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Grenzgänger in Katalonien 1939 - 1945

Die Grenze zwischen dem französischen Rousillion und dem spanischen Katalonien ist eine künstliche. Gezogen infolge irgendeines Erbfolgekriegs im 17. Jahrhundert. Zwischen dem Ende des spanischen Bürgerkriegs 1939 und dem Ende des zweiten Weltkriegs 1945 kreuzten sich an dieser Grenze die Schicksale zehntausender Menschen.

Die folgende historisch-fiktive Reportage handelt von diesen Grenzgängern, die die Grenze in die eine oder die andere Richtung überschritten. Sie handelt von ihrer Not, ihren Hoffnungen, ihren Siegen und Niederlagen und ihrem Willen, den Kampf gegen den Faschismus weiterzuführen.

Grenzgänger # 1
8.Februar 1939:

Die spanische Republik ist geschlagen, die Franco-Faschisten haben gesiegt. Ein ungeheurer Flüchtlingsstrom wälzt sich über die Pyrenäen nach Frankreich. Unter ihnen Einheiten des besiegten spanischen Volksheeres.

An jenem 8.Februar überqueren Einheiten der Brigade Lister, des 5., kommunistischen Regiments, benannt nach ihrem General, die französische Grenze über die Berge nahe Banyul. Dieser Weg über die Pyrenäen sollte als Route Lister bekannt werden. Lister selbst überquert die Grenze mit seiner 11.Division bei Perthus. Lister begibt sich sofort nach Banyul zum Gros seines Regiments und stellt sich Bürgermeister Azema (Ihm werden wir später noch begegnen).

Die reaktionäre französische Presse schürt Angst und hetzt gerade gegen diese "Kommunisten, Anarchisten, Sozialisten".

Ein Beispiel: 80 Angehörige der Brigade Lister werden unter der Anklage, "Schmuggelware (Schmuck und Gold) durch mehr als sechs Individuen zu Fuß eingeschleust zu haben "(Staatsanwalt laut "Courrier de Ceret") vor Gericht gestellt. Sie werden auf Antrag der Verteidigung freigesprochen. Aber egal - die Schlagzeile im "Courrier de Ceret" steht und wirkt.

Die Ironie der Geschichte wollte es, dass genau diese "gefährlichen" spanischen Linken, die in höchstem Maße unwillkommen waren, eine wesentliche Rolle bei der Befreiung Südfrankreichs vom Hitlerfaschismus spielen sollten.

September 1940:
Lisa Fittko sitzt im Büro des Bürgermeisters von Banyul, Monsieur Azema : Ein kleiner, breitschultriger Mann, mit dunklen Haaren, scharfen Zügen und klugen, dunklen Augen.

Sie organisiert seit einiger Zeit die Flucht von Nazigegnern aus Frankreich nach Spanien, wo sie mit einem Transitvisum ausgestattet, versuchen nach Portugal zu kommen, um von dort aus das sichere Exil in Übersee zu erreichen.

Der bisherige Fluchtweg über den Grenzort Cerberes war zu unsicher geworden, er wurde von der gardes mobiles inzwischen scharf bewacht. Monsieur Azema schlägt Lisa Fittko einen sicheren, geheimen Schmugglerweg vor, eben jene route lister. So wird die route lister zur F- route (F für Fittko).




Monsieur Azema gibt auch noch einige Tips: morgens früh vor Sonnenaufgang mit den Weinbauern losziehen, kein Gepäck - "et surtout pas de rucksack" (Und auf jeden Fall keinen Rucksack). Der Rucksack ist das sprichwörtliche Kennzeichen der Deutschen.

30.November 1940:

Lisa Fittko notiert in ihrem Tagebuch: "Monsieur Azema, unser gewählter Bürgermeister, ist in aller Stille seines Amtes enthoben und durch einen Mann der Petain-Regierung ersetzt worden. Der neue maire ist irgendein collabo-Beamter (Die reaktionäre Vichy-Regierung des General Petain kollaborierte mit den Nazis), der nicht einmal aus dieser Gegend ist. Überall wird jetzt ausgewechselt, vor allem die sozialistischen Bürgermeister, von Kommunisten ganz zu schweigen.
Azema ist seitdem nicht gesehen worden. Er ist nicht mehr wie vorher am Strand und am Hafen, wo er Leute gegrüßt und sich ab und zu mit jemandem unterhalten hat.
Jetzt erinnere ich mich, wie er am Anfang gesagt hat:" Eines Tages bin ich vielleicht nicht mehr hier"

Nach dem Ende des Krieges, als Lisa und Hans Fittko in Cuba waren und sich um die Einreiseerlaubnis in die USA bemühten, stellte der Bürgermeister Azema, nun wieder im Amt und rehabilitiert, ihr ein Leumundszeugnis aus, in dem er ihre clandestine Flüchtlingshilfe bestätigte

September 2012:
Puig del Mas ist ein ehemaliges Winzerdorf. Die großen Kellereien sind inzwischen alle unten in Banyul, in Touristennähe.
Puig del Mas war der Ausgangspunkt für Lisa Fittkos Rettungsaktionen und auch der gefährlichste Punkt ihres Grenzgangs: Hier war die Überwachung und Kontrolle durch die Grenzpolizei am intensivsten.

In Puig del Mas findet sich ein Gedenkort an Lisa Fittko, ein Wegstück aus rostigem Stahl, als Abschluss eine Metalltafel mit einer Inschrift in französisch und deutsch: "Es war das Selbstverständliche. Dem Andenken von Lisa und Hans Fittko und der vielen anderen. Von September 1940 bis April 1941 führten sie - selbst bedroht - Verfolgte des Naziregimes über die Pyrenäen. Ihre tapfere Tat rettete vielen Menschen das Leben." 



Nachempfunden der Installation "Passagen" zu Ehren von Walter Benjamin, ihres berühmtesten Schützlings, in Port-Bou.



Fortsetzung folgt.

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