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Was mir heute wichtig erscheint #353

Verhältnisse: "Bevor im Juni die WM beginnt, begeht Brasilien im März ein trauriges Jubiläum: Es jährt sich zum 50. Mal die Militärdiktatur, die am 31. März 1964 die Macht an sich riss und 21 lange bleierne Jahre andauerte. Es sind nicht alleine die Erinnerungen, die die Militärdiktatur präsent werden lassen, sondern auch die Spuren, die bis in die Gegenwart hineinreichen. (...)" Mehr über die WM in Brasilien und eine Konferenz bei Wolf Wetzel

Wurzeln: "Von wem kommt das Oy in Oi? Wenn ich die jüdischen Wurzeln des Punk erwähne, fallen die Reaktionen meist überrascht oder sogar ablehnend aus. Punk und Juden –“ das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Das orthodoxe Judentum verlangt die strikte Einhaltung eines Regelwerks, Punk steht für das genaue Gegenteil." Lesenswerter Beitrag von Vivien Goldman beim Freitag: "Never Mind the Swastikas"

Digitalkolonialismus: "Obama habe bislang in der NSA-Affäre nur schöne Reden ohne Konsequenzen für die Europäer gehalten, kritisiert EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Europäer seien bei Reisen durch die USA "der Polizei ausgeliefert"". Mehr dazu und warum Europa keine Kolonie der USA sein möchte bei Golem.de

Untragbar: "Die Initiative Zivile Uni Bonn lehnt die geplante „Henry Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung“ an der Universität Bonn ab. Henry Kissinger war als Nationaler Sicherheitsberater (1969 –“ 1975) und Außenminister (1973 –“ 1977) maßgeblich für die Außenpolitik der Vereinigten Staaten verantwortlich. Bei den von Kissinger geplanten und überwachten Bombardements in Vietnam, Kambodscha und Laos starben Hunderttausende Menschen, die ökologischen Folgen des massiven Bomben- und Gifteinsatzes führen bis heute zu Fehlbildungen bei Neugeborenen. Während des von ihm nachdrücklich unterstützten Putsches 1973 in Chile gegen eine demokratisch gewählte Regierung wurden 3000 Menschen ermordet und Tausende gefoltert oder ins Exil getrieben. Kissinger befürwortete den „Schmutzigen Krieg“ in Argentinien, während dem 30.000 Menschen spurlos verschwanden. Kissinger gab der indonesischen Führung sein Einverständnis im Namen der USA für einen Angriffskrieg gegen Osttimor, der mindestens 100.000 Timoresen das Leben kostete (bei einer Gesamtbevölkerung von 800.000). (...)" Eine Erklärung der Initiative Zivile Uni Bonn zur geplanten „Henry Kissinger Professur“ in Bonn.

Mutig: "Die Waldbesetzung im Hambacher Forst wurde geräumt. Mit Hundertschaften, Kletterteams und ganz klaren Einschüchterungsversuchen gegenüber der Öffentlichkeit (“wir raten niemandem, hierher zu kommen–) wurde schließlich genau das getan, was sowieso zu erwarten war: RWE, Land, Stadt und Polizei wollen zeigen, wer herrscht, wer die sprichwörtlichen Zügel in den Händen hält. (...)" Neuer Mut trotz Räumung und Repression

Problematisch: "(...) Die Bilder aus den Ställen, von den Transporten und aus den Schlachthöfen sind für die Industrie ein Problem. Auch dann, wenn sich die Landwirte an sämtliche Vorschriften halten, schockieren sie viele Verbraucher. Konventionelle Nutztierhaltung entspricht nicht dem, was die Verbraucher unter artgerecht verstehen und was sie für akzeptabel halten. Unter dem Druck der Öffentlichkeit verschärfen sich die Gesetze: Legebatterien und das Stopfen von Gänsen sind inzwischen verboten. Über die betäubungslose Kastration von Ferkeln und das Kürzen von Hühnerschnäbeln wird diskutiert.(...)" Die hörenswerte WRD5 Reprotage: "Radikale Tierschützer agieren am Rand des Gesetzes: Lebensrettung um jeden Preis"

Realität: Keine Zahlen in einer Statistik, keine anonymen Verwaltungsakte - Hartz IV real und alltäglich hier in diesem Land: Tatsachenberichte von Hartz IV-Betroffenen

Subtext: "(...) Wer die Geschehnisse rund um die Ukraine verfolgte und dabei seine Medienquellen etwas diversifiziert hat, was dank des Internets ein Leichtes ist, der oder die dürfte schnell mitbekommen haben, wie einseitig, befangen, regierungsergeben und US-eifrig mit zweierlei Maß messend in den vermeintlichen Qualitätsmedien berichtet wird. Schaut man in die Leserkommentare von tagesschau.de (ja sogar Bild.de!), wird schnell deutlich, wie sich hier zwischen Journalistenzunft einerseits und Leserschaft andererseits ein teils tiefer Meinungscanyon aufgetan hat. (...)" Maskenfall zum Widerspruch zwischen Sein und Bewußtsein in der Medienberichterstattung und deren Wirkung zur Entwicklung in der Ukraine

Was ist zu tun gegen die völlige digitale Überwachung?

Wir haben es satt, immer nur über Überwachung zu reden und beim 'Man müsste mal...' stecken zu bleiben. Artikel und offene Briefe allein ändern nichts. Was tun? Was tun!

Um gemeinsam zu überlegen, was zu tun ist und um viele Ideen zu sammeln, zu diskutieren und Aktivitäten zu planen, wird es am 5. April 2014 in Berlin ein Barcamp geben.

Wir vertreten keine Organisationen oder Plattformen, sondern haben uns gezielt als Einzelpersonen zusammengetan, um zu signalisieren, dass wir alle dabei haben möchten, die aktiv werden wollen.

Was wird beim Barcamp passieren?

Im ersten Teil gibt es Raum, um Ideen vorzustellen, kennenzulernen oder zu entwickeln. Es gibt kein festes Programm, stattdessen entsteht es - gut moderiert - aus Beiträgen der Teilnehmenden.

Im zweiten Abschnitt werden konkrete Aktionen geplant, kurzfristige und langfristige. Durch das offene Format können verschiedene Leute und Gruppen zusammenfinden.

Wir wünschen uns, dass Aktionen gegen Überwachung entstehen; sich ein Bündnis formt. Eine Folgeveranstaltung ist für Anfang Mai rund um die Webkonferenz re:publica anvisiert.

Wir würden uns freuen, wenn ihr das Barcamp mit euren Ideen bereichert und diesen Aufruf zur Teilnahme weiterverbreitet. Bitte gebt die Einladung an Freund_innen und Bekannte und auch an andere Gruppen weiter, die sich auf die eine oder andere Weise mit Überwachung, den Hintergründen und Auswirkungen beschäftigen und vielleicht Interesse haben.

Eine formlose und datensparsame Anmeldemöglichkeit gibt es unter http://ausserreichweite.org. Bitte nutzt sie: das erleichtert uns die Planung.

Viele Grüße

Benjamin Bergemann, Julia Kloiber, Lorenz Matzat, Anne Roth, Moritz Tremmel, Thorsten Schröder

Ausser Reichweite –“ UnKonferenz/Barcamp 5. April 2014 in Berlin

Ort: Wikimedia Dtl. e.V., Tempelhofer Ufer 23/24, 10693 Berlin
Termin: Sa., 5.April 2014 | 11-19h

Website: http://ausserreichweite.org/
Kontakt: info-at-ausserreichweite-org

PGP: pgp-at-ausserreichweite-org
Public Key: 0xE3EE4182277E0A6F

Hashtag für Soziale Netzwerke: #wastun
Twitter: @AusserRW



via

Buchbesprechung: Der NSU-VS-KOMPLEX von Wolf Wetzel

„Was macht man also mit der Flut der Informationen, die es im Fall der neonazistischen Mordserie des NSU gibt? Sie sind widersprüchlich, sie passen nicht zusammen, sie verwirren, sie machen ratlos. Will man der Nachricht Glauben schenken, die eine Zeitung veröffentlicht hat, oder dem Dementi, das von staatlichen Stellen oder von (anderen) Medien verbreitet wird.
Im Folgenden geht es darum, nicht den Kopf zu verlieren, sondern die Dementis und die zugrundeliegenden Nachrichten abzugleichen, aneinanderzulegen. Manchmal verraten auch Dementis mehr, als sie wollen, grenzen den erhobenen Verdacht eher ein, als dass sie ihn ausräumen.“ (S. 87)

Wolf Wetzels Buch leistet genau das: es hilft dem Leser angesichts der (Des)informations- Flut, mit der er systematisch in die Irre geführt wird, nicht den Kopf zu verlieren.

So listet er eine Auswahl der bekannt gewordenen Schredderaktionen der diversen Behörden auf. Allein dadurch wird die Dimension und systematische Beweisvernichtung deutlich. Der laufende NSU-Prozess ist u.a. eine Absurdität, denn: „Das Gericht wird also mithilfe der vernichteten Beweise nur das verfolgen, was mit den übrig gebliebenen Beweisen aufgeklärt werden kann/soll. Das heißt im Klartext: Grundlage dieses Prozesses ist eine manipulierte Beweislage.“ (S 9)

Wolf Wetzel räumt auf: mit der „Mär vom Behördenwirrwarr“, der „Legende von den spurlos Verschwundenen“, er deckt auf „die Verschwörung der Zufälle“.

Allein dieses Vorgehen unterscheidet sein Buch schon wohltuend von anderen Veröffentlichungen zu diesem Thema.

Wirklich konstruktiv ist seine Kritik an der Haltung der radikalen Linken zum NSU-VS-Komplex. Er kritisiert die „Haben-wir-ja-schon-immer-gewusst“ Haltung, die in der politischen Praxis zu Passivität führt und dazu, allen möglichen „Aufklärern“ das Feld zu überlassen, was in einem merkwürdigen Kontrast zu der Kompetenz vieler antifaschistischer Netzwerke bei der Aufdeckung neonazistischer Umtriebe und Verbindungen steht.

Auch die landauf landab aufgestellte Forderung nach „Auflösung des Verfassungsschutzes bzw. der Geheimdienste“ nimmt er kritisch unter die Lupe und entwickelt positiv, wie eine politische Praxis zur Durchsetzung dieser Forderung aussehen könnte: „Wer die Abschaffung der Geheimdienste richtig findet, der kann und darf klein anfangen, die Waffe stumpf machen, die zu jedem Geheimdienst gehört: V-Leute, auch gemeinhin Spitzel genannt.“ (S. 127) „Die Einrichtung einer bundesweiten Datei über aufgeflogene V-Leute wäre ein nächster, notwendiger Schritt: man könnte sie BDFS (bundesweite Datei für Spitzel) nennen.“ (S. 128) und „Die Offenlegung aller Akten der Geheimdienste aus den Jahren 1950 bis 1980. Dann könnte z.B. öffentlich überprüft werden, ob der Bombenanschlag auf das Oktoberfest in München 1980 ein irrer Anschlag eines Einzeltäters war oder die Geheimdienste einen erheblichen Tatbeitrag lieferten, damit dieses Massaker passieren konnte, und Spuren, die der Einzeltätertheorie widersprachen, beseitigt worden sind.“ (S. 129) zusätzlich „Die Forderung nach einer Gauck-Behörde-II, zu der alle BürgerInnen Zugang hätten, würde das Feld, auf dem sich Mutmaßungen und Verschwörungstheorien gleichermaßen bewegen müssen, auf demokratische und überprüfbare Weise so klein machen, dass wir am Ende wüssten, ob das, was zum Staatsgeheimnis erhoben wird, den >Interessen der Bundesrepublik< dient oder dem Schutz von Staatsverbrechen.“ (S. 129)

Allerdings gerät Wolf Wetzel bei der Beantwortung der Frage „Wie viel Staat steckt im Nationalsozialistischen Untergrund?“ etwas ins Stolpern. „Auch die historisch belegte Rolle von (bewaffneten) Faschisten als >Systemreserve< halte ich für die heutigen Verhältnisse für falsch.“ (S. 162)

Zeigt aber nicht gerade die Entwicklung in der Ukraine wie eine solche faschistische „Systemreserve“ erst hochgepäppelt und zum gegeben Augenblick dann tatsächlich als „Kettenhund des Kapitals“ losgelassen wird und mit welcher rasanten Geschwindigkeit das geschieht? Warum der Autor zur Untermauerung seiner These sich dann auch noch zur Verharmlosung des Faschismus versteigt, wenn er schreibt „Und welche Verfolgungsmaßnahmen könnte ein faschistisches Regime bereitstellen, die nicht bereits heute >legal< darauf warten, massenhafte Protest –“ in der Zukunft –“ niederzuschlagen?“ (S. 163) ist nur erklärbar dadurch, dass trotz eigener gegenteiliger Analyse (siehe S. 146/147) nicht klar zu sein scheint, dass der „Machtantritt des Faschismus keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie –“ der bürgerlichen Demokratie - durch eine andere Form –“ durch die offene terroristische Diktatur (ist).“ (Georgi Dimitroff, Die Offensive des Faschismus... Ausgewählte Schriften 1933-1945,S. 98)

Fazit: Wolf Wetzels Buch ist absolut lesenswert –“ und auch Dimitroffs Aufsatz verdient nochmal gelesen zu werden.

Wolf Wetzel
Der NSU-VS-KOMPLEXWo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund - wo hört der Staat auf?

2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Oktober 2013
UNRAST-Verlag, Münster

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

DEUTSCHLAND/LATEINAMERIKA/ASIEN/USA
Die “Initiative Zivile Uni Bonn–, die sich gegen die geplante “Henry Kissinger-Professur– richtet, hat in der vergangenen Woche eine Erklärung veröffentlicht, die bereits viele prominente Erstunterzeichner und Organisationen aus der Zivilgesellschaft vorweisen konnte. Unter anderem die Bonner Landtagsabgeordneten “Felix– von Grünberg und Rolf Beu, die Europaabgeordnete Barbara Lochbihler und der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko unterstützen die Losung: “Der Name Henry Kissingers für eine Professur für Völkerrecht ist untragbar.– Begründet wird dies mit Kissingers Mitverantwortung für die Bombardements von Kambodscha, Laos und Vietnam, mit der Unterstützung des Militärputsches in Chile 1973 und des folgenden Pinochet-Regimes, mit Kissingers Aufforderung an die argentinische Junta ihren “Schmutzigen Krieg– gegen die Opposition zu intensivieren und der Billigung des indonesischen Angriffskriegs gegen Osttimor.
Erklärung unterzeichnen: www.zivile-uni-bonn.de

BRASILIEN
Die US-Ratingagentur Standard & Poor–™s (S&P) hat die Kreditwürdigkeit des vor kurzem noch boomenden Schwellenlands Brasilien fast auf Ramschniveau gesenkt. Grund für die Entscheidung seien die niedrigen Wachstumsraten in diesem und im kommenden Jahr sowie Risiken für den Staatshaushalt, teilte S&P am Montag mit.

Mit einem Touristenratgeber für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zieht die Fifa die Verärgerung des Gastgeberlandes auf sich. Die Brasilianer fühlen sich verhöhnt.

Kuba hat in der vergangenen Woche weitere Mediziner nach Brasilien geschickt. Mit den 1684 Spezialisten, die vor wenigen Tagen in dem südamerikanischen Land eintrafen, sind dort mittlerweile 11430 Ärzte und anderes medizinisches Personal von der sozialistischen Karibikinsel in mehr als 4000 Gemeinden und in 32 Bezirken der indigenen Bevölkerung tätig.

EL SALVADOR
Nach wochenlangem juristischen Tauziehen hat der Oberste Gerichtshof von El Salvador den Wahlsieg der linksgerichteten Regierungspartei FMLN bestätigt.

KOLUMBIEN
Der 2013 mit dem höchsten nationalen Journalismuspreis Premio de Bolivar ausgezeichnete Arias (45) wird wegen seiner schonungslosen Aufdeckung von Korruption und Umweltvergehen in seinem Blog vom Paramilitär mit dem Tode bedroht. Arias lebt streng bewacht in seiner Heimatstadt Santa Marta. Ein Interview.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat die endgültige Amtsenthebung des linken Bürgermeisters Gustavo Petro trotz einer gegenläufigen Anordnung der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) unterschrieben.

VENEZUELA
Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) stellt sich an die Seite der Regierung Venezuelas. Am Dienstag sind in Caracas die Außenminister der Organisation zusammengekommen, um an der von Präsident Nicolás Maduro angeregten »Nationalen Konferenz für den Frieden und das Leben« teilzunehmen.

In Venezuela sind am Montag drei Generäle der Luftwaffe verhaftet worden, die einen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung von Präsident Nicolás Maduro geplant haben sollen. Das erklärte der Staatschef am Dienstag (Ortszeit) beim Empfang für die Außenminister der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), die in Caracas zu einer friedlichen Lösung der politischen Krise in dem Land beitragen wollten.

Die Politikerin María Corina Machado ist nicht länger Mitglied der Nationalversammlung Venezuelas. Dies gab Parlamentspräsident Diosdado Cabello bekannt. Machado habe ihr Amt verloren, weil sie eine Funktion für die Regierung von Panama vor der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) in Washington akzeptierte und ausübte.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 28. März 2014

Veranstaltung: Rechte Szene in Göppingen am 2. April

Am Mittwoch, den 2. April findet die erste Veranstaltung des Antifa-Cafés in Göppingen statt. Thema ist "Die Rechte Szene in Göppingen".

Der Landkreis Göppingen hat eine organisierte rechte Szene. Während die NPD mit ihren Aktivitäten 2013 nachgelassen hat, waren die "Autonomen Nationalisten" (AN) umso aktiver. Ermittelt wird seit Ende Februar 2014 vom LKA Stuttgart gegen die AN Göppingen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Vortrag gibt einen Überblick über die rechte Szene vor Ort, darunter auch die der türkischen Faschisten und zeigt auch Bedenkliches aus der Mitte der Gesellschaft auf. So kommen rechte Inhalte im Landkreis auch aus christlichen oder esoterischen Ecke. Im Anschluss findet ein offener Austausch statt, was gegen die Neonazis im Landkreis getan werden kann.

Das Antifa Café ist eine monatliche Reihe von informativen Veranstaltungen der Antifaschistischen Gruppe Göppingen. Hierbei werden interessante Themen von sachkundigen Referenten präsentiert, die selten oder gar nicht im Kreis zur Sprache kommen. Nach den Vorträgen sind direkte Fragen und eine offene Diskussion möglich und erwünscht. Manche Veranstaltungen werden in Kooperation mit anderen Organisationen durchgeführt. Für Getränke ist selbstverständlich gesorgt und ausliegende Informationsmaterialien runden das Abendprogramm ab. Der Eintritt ist frei, eine kleine Spende jedoch ist soweit möglich gerne gesehen. Jeder ist willkommen, außer Nazis. Wir freuen uns auf Deinen Besuch!

19:30 im Haus der Jugend, Dürerstraße 21, Göppingen.

"Rechte Szene in Göppingen"

Bebilderter Vortrag mit einem Referenten der Antifaschistischen Gruppe Göppingen

Den Flyer zur Veranstaltung gibt es hier: AntifaCafe2014-04

1916 - 2016: Blutpumpe light

Nachdem es mit den Überfallstechniken des Schlieffenplans offenbar nicht geklappt hatte, erfand der Generalstabsoffizier von Falkenhayn etwas ganz Neues: die Blutpumpe. Es sollte an einem namensträchtigen Ort eine Situation geschaffen werden, in der die Gegner - die Franzosen - sich verpflichtet fühlen mussten, mehr Soldaten zu opfern, als ihrer Gesamtstärke entsprach. Das würde - nach geraumer Zeit - dazu führen, dass die französischen Opfer so groß würden, dass sie schließlich den Deutschen gegenüber aufgeben und kapitulieren müssten. Und zwar war das damals dem statistischen Denken gemäß zwar in erster Linie am Verlust von Soldaten gemessen. Darüber hinaus - versteht sich - aber auch Verlust von sämtlichen Hilfsmitteln: Waffen aller Art, Lebensmittel usw.

Der Gedanke hört sich damals wie heute wahnsinnig an. Denn - das lag dem Kalkül zugrunde - es mußten bei dem Pumpenmanöver unweigerlich Tausende und Zehntausende deutscher Soldaten eingesetzt werden, wenn nur der Feind noch größere Schäden davontrug. Zugleich war alles völlig berechenbar. Tag für Tag konnte das Unternehmen überschaut werden. Wo an einer Stelle zuwenig Blut floß, konnte nachgegossen werden. Das ganze Manöver zugleich haltloser Irrsinn und berechenbarer Kalkül.

Nun zu den Revanchegelüsten des Westens heute. Aktiver Krieg scheint ausgeschlossen. Was bleibt dann? Obama hat es ziemlich deutlich ausgesprochen: Putin muss "seinen Preis zahlen". Und worin soll der bestehen? Dem ersten Anschein nach diesesmal weniger im Verlust von Soldaten. Aber mehr in der Anhäufung von Verlusten anderer Art. Über Absatzmärkte und Warenstaus schließlich der Ruin des Landes.

Kapitulation mit anschließendem Gericht über Putin und die Seinigen. Und endlich die große westliche Gemeinschaft von Wladiwostok bis zum Atlantik.

Auf den ersten Blick könnte die Rechnung aufgehen. So schlecht es den USA geht, den Resten der UDSSR geht es nicht besser.

Zugleich aber der Falkenhayn-Wahnsinn. Damit der Sieg über Russland gelingt, müsste zwangsweise Europa an allen Stellen sich verkrümmen. Sich auf Sparkurs setzen. Den Zusammenbruch eigener Systeme erdulden. Es ginge nicht anders, als es 1916 ging. Am Ende stehen zwei tödlich Verwundete einander gegenüber. Selbstverteidigung wird zum allmählichen Selbstmord.

Vor allem eines fällt bei den zahllosen Kommentaren auf. Die Selbstbegeisterung. Wenn Obama von einer "Provinzialmacht" spricht, die sich auflehnte, gibt er nur den Ton vor oder nach von hundert Medien. Die Grundvoraussetzung aller: Wir sind im Recht. Der Feind muss zahlen. Kaum einem fällt wieder ein, was Lenin auch vor hundert Jahren schon sagte: Wir leben in der Zeit der Imperialismen. In denen Recht und Umgangsformen nichts mehr zu melden haben gegen die bloße Besitzwahrung. Möglicherweise Ausweitung. Und da sind nicht nur Putin und Obama gleich, sondern auch alle anderen Machthaber auf der ganzen Welt.

Gerade darum ist es so schwer, sich zu erheben gegen den Wahnsinn von Krieg und Rüstung. Es müssten sich Leute zusammenschließen, die über dieses Unheil hinausschauen könnten. Wo aber sind die geblieben? Es könnte sein, dass ihre Zahl nach all den blutigen Erfahrungen heute geringer ist als zu Lenins Tagen.

Das Schlimmste: die Verächtlichmachung der jeweiligen Gegner. Als ob nicht erwiesen wäre, dass vor der Verzweiflung der Generalangriff kommt. Kommen muss. Und dann sich enthüllen wird, dass es ganz am Ende doch wieder die Menschen trifft. Die sterben müssen, damit das Blutopfer seinen letzten Glanz erhält.

Blogkino: Rip Van Winkle (1896)

In unserer Reihe Blogkino zeigen wir heute "Rip Van Winkle" nach einer Kurzgeschichte von Washington Irving. Kurz gesagt, die Geschichte des Bauern Rip Van Winkle, der zur englischen Kolonialzeit in den Bergen New Yorks in einen Zauberschlaf fällt, erst nach zwanzig Jahren wieder aufwacht und feststellt, dass er nun nicht mehr Untertan des englischen Königs, sondern Bürger der Vereinigten Staaten ist.

Was mir heute wichtig erscheint #352

Sichtbar: Verschwörungen sind keine halluzigenen Erscheinungen, sondern eine notwendige Organisationsform krimineller und ggf. staatsterroristischer Handlungen. Parallel zum laufenden NSU-Prozess in München ist der Film –ºDer blinde Fleck–¹ von Autor und Regisseur Daniel Harrich ins Kino gekommen. Wolf Wetzel über den blinden Fleck, der äußerst gut sehen kann: Der Terroranschlag auf das Oktoberfest in München 1980 –“ und die Puppenspieler

Blaupause: Vor 15 Jahren begann der NATO Krieg gegen Jugoslawien. Seither folgten viele Kriege diesem Muster: „Es begann mit einer Lüge“

Richtungsweisend: “Entfernen Sie sich bitte in die angegebenen Richtungen–: Berliner Polizei nutzt Twitter für Durchsagen an Demonstrierende. Beitrag von Matthias Monroy bei netzpolitik.org.

Uneinsichtig: „Kein einziger Altnazi hat Reue gezeigt“. Interview mit Kurt Schrimm, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg.

Bilanz: "Wie hoch war die durchschnittliche Tarifsteigerung im Jahr 2013? Wo gibt es welche Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz? Wie viel tarifliches Urlaubsgeld gibt es in der Metallindustrie? Wie hoch ist die Jahressonderzahlung im Versicherungsgewerbe? Wie sind die tariflichen Kündigungsfristen im Einzelhandel? Wie hoch sind die Schichtzuschläge in der chemischen Industrie? Was wird im Hotel- und Gaststättengewerbe gezahlt? Wie viel Ausbildungsvergütung gibt es im Bauhauptgewerbe? Wie hoch ist die Tarifbindung in West- und Ostdeutschland? Wie ist die Streikhäufigkeit im internationalen Vergleich?" Das statistische Taschenbuch "Tarifpolitik 2014" des WSI-Tarifarchivs gibt eine Übersicht und ist als Download und Print kostenlos erhältlich bei der Hans Böckler Stiftung.

Brachial: Beim "Marsch der Würde" letzten Samstag in Madrid gab es über 100 Verletzte bei Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bericht im Neuen Deutschland.

Kostenanalyse: Die Studie des Vera Institute of Justice untersucht den gefängnisindustriellen Komplex in den USA und der Anwalt David Breston verarbeitete die Daten aus über 40 Bundesstaaten grafisch mit einer Karte.

Integration: Der Furor des Nationalismus: In der Ukraine schreitet die Integration von Neonazis in den Staatsapparat voran.

Verhältnismäßig: Die 85 reichsten Menschen der Welt besitzen zusammen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Und Englands fünf reichste Familien besitzen mehr als die ärmsten 20 Prozent

Übelkeit: "In der Tagesschau stand Hans-Olaf Henkel, so gönnerhaft am Rednerpult der AfD, als sei er schon im EU-Parlament angekommen und erklärte seinem Publikum, dass die AfD nicht recht aussen stehe, sondern in der Mitte, wo sie schon immer stand. Lediglich CDU/CSU und SPD hätten sich nach links bewegt. Dafür bekommt er “standing ovations– und mir wird übel von dem populistischen Geschwätz ..." Mir geht es wie Monstropolis.

Im Zweifel gegen die Versammlungsfreiheit? Vom Polizeikessel in den Polizeicomputer

Buchcover

ISBN 978 -3-944137-35-3
Preis: 14,80 Euro
Erschienen im Peter Grohmann Verlag
Von Wolfram Treiber

Vor etlichen Jahren fragte der Referent auf einer Veranstaltung zum Versammlungsrecht als Einstieg das Publikum, was denn das Versammlungsrecht sei. Kennzeichnenderweise kamen daraufhin lauter Beiträge, die die Einschränkung des Versammlungsrechts beschrieben, und das bei einem Publikum, das wohl in seiner großen Mehrheit mit Sicherheit für die Versammlungsfreiheit eingestellt war. Offensichtlich haben deren Einschränkungen in der Praxis bis heute dazu geführt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ihre Gewährleistung, sondern ihre vielfältige Einschränkung und Reglementierung als „normal“ begriffen werden . Insofern erscheint es sinnvoll, zunächst einmal das Bundesverfassungsgericht als „unverdächtige Quelle“ zu Wort kommen zu lassen und auf dieser Grundlage an einzelnen Beispielen aktuelle Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zu kommentieren.

Unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass bereits die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit nur für Deutsche gilt und bereits durch das Versammlungsgesetz erheblich eingeschränkt wurde. Darüber hinaus hat die Föderalismusreform inzwischen allen Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, eigene Landesversammlungsgesetze zu erlassen, sodass die Ausübung eines elementaren Menschenrechts absurderweise von den jeweiligen Mehrheiten in einer Landesregierung abhängt. Die weitgehende Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch das bayrische Landesversammlungsgesetz, deren erstes Opfer im Übrigen ein ver.di- Gewerkschaftssekretär war, wurde zwar nicht zuletzt aufgrund des großen gesellschaftlichen Widerstands vom Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren vorläufig in weiten Teilen gekippt. Das Beispiel hat jedoch gezeigt, dass zukünftig immer mit elementaren Eingriffen in die Versammlungsfreiheit zu rechnen sein wird. Auch in Baden-Württemberg war bereits ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht worden, das darüber hinaus bereits im Vorgriff von etlichen Versammlungsbehörden angewandt wurde.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung zur Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe unter anderem in seiner „Brokdorf-Entscheidung“ wie folgt ausgeführt: „Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung und untersagt zugleich staatlichen Zwang, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers. In ihrer Geltung für politische Veranstaltungen verkörpert die Freiheitsgarantie aber zugleich eine Grundentscheidung, die in ihrer Bedeutung über den Schutz gegen staatliche Eingriffe in die ungehinderte Persönlichkeitsentfaltung hinausreicht. (vgl. BVerfGE 69, 315 –“ Brokdorf-Beschluss vom 14. Mai 1985).“

„In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (...) wird auch die Meinungsfreiheit seit Langem zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gezählt. Sie gilt als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist; denn sie erst ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; 12, 113 [125]; 20, 56 [97]; 42, 163 [169]). Wird die Versammlungsfreiheit als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe verstanden, kann für sie nichts grundsätzlich anderes gelten. Dem steht nicht entgegen, dass speziell bei Demonstrationen das argumentative Moment zurücktritt, welches die Ausübung der Meinungsfreiheit in der Regel kennzeichnet. Indem der Demonst rant seine Meinung in physischer Präsenz, in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien kundgibt, entfaltet auch er seine Persönlichkeit in unmittelbarer Weise.“ (...)

(...) „An diesem Prozess sind die Bürger in unterschiedlichem Maße beteiligt. Große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien können beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt. In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt sind, verbleibt dem Einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im Allgemeinen nur eine kollektive Einflussnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen.“

„Nach alledem werden auch in der Literatur Versammlungen zutreffend als wesentliches Element demokratischer Offenheit bezeichnet: „Sie bieten ... die Möglichkeit zur öffentlichen Einflussnahme auf den politischen Prozess, zur Entwicklung pluralistischer Initiativen und Alternativen oder auch zu Kritik und Protest ...; sie enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“. So zitiert das Bundesverfassungsgericht in seiner oben zitierten Brokdorf-Entscheidung Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 14. Auflage, 1984, S. 157, und führt weiter aus: „Namentlich in Demokratien mit parlamentarischem Repräsentativsystem und geringen plebiszitären Mitwirkungsrechten hat die Versammlungsfreiheit die Bedeutung eines grundlegenden und unentbehrlichen Funktionselementes.“

(...)“In einer Demokratie müsse die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt verlaufen; das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußere sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung, die sich in einem demokratischen Staatswesen frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich „staatsfrei“ vollziehen müsse. BVerfGE 20,56 [98 f.]“

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 8 Grundgesetz Versammlungen und Aufzüge –“ im Unterschied zu bloßen Ansammlungen oder Volksbelustigungen –“ als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. In einer Entscheidung vom 7. 3. 2011 zu Sitzblockaden ( 1 BvR 388/05) hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt ausgeführt: „Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird (vgl. BVerfGE 69, 315 [342 f.]; 87, 399 [406]). Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden (vgl. BVerfGE 73, 206 [248]; 87, 399 [406]; 104, 92 [103 f.]). Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen –“ schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes –“ im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl.BVerfGE 69, 315 [345]).“

Versammlungsrecht geht allgemeinem Polizeirecht vor

Einschränkungen der Versammlungsfreiheit sind, solange die Teilnehmenden unter dem Schutz des Versammlungsrechts stehen, nach geltendem Recht grundsätzlich nicht nach allgemeinem Polizeirecht, sondern nur auf Grundlage des Versammlungsgesetzes möglich.

Auch auf dem Weg zu einer Versammlung steht der Teilnehmende unter dem Schutz des Versammlungsrechts.

Dazu hat das VG Sigmaringen in seiner Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des Polizeikessels gegen AntifaschistInnen am 1. Mai 2009 in Ulm ausgeführt, das Maßnahmen gegenüber Teilnehmern einer Versammlung aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst zulässig sind, wen n die Versammlung aufgelöst oder der betroffene Teilnehmer von der Versammlung ausgeschlossen wurde:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 4. 2007 –“ 1 BvR 1090/06 sind Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden –“ wie ein Platzverweis oder eine Gewahrsamnahme –“ rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gem. § 15 Abs. 3 VersammlG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (a.a.O. Randnummer 40). Art. 8 Grundgesetz gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei.

In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz. Dieses Gesetz gehe in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.“ (VG Sigmaringen, Urteil vom 29. November 2010, Az. 1 K 3643/09). "Im Zweifel gegen die Versammlungsfreiheit? Vom Polizeikessel in den Polizeicomputer" vollständig lesen

Warum die Heilbronner Kesselklagen - was haben wir erreicht, wie geht es weiter?

Der 1. Mai 2011 in Heilbronn
Foto: woschod.de

Nach dem Polizeikessel vor dem Heilbronner Hauptbahnhof am 1.5.2011, der bis zu elf Stunden dauerte und mit „erkennungsdienstlicher Behandlung“ aller Eingekesselten endete, gab es zwei Gruppen von Betroffenen. Die einen bekamen Post und wurden irgendwelcher Delikte beschuldigt (z.B. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“). Andere waren an diesem Tag einfach „nur so“ ihres Demonstrationsrechts und ihrer Freiheit beraubt und in vielen Fällen sogar am Aufsuchen der Toilette gehindert worden Zu dieser Gruppe gehörten überwiegend Angereiste von außerhalb Heilbronns. Wir fanden uns zusammen im „Arbeitskreis Kesselklage“, der sich regelmäßig in Stuttgart traf und um eine politische und juristische „Aufarbeitung“ bemühte. Beides sollte Hand in Hand gehen.

Das juristische Vorgehen war für die beiden Gruppen –“ „Beschuldigte“ und „Nicht-Beschuldigte“ –“ völlig unterschiedlich. Wer „beschuldigt“ war, konnte versuchen, entweder mit einem Bußgeld aus der Sache heraus zu kommen, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen oder vor dem Amtsgericht Heilbronn einen Freispruch zu erwirken. Dabei müssen die Fristen, die in den Rechtsmittelbelehrungen genannt sind, unbedingt beachtet werden. In solchen Fällen waren Beweismittel und Zeugen für konkrete Vorfälle hilfreich, auf die sich die jeweils erhobenen Vorwürfe stützten.

Was aber konnten die „Nicht-Beschuldigten“ auf der rechtlichen Schiene tun? Der juristische Weg nennt sich „Fortsetzungsfeststellungsklage“. Zuständig waren in diesem Fall:das Verwaltungsgericht Stuttgart in 1. Instanz, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Sitz in Mannheim, als 2. Instanz. Einzelne Betroffene konnten innerhalb eines Jahres (!) Klage erheben, dass ein bestimmtes staatliches Organ (in diesem Fall: die Polizei) ein bestimmtes Vorgehen nicht „fortsetzt“. Fünf Betroffene aus dem Raum Stuttgart und aus Karlsruhe taten das, vertreten durch zwei verschiedene Anwälte (aus Esslingen und Karlsruhe). Es waren Einzelklagen –“ eine sogenannte „Sammelklage“ gibt es hier nicht. Der „Eintrittspreis“ beträgt pro Person über 360 Euro Gerichtskosten, die im Voraus bezahlt werden müssen. Und Anwälte arbeiten natürlich nicht umsonst. Ihre Honorare richten sich nach einer Gebührenordnung, sie sich am „Streitwert“ bemisst, den das Gericht festsetzt.

Während in anderen Fällen (z.B. Ulm 2009) solche Klagen gegen Polizeikessel gewonnen wurden, gingen sie in diesem Fall verloren. Zwei der fünf Kläger gingen noch in die 2. Instanz und wurden auch dort abgewiesen. Ganz beendet ist das Verfahren allerdings noch nicht. Mit der „erkennungsdienstlichen Behandlung“ am Ende des Heilbronner Kessels wird sich noch das Heilbronner Amtsgericht befassen. Die „Erfassten“ haben sich nicht das Geringste zuschulden kommen lassen, aber trotzdem ist es überhaupt nicht sicher, dass –“ wie behauptet –“ ihre sämtlichen Daten gelöscht wurden und nicht doch noch jahrelang in polizeilichen und geheimdienstlichen Systemen gespeichert sind.

Der Karlsruher Rechtsanwalt Wolfram Treiber hat eine ausführliche juristische Einschätzung der Kesselklagen veröffentlicht: „Vom Polizeikessel in den Polizeicomputer“, in dem Buch von Jörg Lang (Hrsg.): Politische Justiz in unserem Land. Stuttgart: Peter Grohmann-Verlag 2013, ISBN 978-3-944137-35-3. Er arbeitet heraus, dass das Versammlungsrecht ein Grundrecht ist, das jedem „allgemeinen Polizeirecht“ vorgeht. Im Widerspruch zu anderen Urteilen und „skandalöserweise“, schreibt er, seien die Klagen in Stuttgart abgewiesen worden. „Obwohl die Rechtswidrigkeit des Heilbronner Kessels klar auf der Hand lag, machte sich das Verwaltungsgericht die Argumentation ... zu eigen, wonach es sich um gar keinen Polizeikessel gehandelt habe (!)“. Wir möchten diesen Beitrag zur Lektüre empfehlen und Folgendes aus eigenem Erleben hinzufügen:

Die Planer des Heilbronner Polizeieinsatzes dachten offenbar nicht in solchen Kategorien wie „Grundrechte“ und „Verfassungsgebote“ (zum Beispiel zum Charakter des 1. Mai –“ wonach der Naziaufmarsch unbedingt hätte verboten und verhindert werden müssen). Gerichte leben auch in einer anderen Welt, denken anders und stellen andere Fragen als die Betroffenen eines Polizeikessels. Es ist sehr mühsam und bedarf sorgfältiger Vorbereitung und präziser anwaltlicher Beratung, wenn man erreichen will, dass wirklich diejenigen Fragen zur Entscheidung kommen, auf die es ankommt: ob das Vorgehen der Polizei rechtmäßig (an den Grundrechten und der Verfassung orientiert) und verhältnismäßig war. Nicht „Massenklagen“ und Zeugenaussagen sind sinnvoll, wo dann alle möglichen Sachverhalte vermischt und durcheinander geworfen werden, sondern eher ein exemplarischer Einzelfall, an dem sich das Unverhältnismäßige des Polizeieinsatzes präzise herausarbeiten lässt.

Die Juristen der Gegenseite haben große Übung darin, Gerichten eine Märchenwelt aufzutischen, die wenig mit dem zu tun hat, was die Betroffenen erlebten, und Nebelkerzen zu werfen. Aus detaillierten Beschreibungen, die wir liefern, suchen sie sich das heraus, was ihre Märchenwelt plausibel erscheinen lässt. Manche Gerichte greifen das bereitwillig auf. Tatsächlich haben die Gerichte in solchen Verfahren wie unserem einen großen Spielraum, um die Darstellung zu glauben und ihrem Urteil zugrunde zu legen, die sie glauben wollen. Rechtlich ist dem dann nur schwer oder gar nicht beizukommen..

Der von uns in und vor dem Bahnhof von Heilbronn erlebte 1. Mai 2011 wurde rechtlich in vier Etappen eingeteilt:

  • (a) Das Geschehen auf dem Bahnsteig –“ dafür, hieß es, sei die Bundespolizei zuständig gewesen, die wir aber nicht extra verklagt hatten ; das Verwaltungsgericht erklärte sich also für unzuständig für körperliche Angriffe der Polizei auf Angereiste, die fotografisch dokumentiert sind.

  • (b) Das Geschehen auf dem Bahnhofsvorplatz bis 16:11 Uhr - da hätten wir uns eigentlich „unrechtmäßig“ aufgehalten (und könnten froh sein, dafür nicht belangt zu werden), behauptete die Polizei hinterher.

  • (c) Der „Polizeigewahrsam“, in dem wir uns ab diesem Zeitpunkt befunden hätten –“ die sei, hieß es, von einem diensthabenden Amtsrichter nach Aktenlage angeordnet worden.

  • (d) Die „erkennungsdienstliche Behandlung“ am Schluss - diese habe „repressiven“ Charakter gehabt, also dazu gedient, „mögliche Straftaten aufzuklären“ –“ und wenn man dagegen juristisch vorgehen wolle, sei das Amtsgericht Heilbronn zuständig. Nur bei „präventiven“ Maßnahmen (zur „Gefahrenabwehr“) sei das Verwaltungsgericht zuständig. Diese etwas spitzfindig anmutende Unterscheidung aus dem Polizeirecht hatten wir nicht beachtet,

So jedenfalls –“ mit der Zuständigkeit der Bundespolizei für den Bahnbetrieb und mit behaupteten „möglichen“ Straftaten, die es in Wirklichkeit nicht gab - erklärte sich das von uns angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart für die Etappen (a) und (d) für unzuständig. Wegen der angeblich „repressiven“ „erkennungsdienstlichen Behandlung“ läuft, wie gesagt, noch das Verfahren beim Amtsgericht Heilbronn.

Einem Kläger wurden Äußerungen, die er außerhalb des Gerichts gemacht hatte, im Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart in krasser Weise im Mund herumgedreht. In einem Fernsehinterview hatte er gesagt, es sei ein unmögliches Ansinnen, dass die Gegenseite in ihrem Schriftsatz geäußert hatte, die Gewerkschafter hätten sich ja einer Leibesvisitation unterziehen und dann zur DGB-Kundgebung gehen können. Das am 1. Mai! Daraus wurde konstruiert: er habe bestätigt, dass es so gewesen sei, wie die Polizei-Märchentante erzählte: nach Durchsuchung hätten alle den (angeblich gar nicht bestehenden) Kessel jederzeit verlassen können. Die Eingekesselten waren also nur aus eigenem Entschluss zu ihrem Vergnügen elf Stunden dort! Das Gericht spielte mit ... Auf solche Winkelzüge muss man gefasst sein, bevor man überhaupt etwas sagt.

Die öffentliche Resonanz, die unsere Auseinandersetzung fand, haben wir auf dem Blog kesselklage.dokumentiert. Sie entsprach nicht der politischen Bedeutung, die das Verfahren hatte. Vor allem die Unterstützung aus den Gewerkschaften, deren ureigenste Anliegen am 1. Mai betroffen waren, blieb verhalten. Eine öffentliche Debatte mit deutlich vernehmbaren Stimmen gerade aus diesem Bereich wäre auch an dem Gericht nicht spurlos vorüber gegangen und hätte vielleicht zu einem anderen Ausgang geführt. Wie schaffen wir öffentlichen politischen Druck - darauf muss bei künftigen Verfahren verstärkt geachtet werden.

Nachteilig war ohne Zweifel die räumliche Trennung des AK Kesselklage und Gerichtsorts in Stuttgart vom Ort des Geschehens Heilbronn und den dortigen antifaschistischen und gewerkschaftlichen Bündnissen.

Nicht zuletzt ist alles auch eine Kostenfrage. Wer verliert, bezahlt das Verfahren. „Massenklagen“ verbieten sich in der Regel allein schon deshalb. Da unsere Heilbronner „Fortsetzungsfeststellungsklage“ aus dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz herausfiel, sprang in diesem Fall für ihre Mitglieder die VVN-BdA ein (und machte dann einen Spendenaufruf). Die Rote Hilfe übernahm –“ obwohl sie solche Verfahren sonst nicht unterstützt - wegen der besonderen Bedeutung in diesem konkreten Fall für die drei anderen Kläger die Kosten der ersten Instanz. Hinzu kamen weitere Spenden. Allen Spenderinnen und Spendern sei noch einmal herzlich gedankt!

Via kesselklage.de

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