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Brutale Hinrichtung kurdischer Aktivistinnen in Paris

Quelle: nadir.org
Vorletzte Nacht wurden drei Leichen von kurdischen Aktivistinnen im 10. Bezirk von Paris gefunden. Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Soylemez wurden durch gezielte Schüsse hingerichtet. Dazu dokumentieren wir Erklärungen des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland e.V.1,der DIDF 2 sowie Einschätzungen von Nûçe3 und Türkei aktuell 4 sowie ein Radio Dreyeckland Gespräch mit Bernard Schmid, freier Journalist und Jurist aus Paris5.

Für den morgigen Samstag ist in Paris eine Großdemonstration angekündigt, bei der LLL Demo in Berlin am Sonntag wird es einen kurdischen Block geben. Nach spontanen Protesten in Paris und anderen Städten kam es heute unter anderem in Berlin, Bremen, Hamburg, Erfurt und Stuttgart zu Solidaritätsdemonstrationen.

1  "Brutaler Mord an drei kurdischen Aktivistinnen ist ein Anschlag auf die Forderungen nach Frieden und Demokratie!

Wir fordern die sofortige und lückenlose Aufklärung!

Mord an drei politischen Vertreterinnen der kurdischen Befreiungsbewegung

Die Meldung über den Mord an drei kurdischen Aktivistinnen in Paris hat uns mit tiefer Bestürzung erreicht. Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Sönmez wurden am Abend des 09.Januar 2013 im Kurdischen Informationszentrum in Paris mit gezielten Kopf- und Nackenschüssen regelrecht hingerichtet wurden. Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Sönmez waren bekannte Vertreterinnen der kurdischen Befreiungsbewegung und als entschlossene Kämpferin für die Durchsetzung der Frauenrechte anerkannt. Sakine Cansiz zählte zu ihrer führenden Repräsentantin.

Der Wunsch von Millionen Menschen nach Frieden darf nicht gebrochen werden! Millionen von kurdischen und türkischen Menschen – und vor allem Frauen und Mütter – fordern seit Jahren das Ende des Blutvergießens, die Demokratiesierung des Landes, die Durchsetzung von Frauen- und Menschenrechten sowie die friedliche und politische Lösung der Kurdenfrage. Die aktuellen Friedensgespräche zwischen der Regierung und den Vertretern der kurdischen Befreiungsbewegung folgten im Zuge ihres jahrelangen Drängens und Widerstandes für Frieden und Dialog.

• Der grausame Mordanschlag dient nur jenen Kräften, die den Friedensprozess in der Türkei schädigen und blockieren wollen.
• Der Tod der drei kurdischen Aktivistinnen dient nur jenen, die anstelle von Dialog und Demokratie weiterhin auf Gewalt und Unterdrückung von Kurden, Frauen, ethnischen/religiösen Minderheiten und allen AkteurInnen der Demokratie- und Friedensbewegung setzen.

Wir Frauen im Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland sprechen der Familie, den Angehörigen der drei kurdischen Aktivistinnen, wie auch allen Frauen und MitstreiterInnen, die sich für eine demokratische und friedliche Lösung der Kurdenfrage einsetzen, unser Mitgefühl, Trauer und Solidarität aus.

Wir Frauen verurteilen zutiefst den Mordanschlag auf Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Sönmez und fordern die sofortige und lückenlose Aufklärung."

Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e.V.
www.migrantinnen.net

2 "Die brutalen Morde an drei Kurdinnen müssen aufgeklärt werden

Der Bundesvorstand Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) veruteilt die Morde an drei kurdischen Politikerinnen, die am 9. Januar 2013 in Paris einem Anschlag zum Opfer fielen. Nach Ansicht der DIDF verfolgen die Mörder das Ziel, den Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage zu verhindern.In der Presseerklärung der DIDF heißt es: “Mit Bestürzung haben wir von den feigen Morden an den drei kurdischen Politikerinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Söylemez im Kurdischen Informationsbüro in Paris erfahren. Wir verurteilen diese Morde aufs Schärfste.”
DIDF wies darauf hin, dass der Zeitpunkt des Attentats nicht zufällig gewählt worden sein kann. ”Vielmehr sehen wir darin den Versuch, die begonnenen Gespräche zwischen dem türkischen Staat und dem PKK-Führer Abdullah Öcalan und den damit eingeleiteten Prozess zu torpedieren.” Obwohl es offensichtlich sei, dass hinter den Morden die Kräfte steckten, die sich gegen Frieden und gegen die Anerkennung der Kurden als Nation stellten, würde versucht, die Tat als Ergenbis interner Machtkämpfe in der PKK darzustellen. Diese seien lediglich Ablenkungsmanöver. DIDF rief dazu auf, sich von diesen Versuchen nicht beirren zu lassen und am Friedensprozess festzuhalten.
DIDF sprach dem kurdischen Volk und insbesondere den kurdischen Frauen ihr herzliches Beileid aus und forderte die französische Regierung auf, die Morde aufzuklären. “Wir erwarten von ihr, dass sie die Ergebnisse ihrer Ermittlungen schnellstmöglich der Öffentlichkeit vorstellt. Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Morde den Willen des kurdischen und des türkischen Volkes für Frieden nicht schwächen wird”, so DIDF. Diese Morde würden die Bestrebungen um eine friedliche, demokratische und gleichberechtigte Lösung der kurdischen Frage nicht aufhalten können."

http://didf.de/

3 "Drei kurdische Politikerinnen in Paris ermordet

In der Nacht zum Donnerstagwurden drei kurdische politische Aktivistinnen im Kurdischen Informationszentrum in Paris ermordet. Neben der Frankreich-Vertreterin des Kurdistan National Kongresses (KNK) Fidan Dogan und der Jugendaktivistin Leyla Söylemez wurde auch Sakine Cansiz, Gründungsmitglied der PKK (Arbeiterpartei Kurdistan) Opfer dieses blutigen Mordanschlags. Der oder die Täter töteten Cansiz und Fidan durch Kopfschüsse, Söylemez wurde sowohl am Kopf, als auch im Magenbereich von Kugeln getroffen. Bei dem Anschlag wurden vermutlich Schusswaffen mit Schalldämpfern benutzt.

Das Kurdische Informationszentrum liegt an einem sehr belebten Platz am Pariser Gare du Nord. In die Büroräume ist durch einen mit hoher Sicherheit versehenen Eingangsbereich des Gebäudes und einer weiteren Tür des Büros zu gelangen. Derzeit sprechen alle Indizien für einen geplanten politischen Mord.

In einer Stellungnahme der Föderation der Kurdischen Vereine in Frankreich FEYKA beim kurdischen Nachrichtensende Nuce TV heißt es: „Wir erwarten von den französischen Behörden eine Stellungnahme, wie es zu solch einen Mord kommen konnte, während hier alle kurdische AktivistInnen unun­terbrochen von der Polizei observiert werden.“

Die FEYKA hat zudem sämtliche Kurdinnen und Kurden aus Europa dazu aufgerufen, nach Paris zu kommen. Während die Untersuchungen der französischen Polizei, des Gouverneurs von Paris und der VertreterInnen des Innenministeriums im Büro des Kurdischen Informationszentrums noch andauern, haben sich tausende KurdInnen aus Paris bereits vor dem Bürogebäude versammelt. Der französische Innenminister kündigte an, dass er im Laufe des Tages am Tatort eine Erklärung abgeben wird.

In einer ersten gemeinsamen Erklärung der beiden Co-Vorsitzenden der Partei für Frieden und Demokratie (BDP), Selahattin Demirtas und Gültan Kisanak, heißt es: „Wir verurteilen den kaltblütigen Mord an den kurdischen politischen Aktivistinnen Sakine Cansiz, der KNK-Paris Vertreterin Fidan Dogan und Leyla Söylemez, der sich in den gestrigen Abendstunden in Paris ereignet hat. Wir fordern die französische Regierung dazu auf, den Vorfall ohne Raum für Zweifel aufzuklären. Zudem möchten wir wissen lassen, dass Morde im belebtesten Teil von Paris nicht verdeckt werden können.“

AKP-Regierung hat die Erklärung der Morde von Paris parat

Schon wenige Stunden nach Bekanntwerden der Ermordung stellte der stellvertretender Vorsitzende und Sprecher der türkischen Regierungspartei AKP, Hüseyin Celik, die Behauptung auf, dass es sich bei dem Fall wohl um eine innerparteiliche Abrechnung der PKK handele. Wie er auf diese Behauptung kam, bevor es von der französischen Polizei oder sonst einer offiziellen Stelle zu einer Stellungnahme kam, ließ er offen. Dennoch griffen zunächst die regierungsnahen Medien, später so gut wie alle Medienorgane der Türkei, diese Erklärung auf und bildeten darauf aufbauend ihre eigenen Verschwörungstheorien. So behauptet die türkische Tageszeitung Hürriyet, dass es angeblich bereits vor langer Zeit zwischen dem Mordopfer Sakine Cansiz und dem inhaftierten PKK Vorsitzenden Abdullah Öcalan zum Zerwürfnis gekommen sei. Geschichten wie diese wird man vermutlich in der kommenden Zeit in den türkischen Medien zu Hauf finden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die türkischen Medien und die Vertreter der türkischen Regierung nach Massakern an der kurdischen Bevölkerung mit unseriösem Verhalten und Erklärungen glänzen. Beim Massaker von Roboski im Dezember 2011, bei dem 34 kurdische Zivilisten durch Luftangriffe des türkischen Militärs ermordet wurden, schwiegen die türkischen Me­dien beispielsweise kollektiv ganze 24 Stunden, bis die Regierung offiziell zu dem Ereignis Stellung bezog. Dieser erklärte dann, dass sich unter den Opfern Terroristen befunden hätten. Allzu lange konnte diese Lüge allerdings nicht aufrecht gehalten werden und die Regierung erklärte später, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe.

Dass türkische Regierungsvertreter in diesem Fall so voreilig mit dem Finger auf andere zeigen, wirft bei uns jedenfalls Fragezeichen auf. Aufschluss darüber könnten die Aussagen des zweiten stellvertretenden AKP Vorsitzenden Besir Atalay geben, die er am 2. Januar im Interview mit der Tageszeitung Milliyet aufgrund der Gespräche des türkischen Staates mit dem inhaftierten PKK Vorsitzenden Abdullah Öcalan machte:

„Während wir einerseits diese Arbeiten [gemeint die Gespräche mit Öcalan] fortführen, versuchen wir andererseits, die Moral und Motivation unserer Sicherheitskräfte, die sich im Kampf mit den Terroristen befinden, aufrecht zu halten. […]

Wir verfolgen eine doppelte Strategie, in die wir alle Instrumente integrieren wollen. Ziel dieser Instrumente ist, dafür zu sorgen, dass sie die Waffen niederlegen. Die Gespräche auf Imrali sind ein Teil dieser Strategie. Auf der anderen Seite führen wir unsere Arbeiten national wie international weiter fort. Wir stehen in Kontakt zu Nordirak und auch unsere Arbeiten in den USA und Europa halten an. Das ist der internationale Fuß unserer Strategie.“

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezog Ende Dezember gar noch unverblümter Stellung, indem er in Richtung der PKK folgende Worte von sich gab:

„Entweder entscheidet ihr euch, wie Menschen unter dieser Nation zu leben, oder ihr sucht euch ein anderes Land, in dem ihr leben könnt. Oder aber ihr versteckt euch weiterhin in euren Höhlen. Aber seid gewiss, dass wir euch auch in diesen Höhlen finden werden.“

„Nicht der erste Mord an kurdischen PolitikerInnen in Europa“

Eine erste Stellungnahme des Kurdischen Nationalkongresses in Brüssel (KNK) gab Zübeyir Aydar, Exekutivratsmitglied des KNK, gegenüber Civaka Azad telefonisch ab. Aydar sagte folgendes zum Mordfall:

„Wir befinden uns in einer Phase des Dialogs. Deshalb bewerten wir diesen Mord als ein schmutziges Spiel und Angriff von dunklen Kräften. Sie haben drei unserer Genossinnen ermordet, die aktiv am politischen Kampf und am Kampf um die Geschlechterbefreiung teilgenommen haben. Der Mord wurde in einem Zentrum verübt, aus welchem das kurdische Volk in der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Tatsache, dass drei Frauen zum Opfer des Mordanschlags wurden, ist eine weitere wichtige Eigenschaft. Wir erwarten vom französischen Staat und den VertreterInnen der EU, dass sie diesen Mordfall lückenlos aufklären. Es ist nicht das erste Mal, dass kurdische PolitikerInnen in Europa zum Opfer von Mordanschlägen wurden [gemeint sind die Morde an den kurdischen Politikern Abdul Rahman Ghassemlou 1989 in Wien und Mihemed Sadiq Åžerefkendî 1992 in Berlin].“

Demonstrationen in Amed (Diyarbakir) und Paris

Unmittelbar nachdem die Ermordung der drei Aktivistinnen bekannt wurde, versammelten sich tausende KurdInnen vor dem Tatort in Paris. Einem Aufruf der Föderation der Kurdischen Vereine in Frankreich FEYKA folgend, sind am Donnerstag Kurd­Innenund ihre UnterstüzerInnen aus ganz Europa auf dem Weg nach Frankreich um gegen die Morde zu protestieren. Auch die Co-Vorsitzenden der BDP, Selahattin DemirtaÅŸ und Gültan Kışanak, werden nach Paris reisen. Am Samstag wird in Paris vorraussichtlich eine Großdemonstration im Gedenken an die Ermordeten stattfinden.

In Amed ruft die BDP für Donnerstag Nachmittag zu einer öffentlichen Pressekonferenz auf. Anschließend ist eine Demonstration zum KoÅŸuyolu Park geplant. (CA/ANF, 10.1., ISKU)

Die Gespräche von Imrali

In den internationalen Medien, besonders aber in der Türkei, haben die Gespräche vom 3. Januar 2013 auf der Gefängnisinsel Imrali mit Abdullah Öcalan große Wellen geschlagen. Am 3. Januar waren der Co-Vorsitzende des DTK (Kongress für eine de­mokratische Gesellschaft) Ahmet Türk und die Abgeordnete der BDP (Partei für Frieden und Demokratie) Ayla Akat zu Gesprächen bei Abdullah Öcalan auf Imrali. Zudem wurde bekannt, dass seit November 2012 Delegationen des türkischen Staates ebenfalls mehrfach zu Gesprächen auf Imrali gewesen sind. Mehrheitlich wird in den Medien die optimistische Ansicht vertreten, dass die Gespräche zu einer Lösung der kurdischen Frage führen können.

Es gibt aber auch skeptische Stimmen. Diese kommen vor allem von kurdischer Seite, weil sie die ergebnislosen Gespräche von Oslo im Jahr 2010 im Hinterkopf haben. Mehrheitlich sind die kurdischen Organisationen und Persönlichkeiten der Meinung, dass die Gespräche wichtig sind und mit der richtigen Person, nämlich mit Abdullah Öcalan stattfinden müssen. Auch vertreten sie mehrheitlich die Meinung, dass die Gespräche einen Weg zur Lösung der kurdischen Frage ebnen können. Jedoch müssen dafür, wie der KCK-Vorsitzenden Murat Kara­yılan oder die BDP-Co-Vorsitzenden Gültan Kışanak gegenüber Firat News Agency (ANF) erklärten, zunächst erste praktische Schritte von Seiten der Regierung erfolgen. Als erster Schritt wird die Verbesserung der Haftbedingungen von Abdullah Öcalan verlangt, damit er seiner Rolle in einem Friedensprozess gerecht werden und mit entsprechenden Institutionen und Personen nach Bedarf kommunizieren kann.

Trotz der Gespräche mit Abdullah Öcalan können die Kurden also noch nicht einem Optimismus verfallen. Dies liegt auch daran, dass ihnen die Realität keinen großen Anlass dazu gibt. Das Massaker von Pîran (Lice) vom 31.12.2012, bei dem 10 Mitglieder der Guerilla getötet worden sind, die andauernden KCK-Festnahmen gegen die kurdischen Politiker und Politikerinnen und die Bewertungen der AKP nahen Medien fordern eine nüchterne Betrachtung. Deshalb hat auch die Co-Vorsitzende des DTK Aysel TuÄŸluk erklärt: „Die Regierung, die vom Frieden redet, hat in der Silvesternacht zehn PKK-Guerillas massakriert.“ Des Weiteren hat sie darauf hingewiesen, dass nach den „Gesprächen von Oslo das Massaker von Roboski stattgefunden und es massenhafte Massaker gegenüber der Guerilla gegeben hat. Deshalb ist weder ein Vertrauen noch eine Hoffnung des Volkes gegenüber der Regierung geblieben. Dieses Vertrauen kann man mit praktischen Schritten z. B. im Bereich des muttersprachlichen Unterrichts wiederherstellen.“ Ähnlich hat auch die BDP-Abgeordnete Sebahat Tuncel Stellung bezogen: „Die Kurden haben niemals einen Friedensprozess sabotiert, weil sie genau wissen, was der Krieg für Folgen hat. Es ist der Staat, der den Prozess mit Massakern wie in Pîran sabotiert.“ In seiner Fraktionssitzung erklärte zudem der Co-Vorsitzende der BDP Selahattin DemirtaÅŸ, dass die Gespräche auf Imrali wichtig sind, dass es sich aber auch bisher nur um Gespräche handelt. Von irgendwelchen Verhandlungen könne bisher nicht die Rede sein. Die Auflösung des Imrali-Systems bezeichnete DemirtaÅŸ als wichtigste Vorbedingung vor möglichen Verhandlungen. Denn nur dann seien auch die Bedingungen für Verhandlungen gegeben. Zudem stellte DemirtaÅŸ in seiner Rede folgendes klar: „Wenn aber die Militäroperationen und die KCK-Festnahmewellen anhalten sollten, braucht auch keiner irgendwelche Anstrengungen für einen vermeintlichen Frieden zu unternehmen. Denn unter solchen Bedingungen sind solche Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt.“

Die AKP nahen Medien bewerten die kurdische Frage nach wie vor als ein Terrorproblem. Daher ist ihre ganze Aufmerksamkeit auch auf die Entwaffnung der PKK gerichtet. Auch deshalb teilen viele Intellektuelle in der Türkei die Skepsis der kurdischen Seite. Die bekannten Schauspieler und Darsteller Altan Erkekli und Ahmet Mümtaz Taylan haben gegenüber ANF erklärt, dass ein Frieden möglich ist, sie aber aufgrund der Erfahrungen alles nüchtern analysieren müssen. Erkekli erinnert auch daran, dass „die AKP im Parlament bereits erklärt hat, man werde sich mit ‚denen‘ nicht an einen Tisch setzen. Im Grunde betrachte ich das ganze kritisch und denke, dass sich ihr Charakter nicht ändern wird“, so Erkekli.

Aber die kurdische Seite verfällt trotz ihrer eher nüchternen Haltung auch nicht in Pessimismus. Die Rahmenbedingungen für eine Lösung sind nicht ungünstig. Das ist auch an den Reaktionen der Öffentlichkeit zu den Gesprächen festzustellen. Das bedeutet aber auch nicht, dass automatisch alles reibungslos bis zu einer Lösung laufen wird. Gerry Adams meinte einst, dass Friedensphasen in der Regel schwieriger verlaufen. Sofern die ersten praktischen Schritte der Regierung folgen sollten, wird die nüchterne Haltung sich in einen Hoffnungsschimmer wandeln. So kann Schritt für Schritt das gegenseitige Vertrauen wiederhergestellt werden.

Die Wiederaufnahme des Dialogs ist wichtig. Er ist Voraussetzung für den Beginn von Verhandlungen. Dafür bedarf es auch einer objektiven internationalen Begleitung, um den Friedensprozess am Verhandlungstisch mit Erfolg führen zu können. Für eine Lösung eines Konfliktes müssen die Kontrahenten auf Augenhöhe zu Verhandlungen ermutigt werden. Wir als Civaka Azad rufen die internationalen demokratischen Institutionen und fortschrittlichen Organisationen auf, den Friedensprozess in der Türkei voranzutreiben, der auch Beispiel für die Lösung weiterer Konflikte in der Region sein kann. Die kurdische Seite ist bereit, das ihr Mögliche für einen gerechten Frieden und einen Demokratisierungsprozess zu geben. (CA, 9.1., ISKU)"

Quelle: Nûçe Nr. 602 – 11. Januar 2013 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/nuce/NUCE602-0111.pdf

oder http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/nuce/index.htm

4 "Kurdische Politikerinnen in Paris ermordet

Am 9. Januar 2013 wurden in Paris in den Abendstunden drei kurdische Politikerinnen ermordet, die in verschiedenen kurdischen Organisationen aktiv waren. Zu den Opfern, die in den Räumen des Kurdischen Informationszentrums durch Kopfschüsse hingerichtet wurden, gehört Sakine Cansiz, die Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) war und nach Angaben aus PKK-Kreisen die Sektion in Deutschland leitete. Das zweite Opfer, Fidan Dogan war die Vertreterin des Nationalkongresses Kurdistan (KNK) in Paris. Leyla Sönmez, die ebenfalls ermordet wurde, hielt sich nach Angaben der Mitarbeiter des Zentrums zur Tatzeit eher zufällig am Tatort auf.

Die Pariser Polizei machte bisher keine Angaben über die Täter oder deren Motive. Es spricht jedoch einiges dafür, dass der Zeitpunkt der Morde nicht zufällig ausgewählt wurde. Nach Bekanntwerden von Gesprächen des türkischen Geheimdienstes mit dem PKK-Führer Öcalan wird in der Türkei seit Jahresbeginn eine heftige Debatte über die Lösung der kurdischen Frage auf dem Wege des Dialogs geführt.

Dabei entstand eine gesellschaftliche Stimmung, in der sich die Mehrheit der Bevölkerung für diesen Weg ausgesprochen hat. Man geht davon aus, dass mit den Morden dieser Prozess konterkariert werden soll. Diese Vermutung sprachen auch die beiden Ko-Vorsitzenden der Partei für Frieden und Demokratie (BDP), Gültan Kisanak und Selahattin Demirtas in einer ersten Erklärung aus. Auch Zübeyir Aydar, der Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der Union der Gemeinschaften Kurdistans  (KCK) ist, kommentierte die Morde als „Angriff gegen den neu eingeleiteten Dialogprozess“ und vermutete als Hintermänner „Angehörige des tiefen Staates in der Türkei“. Dagegen meinte der stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei AKP,  Hüseyin Celik die Täter in den Reihen der PKK ausgemacht zu haben. Man habe zwar keine Erkenntnisse, die Tat könne das Ergebnis von internen Konflikten sei. Aus früheren Erfahrungen wisse man, dass die PKK eigene Mitglieder auf eine ähnliche Weise aus dem Weg geräumt habe."

(Quelle: Türkei aktuell)

5  "Türkische Faschisten? Türkische Geheimdienstkreise? Spekulationen und Reaktionen nach dreifach Mord an kurdischen Aktivistinnen

Gespräch mit Bernard Schmid, freier Journalist und Jurist aus Paris zum dreifach Mord an kurdischen AktivistInnen am Mittwoch den 9. Januar in Paris. Wer könnnte verantworltlich für die Tat sein, bei der unter anderem eine PKK Mitbegründerin ermordet wurde? Wie reagiert die kurdische Community? In der türkisch, kurdischen Lebensader in Paris waren fast alle Restaurants etc. geschlossen. Für Samstag den 12. Januar wird europaweit zu einer Demonstration in Paris mobilisieret."

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Vorabdruck: Bis zur Bolivarischen Revolution mußte Venezuela einen weiten und steinigen Weg zurücklegen. Dabei spielten auch deutsche Begehrlichkeiten eine Rolle.
André Scheer: Venezuela - Reportage aus der Revolution. Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2013, 176 Seiten, 13,90 Euro

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 11.01.2013
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