschen, die der heterosexuellen Norm nicht entsprechen, wie schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen, sind gesetzlich und gesellschaftlich stetig Diskriminierungen ausgesetzt.

Diejenigen, die sich gegen die vorgegebenen hierarchischen Geschlechterverhältnisse stellen, werden nach wie vor von breiten Teilen der Gesellschaft ausgegrenzt und als „unnormal“ bezeichnet.

Wir sagen Schluss damit! Wir sind weder Sexobjekte noch brave Hausfrauen! Wir haben den alltäglichen Sexismus und die heterosexuelle Norm in dieser Gesellschaft satt. Wir bestimmen selbst über unseren Körper und unsere Sexualität!

Heraus zum internationalen Frauenkampftag 2012!

Termine:
Fr. 09.03.2012 findet eine Veranstaltung mit Christina Frank (ver.di Gewerkschaftssekretärin) zu aktuellen Arbeitskämpfen und prekären Beschäftigungssituation der Frau in unserer Gesellschaft, um 19:00 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann statt.

Sa. 10.03.2012 geht es um 15:00 auf die Straße wir treffen uns an der Lautenschlagerstraßen um verschiedene Aktionen durchzuführen!
Anschließend leckere Vokü mit musikalischer Begleitung im Linken Zentrum Lilo Herrmann

Fr. 23.03.2012 wird der Film "Bread and Roses" um 19:00 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann gezeigt.

Download des Flyers:

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Kontakt: Frauengruppe.Stuttgart@gmx.de

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