Allgemein erhob sich großes Rätselraten über die barschen und hochfahrenden Worte, die aus dem deutschen Finanzministerium kamen. Als eine relativ schüchterne Anfrage aus Athen vorlag, die natürlich - wie konnte es anders sein - um eine Kreditverlängerung bat. Schäuble, unser Offenburger Volksvertreter, auf Photos meistens als verdrossen grämlicher Verwalter erkennbar. Nie aber als Räuber Hotzenplotz, wie er sich zur allgemeinen Überraschung diesesmal zur Schau stellte.
Allgemeine Überlegungen psychologischer Art zur Erklärung taten sich auf. Verärgerung wegen eines besonders unangemessenen griechischen Plakats? Da hätte Schäuble sich schon öfter ärgern müssen. Zusammen mit Frau Merkle treten der Finanzminister regelmäßig in Hitlerkostümen auf. Ohne großes Naserümpfen von der deutschen Regierung hingenommen. Eben Kriegspropaganda - wie üblich.
Oder - etwas feiner gedacht: Schäuble will den Austritt der Griechen aus der EU? Das allerdings würde Schäubles Geschäftssinn doch in Schatten stellen. Denn die Unkosten, die dabei entstünden, dürften die Unkosten der bisherigen Schulden bei weitem übersteigen. Dass es dem Finanzminister überhaupt um die Rückgewinnung der verlorenen Milliarden gegangen sein sollte, ist denkbar unglaubhaft. Wo nichts ist, kann man nichts holen.
Also - mit der einfachen Volkspsychologie ist wenig zu machen. Wozu aber dann das finstere Grollen?
Bleibt nur eines: Schäuble ging es um den Erhalt der gesamtdeutschen Hegemonie im Euro-Block.
Es ging darum, nicht nur für Griechenland, sondern auch für alle unsicheren Kandidaten im Euro-Block die Zügel anzuziehen. Wer einmal etwas abgemacht hat, den verbindet es für ewige Zeiten. "Pacta sunt servanda." Verträge sind heilig.
Was Strauss selig immer wiederholte, soll ewig gelten.Insofern verhüllt sich der Kampf um Hegemonie immer wieder zu einem ums ewige Recht. Dass in Wirklichkeit dieses ewige Recht immer nur vorgewandt wurde,wenn es zur Verhüllung recht niedriger Interessen dienen sollte,wurde verschwiegen. Man denke nur an die berühmten Versailler Verträge. Waren sie mit ein Kriegsgrund - 1939 - gewesen, wurden sie alle nach dem Krieg auf ein Minimum bis gar nichts gelöscht. Warum? Nicht etwa, weil man nachträglich einsah, wie unerfüllbar die Verpflichtungen der Unterlegenen gewesen wären. Nein, einfach, weil im Kalten Krieg auf einmal die Frontstellungen sich total verändert hatten.
Freilich: auch die Majestätsstellung Deutschlands innerhalb Europas werden sich mit und ohne Schäubles Donnerworte nicht erfüllen. Es zeichnet sich jetzt schon ab,dass außer Griechenland die ganze Ukraine sich an Deutschland gesundrappeln will. Und wer weiß, wer dann noch kommt. Dann erst wird sich erweisen, dass Schäuble - im geheimen Sinn - seinen Ehrennamen zu Recht trägt. Im Sinne des Piraten nämlich. Des Länderräubers. Und haben sich die Piratenreiche dieser Welt nicht recht lange gehalten? Freilich: Für immer hat keines überlebt.
PS: Alles Gute meiner beständigen Leserin Heddi zum Geburtstag
Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden mit der Bundespolizei und dem BKA Gesetz den Überwachungsstaat organisieren...
Das ist völliger Unsinn. Ich will keinen Überwachungsstaat einführen. Kritiker, die das unterstellen, blenden sich aus jeder ernstzunehmenden Debatte aus. Meine Aufgabe ist, die Freiheit zu verteidigen, aber die Bürger zu schützen.
Eines vorweg: Es sollen hier nicht die ollen Kamellen mit der Vorratsdatenspeicherung ausgegraben werden. Da sind wir lange genug darauf herumgeritten.
Wie sicher Privatsphäre im Bundestag aufgehoben ist, zeigte die Bundestagsdebatte zum BKA-Gesetz. Ein schöner Steinbruch zum Zitieren und ein Spiegel für das Demokratieverständnis einiger von den Hampelmännern Abgeordneten. Beispiel gefällig?:
Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: "Neben den polizeilichen Standardbefugnissen werden dem BKA besondere Mittel der Datenerhebung sowie die Möglichkeit der Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung und der Rasterfahndung zur Verfügung gestellt. Insbesondere erhält das BKA die Befugnis zum verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme (sog. Online-Durchsuchung). Auch erhält das BKA durch den Entwurf Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation, zur Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten sowie zum Einsatz von technischen Mitteln zur Identifizierung und Lokalisation von Mobilfunkendgeräten, die auch bereits in etlichen Polizeigesetzen der Länder vorgesehen sind. Ebenfalls enthalten ist eine Befugnis zur Wohnraumüberwachung."
Dies ist nur die Kurzzusammenfassung der wesentlichen Schwerpunkte des Gesetzentwurfs.
Es ist, wie ich finde, eine beeindruckende Liste, aber auch eine erschreckende Liste."
(Clemens Binninger (CDU/CSU): Warum denn erschreckend?)
Ein Best-of? Nein, eher ein Worst-of aus 16 Polizeigesetzen
- je lauter Sie werden, desto schlechter wird es -
(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin (FDP))
"und zur Krönung noch ein paar weitere Befugnisse wie die zur heimlichen Onlinedurchsuchung oder die zur sogenannten Quellen-TKÜ. Ich habe in den letzten Tagen verschiedentlich gehört, es sei das modernste Polizeigesetz. Bei mir ist es nicht Mode, die Eingriffsintensität in die Grundrechte dadurch zu erhöhen, dass eine Kompetenz an die andere gereiht wird..."die Eingriffsintensität in die Grundrechte dadurch zu erhöhen, dass eine Kompetenz an die andere gereiht wird..." Usw. usf...
Kompetenz bedeutet in der Rechts- und Politikwissenschaft die Zuständigkeit eines Menschen oder Organs, bestimmte Aufgaben selbstständig durchzuführen. Die parlamentarische Kontrolle ist da eher ungeschickt bei der selbständigen Durchführung, denn das führt zu Kompetenzgerangel. Aber eigentlich könnte man dann ja noch ein paar Kompetenzen dazupacken. Dazu passt die Schlagzeile der Berliner Zeitung am gestrigen 24.5., gefunden bei annalist:
"Chipkarte für jeden Arbeitnehmer Lohn- und Gehaltsdaten sollen künftig auf elektronischem Ausweis gespeichert werden Wirtschaftsminister Glos erwartet Milliardeneinsparungen / Kabinett entscheidet morgen."
Aber aufpassen! Denn wie die Frankfurter Rundschau (auch via annalist) zu berichten weiß, können dabei auch peinliche Pannen passieren:
"Adresse, Passbild, Religion Bürgerdaten frei Haus Wo genau wohnt eigentlich Günther Jauch und welche Nummer hat sein Personalausweis? Bis zum vergangenen Freitag ist es ein Leichtes gewesen, die Meldedaten von 150 000 Potsdamern zu lesen. Religionszugehörigkeit, Geburtsdatum, Ehepartner - alles stand frei zugänglich im Internet, ein Mausklick genügte."
Das passiert unserem Parlament bestimmt nicht. Oder? Hier ein ein Ausschnitt (gefunden beim Roten Blog) aus einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beginn der Agenda 2020, gehalten am 7. Oktober 2010:
"Schaffung einer bundesweiten Ausweispflicht, zudem müssen die in den Ausweisen vorhandenen Chips zwecks Strafverfolgung und Routineüberwachung jederzeit noch in mindestens 50 Metern Entfernung von Polizeibeamten auslesbar sein; hierfür wird der neue Straftatbestand “Vereitelung staatssicherheitlicher Maßnahmen– eingeführt, auf welchen eine Mindeststrafe von zwei Jahren Gefängnis oder alternativ 5 Jahren psychiatrische Behandlung stehen soll. Strafbar müssen sämtliche Vorkehrungen sein, die eine Kontrolle der biometrischen Personendaten (...) durch Ermittler behindern, es darf hier keine Ausnahmen oder Schlupflöcher wie “geschlossene Räume– oder “Alufolie– geben. Über ein generelles Verbot des Besitzes von Aluminiumfolie durch Privatpersonen wird nachgedacht."
Eine nette Vorstellung. Einer würde sich aber bestimmt darüber freuen:
... ist in Schweden bereits Wirklichkeit. Zuerst geriet nur Ikea mit dem Vorwurf, seine Beschäftigten auszuspionieren in Verruf, jetzt zieht der schwedische Staat nach: Der schwedische Geheimdienst Försvarets Radioanstalt (FRA, „Radioanstalt der Verteidigung“) darf nach dem am 18.6. beschlossenenen Ermächtigungsgesetz künftig ohne Richterbeschluss und verdachtsunabhängig den Inhalt der gesamten Kommunikation der Bürger mit dem Ausland überwachen:
Betroffen ist der gesamte E-Mail-, SMS-, Internet- und Faxverkehr sowie die Sprachtelefonie. Ab Januar 2009 erfasst der schwedische Militärnachrichtendienst "Försvarets Radioanstalt" (FRA, Radioanstalt der Verteidigung) nicht nur die Verbindungsdaten, wie bei der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, sondern speichert und analysiert auch die Inhalte der Kommunikation.
Betroffen ist nicht nur die Kommunikation mit dem Ausland: Da E-Mails auf dem Weg von Göteborg nach Sundsfall schon mal den halben Erdball umrunden können, ist eine Trennung von Inlands- und Auslandskanälen ohnehin unmöglich, meinen Kritiker. Als Begründung für das oft als Lex-Orwell bezeichnete Gesetz nannte die regierende bürgerliche Vierparteienallianz die "Bedrohung von außen" durch "internationalen Terrorismus". (Quelle: Golem)
Mark Seibert befürchtet Besuch vom Wolfgang und seiner Gang, weil er in seinem Blog behauptet, daß Wolfgang Schäuble ein permanenter Verfassungsbrecher sei.
Wolfgang S. wurde nämlich kürzlich im Hamburger Abendblatt mit einer Aussage zitiert, die er als als Drohung versteht:
“Ich stehe dafür ein, dass der Staat die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt–, sagte Schäuble der “Leipziger Volkszeitung–. Er rate jedem, “mich nicht als permanenten Verfassungsbrecher zu verleumden.–
Mark Seibert braucht sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Wolfgang S. hat ausdrücklich gesagt, "wer ihn verleumdet". Und das macht ja keiner.